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23.08.08 / Abschied von der GUS / Georgiens Austritt die Geopolitik im postsowjetischen Raum verändern?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-08 vom 23. August 2008

Abschied von der GUS
Wird Georgiens Austritt die Geopolitik im postsowjetischen Raum verändern?
von M. Rosenthal-Kappi

Unmittelbar nach dem Ende der Kriegshandlungen und nachdem Tiflis und Moskau der Annahme des Sechs-Punkte-Plans des französischen EU-Ratsvorsitzenden Sarkozy zugestimmt hatten, erklärte der georgische Präsident Michail Saakaschwili öffentlich vor 100000 Zuschauern den Austritt Georgiens aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Gleichzeitig forderte er andere Mitglieder auf, seinem Beispiel zu folgen. Zwar ließ das Büro des ukrainischen Staatspräsidenten verkünden, die Ukraine betrachte sich nicht mehr als GUS-Mitglied, da das Land, genauso wie Moldawien und Turkmenien, die GUS-Satzung nie ratifiziert habe, jedoch hat der Präsident selbst sich noch nicht dazu geäußert.  Von erstaunlicher Zurückhaltung war auch die Reaktion der übrigen GUS-Mitglieder, eine Tatsache, auf die Moskau verärgert reagierte, hatte sich doch Wladimir Putin in seiner Funktion als russischer Präsident in den vergangenen Jahren um vermehrten Einfluß und ein Wiedererstarken der GUS bemüht.

Die GUS wurde als Zusammenschluß einiger Nachfolgestaaten der Sowjetunion 1991 durch eine Vereinbarung der Staatsoberhäupter Rußlands, der Ukraine und Weißrußlands gegründet, um einen gemeinsamen Wirtschafts- und Sicherheitsraum zu schaffen. Doch die Staatengemeinschaft hat in den vergangenen Jahren an Einfluß verloren, da die Mitgliedsstaaten inzwischen unterschiedliche außenpolitische Orientierungen haben und sich in parallelen Bündnissen zusammenschlossen wie in der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft, der Shanghai Cooperation Organisation, der GUAM oder der Russisch-Weißrussischen Union. Mitglieder sind heute noch neben den drei genannten Gründungsmitgliedern Armenien, Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisien, Moldawien, Tadschikistan und Usbekistan sowie Turkmenistan als  beigeordnetes Mitglied. Innerhalb der GUS haben sich zwei Blöcke gebildet: der pro-westliche mit Georgien und der Ukraine sowie der pro-russische mit Rußland und den anderen postsowjetischen Staaten, die sowohl dem militärischen Bündnis der GUS als auch der Eurasischen Wirtschaftsunion angehören.

Der Krieg in Südossetien spaltete die beiden Lager innerhalb der GUS noch tiefer. Die Ukraine und in diesem Fall auch Aserbaidschan nahmen eine entschiedene Position gegenüber Moskau ein und sprachen sich für die territoriale Einheit Georgiens aus. Usbekistans Führung schwieg, das Land ist strategischer und militärischer Partner Rußlands. Aus Tadschikistan kam ebenfalls keine Reaktion, Turkmenien verhielt sich aus Tradition neutral. Das Schweigen des weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko erfüllte Moskau mit Argwohn, zumal dieser eine wirtschaftliche Zusam-menarbeit mit EU und USA anstrebt. Der kirgisische Präsident Kurmanbek Bakijew, der zur Zeit den Vorsitz in der GUS innehat, setzte dem Ganzen die Krone auf, indem er den kriegerischen Partnern riet, den Konflikt politisch zu lösen, und sich in den Urlaub verabschiedete. Eine kurzfristig angesetzte Krisensitzung der GUS-Mitglieder war damit hinfällig geworden. Mit diesem Verhalten stellte der GUS-Vorsitzende gleichsam die Handlungsunfähigkeit der Gemeinschaft unter Beweis. Russische Experten messen der GUS ohnehin lediglich die Bedeutung eines Interessenklubs für Präsidenten bei, die sich gelegentlich treffen. Probleme seien dort noch nie gelöst worden, und die größte Errungenschaft sei die Visafreiheit, an der Georgien sich ohnehin nicht beteiligte.  Laut des GUS-Spezialisten der „Nowaja politika“, Alexander Krylow, spiele es daher keine Rolle, wenn Georgien und die Ukraine austräten. Rußland könne ohne Probleme seine Zusammenarbeit im postsowjetischen Raum auf die Organisationen beschränken, die funktionieren. Das ist neben der Eurasischen Wirtschaftsunion die Shanghai Cooperation Organisation.

Problematisch ist die Situation für GUS-Staaten wie die Ukraine, die Beziehungen zu Rußland und zur USA pflegen und sich Spannungen mit keiner der beiden Seiten leisten können. Das militärische Vorgehen Moskaus gegen ein Mitglied beziehen sie auf sich selbst. Ungelöste territoriale Probleme hat die Ukraine auf der Krim, Aserbaidschan in der Region Berg-Kara-bach. Zwei Dinge hat der Konflikt um Georgien klar gemacht: Die Geopolitik hatte sich bereits vor dem Krieg verändert. Rußland greift durch, um seinen Einfluß im Kaukasus zu verteidigen, die „internationale Gemeinschaft“ schaut weg, weil hinter den Kriegshandlungen die geopolitischen Interessen der „Großen“, Rußlands und der USA stehen.

Foto: Premierminister Putin vor Rußlandkarte: Ein Zerfall der GUS ist wahrscheinlich.


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