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23.08.08 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-08 vom 23. August 2008

Risiken voraus / Wie die Welt eine Lüge sucht, die alle mögen, warum Beck das Beiboot klarmacht, und  wie uns die Wirtschaft das Würstchen klaut
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Angela Merkel kann sich endlich mal ganz und gar der großen Weltpolitik widmen. Die Mäuse daheim sind dermaßen mit sich selbst beschäftigt, daß die Katze ruhig für ein paar Tage das Haus verlassen kann. Dort draußen im Ausland trifft sie viele nette Bekannte. Denn die anderen großen Katzen sind auch alle unterwegs und haben sich wegen des Kaukasuskrieges herzhaft in die eigenen Schwänze gebissen.

Entsprechend schrill ist das Geschrei: Die Amis fordern mit bebender Stimme die Unversehrtheit Georgiens zurück, die ihnen im Falle Serbiens schnurz war. Die Russen wollen  für ihre ossetischen Schützlinge jene Selbstbestimmung, die sie den Tsche­tschenen niemals gewähren. Merkel und Sarkozy würden die giftenden Kater gern an ihren Katzentisch bitten, um gemeinsam zu klären, wie man aus diesem Sammelsurium halber Wahrheiten eine gemeinsame Lüge zimmern könnte.

Das kann dauern. Macht aber nichts, denn, wie gesagt, Merkel hat an der Heimatfront derzeit nichts zu befürchten. Dem Parteienstreit enthoben kennt sie nur noch Deutsche. Das kann sie sich leisten, weil die SPD nur noch Hessen kennt. Egal, welches Thema ein Sozialdemokrat gerade anschneidet, am Ende kommt immer irgendwas mit Y heraus.

Kurt Beck wird das penetrante Hessen-Gebabbel langsam unheimlich. Wie wird das noch enden? Jetzt ist die Zeit für sorgfältige persönliche Vorsorge gekommen, weiß Beck: Wenn die vom ungestillten Machthunger schon völlig ausgemergelte Frau Ypsi­lanti eine Abstimmungpleite im Landtag erleidet, will der SPD-Chef auf keinen Fall mit ihr in die politische Hölle fahren. Um das zu verhindern, ist allerhand Wendigkeit gefragt. Doch in dieser Disziplin steckt Beck noch jedes andere Wirbeltier in die Tasche.

Am Montag ließ der Pfälzer listig verlauten, er habe ja damals auf die Risiken von Rot-Rot-Grün hingewiesen. Der Rest sei jetzt Sache der hessischen SPD.

Ist das nicht umwerfend? Das ist Führung! Ein verantwortungsbewußter Kapitän weiß eben, wie er sich rechtzeitig in Sicherheit bringt. Deshalb verläßt er kurz vor der Zone mit den gefährlichen Eisbergen die Brücke in Richtung Rettungsboot, nicht ohne seine im Steuerhaus zurück­bleibenden Offiziere im Weggehen väterlich zu instruieren: „Also Jungs, ich hab’s euch gesagt, unser Kurs birgt Risiken!“

Wenn die heikle Zone ohne Katastrophe durchfahren ist, wird Käpt’n Kurt siegerstrahlend zurück auf die Brücke stolzieren, hat er doch durch seine „besonnene Strategie den Weg erst frei gemacht“ für die dunkelrote Route, wie er dann verbreiten wird.

Zerschellen die Ypsilanten hingegen an ein paar Nein-Stimmen aus dem eigenen Lager, und mehr als ein paar braucht’s ja nicht, wird Beck unter seinen „Hinweisen von damals“ davonsegeln: Hab’s ja gesagt! Trocken bleibt er jedenfalls so oder so.

Ypsilantis Wunschpartner von den Grünen blicken mit Skepsis auf den fluchtfertigen Kapitän. Der hessische Grünen-Chef Tarek Al-Wazir grübelt gar, ob er den rot-rot-grünen Abenteuertörn überhaupt antreten sollte: „Bevor wir uns in schwere See begeben, wollen wir wissen, ob wir uns auf ein seetaugliches Schiff begeben oder auf ein knallrotes Gummiboot.“

Die Hessen-Grünen haben sich eigens zur Klausur zurückgezogen, um das Für und Wider des „Himmelfahrtskommandos“ durchzukauen. Dafür suchten sie sich einen hübschen Ort aus mit dem vielsagenden Namen Schlangenbad. Beruhigt haben sie sich in dem Taunusidyll jedoch nicht die Spur und fordern nun zittrig Probeabstimmungen von der SPD.

Die wollten sie sowieso durchführen, gaben die Sozis hastig zu verstehen. Und die Linkspartei? Deren hessischer Sprecher ließ müde verlauten, um die CDU abzulösen, werde man notfalls auch jede Woche probeabstimmen. Gelernt ist gelernt: Risikolose Abstimmungsrituale mit 100prozentig vorhersehbarem Ergebnis – damit kennen sich die Postkommunisten eben aus.

Leid tun können einem die Politiker, fürchterlich dieser ganze Streß. Unsereins kann ja wenigstens mal Urlaub machen und den leidigen Alltagskram hinter sich lassen. Bei Politikern ist das anders, bei denen ist an Erholung kaum zu denken, weil ihnen immer einer an den Hacken klebt, der später gemeine Geschichten schreibt über „Lustreisen“ und so. Die Gesundheitsexperten des Bundestages stehen ja gerade im Feuer solcher hinterhältigen Anwürfe.

Unser Generalkonsul in San Francisco hat also gepetzt, daß sich der Sekretär der Gