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23.08.08 / Nicht nur zum Käsemachen nach Preußen / König Friedrich der Große zog viele Eidgenossen in seinen Staat und umgab sich gerne mit ihnen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-08 vom 23. August 2008

Nicht nur zum Käsemachen nach Preußen
König Friedrich der Große zog viele Eidgenossen in seinen Staat und umgab sich gerne mit ihnen
von Jürgen Ziechmann

Neben den Franzosen, zu denen sich Friedrich der Große ja bekanntlich in starkem Maße hingezogen fühlte, waren es Schweizer, die er besonders gern in seiner Umgebung hatte. Damals umfaßte die Schweiz 13 Kantone, die zwar miteinander kooperierten, aber dennoch eigenständige Politik betrieben. Außerdem befanden sich verschiedene Fürstentümer auf dem Boden der heutigen Schweiz, von denen das Fürstentum Neuchâtel und Valangin sogar zu Preußen gehörte.

In der Schweiz wurde der König als toleranter Gesetzgeber, als Philosoph und Schriftsteller, als Förderer von Kunst und Wissenschaften und als Feldherr bewundert. Er war insbesondere in frömmelnden kirchlichen Kreisen als Hüter des protestantischen Bekenntnisses beliebt. Nur den Musiker und Komponisten Friedrich beachteten die biederen Schweizer nicht besonders.

Hinsichtlich der Beliebtheit fremder Länder bei Schweizern, die mit den Verhältnissen in ihrer Heimat unzufrieden waren, stand Preußen an erster Stelle. Unmittelbar nach seiner Thronbesteigung hatte der König Handwerkern und Bauern Steuerfreiheit und kostenlose Baumaterialien zugesagt, wenn sie sich in den geringbevölkerten Landstrichen Brandenburg-Preußens niederließen. Der „Schweizer“ wurde besonders in Ostpreußen als Lieferant von Milch und deren weiteren Produkten begriffen. Schließlich wußten die Behörden in der Schweiz selbst, die diesen Exodus zunächst gern gesehen hatten, sich nicht anders zu helfen, als der „… Begierde, weg nach Preußen zu ziehen“ durch Verbote entgegenzutreten.

Zu den vielen Schweizer Persönlichkeiten, die der König von Preußen um sich versammelte, gehörte auch sein langjähriger Vorleser Henri de Catt, der am 14. Juni 1725 in Morges am Genfer See geboren wurde. Er hatte in Utrecht Staatsrecht und Geschichte studiert, als er im Juni 1755 zufällig zwischen Utrecht und Amsterdam mit einem Mann zusammentraf, der mit schwarzer Perücke und zimtfarbenem Mantel vermummt war und vorgab, Kapellmeister des Königs von Polen zu sein. Es war König Fried­rich, der nach einem Besuch in Kleve eine seiner wenigen Auslandsreisen unternommen hatte. Für den jungen Schweizer war es eine Ehre, als er 1757 – mitten im Siebenjährigen Krieg – die Einladung des Königs erhielt, sein „Vorleser“ zu werden. Diese Vertrauensstellung, die der König mit einem Ruf des de Catt an die Berliner Akademie verbunden hatte, behielt de Catt über lange Jahre hinweg. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Gespräche mit dem König, die sich oft bis lange in die Nacht hinzogen, unmittelbar danach aufzuzeichnen, wobei er möglichst Formulierungen, die Friedrich gebraucht hatte, wortgetreu wiederholte. Seine „Unterhaltungen mit Friedrich dem Großen“, die 1884 erstmals im Druck erschienen, geben also einen tiefen Einblick in das Denken und die breite geistige Bildung des Königs. Zum Leidwesen de Catts glaubte der König dem Vorwurf von Neidern, de Catt habe gegen Geldgeschenke Gefälligkeiten erwiesen, so daß de Catt seinen Vertrauensposten nach dem Ende des Krieges verlor. Er blieb aber in unmittelbarer Nähe des Königs, durfte ihm aber nur noch vorlesen. Er wohnte in Potsdam, wo er am 23. November 1795 starb.

Ein anderer Schweizer, der dem sonst sehr peniblen und den körperlichen Kontakt zu anderen ablehnenden König nahe kommen durfte, war der Arzt Johann Georg Zimmermann, der am 8. Dezember 1728 in Brugg im heutigen Kanton Aargau geboren wurde. Er hatte zwar nach einem Studium der Medizin in Göttingen eine auskömmliche Stellung als Stadtphysikus in Brugg, entfloh aber schließlich dem „… einsamen, reizlosen und die Flamme des Geistes auslöschenden Ort“, um als königlicher Leibarzt nach Hannover zu ziehen. Hier konnte er die Rolle des Mediziners und die eines Gelehrten spielen, die ihm Ruhm und Ehre einbrachten. Der Höhepunkt in seiner Karriere war 1771 eine erste Begegnung mit Friedrich dem Großen in dessen Königreich. 1786 kam er erneut nach Potsdam, wo er den kranken König untersuchte und Vorschläge zur Linderung für dessen Leiden, die aber nicht mehr zu heilen waren, machte. Zimmermanns Buch „Über Friedrich den Großen und meine Unterredung mit ihm kurz vor seinem Tode“ (1788) wurde ein Bestseller. Er starb am 7. Ok­tober 1795 in Hannover.

In religiöse Zwistigkeiten, die ja nicht nur zwischen den Protestanten und Katholiken immer wieder ausbrachen, sondern auch unter den Protestanten selbst, hat sich der König nie eingemischt. Als im preußischen Neuenburg 1760 das regierende Drei-Stände-Tribunal einen Pfarrer absetzte, der das Dogma der ewigen Höllenstrafen ablehnte, meinte der König lakonisch: „Wenn meine Untertanen in Neuenburg denn so gerne ewig verdammt sein wollen, so sollen sie es sein“ und enthielt sich jeglicher Einmischung.

Vielmehr orientierte sich der König an den exakten Wissenschaften, die er in seiner nach der Thronbesteigung zu neuem Leben erweckten Akademie zu Berlin dadurch förderte, daß er zahlreiche Schweizer Wissenschaftler einstellen ließ. Die akademischen Ausbildungsstätten in Genf, Zürich, Bern und Basel für Söhne reicher Patrizier, die nicht zum Militärdienst wollten, bildeten zahlreiche Nachwuchswissenschaftler heran, die in den wenigen geeigneten Anstalten im Lande selbst nicht unterkommen konnten. Auch sie folgten gern dem Ruf des neuernannten Berliner Akademiepräsidenten Pierre Louis Moreau de Maupertuis (1698–1759), der enge freundschaftliche Beziehungen zu schweizerischen Familien pflegte.

Die Bereitschaft, nach Berlin zu gehen, resultierte auch aus der Kritik vieler gebildeter Schweizer an den Zuständen in ihrer Heimat, die geprägt waren vom Unverstand der niederen Bevölkerungsteile bei gleichzeitiger geistiger Beschränktheit der zwar gebildeten, aber despotischen Oberschicht. Neben Leonhard Euler (1707–1783) aus Basel wurden viele Sprößlinge der Baseler Familie Bernoulli, die man schließlich durchnumerieren mußte, um sie auseinanderzuhalten, zu auswärtigen Mitglieder der Berliner Akademie, das heißt sie publizierten im Namen der Akademie, wohnten aber in der Schweiz. Alle waren mathematisch begabt. Johann III. Bernoulli (1744–1807), der seinen Wohnsitz in Berlin nahm, wurde mit 19 Jahren in die mathematische Klasse aufgenommen und starb als deren Direktor.

Foto: Käseherstellung zu Zeiten Friedrichs des Großen: Viele Schweizer arbeiteten in Preußen als „Schweizer“.


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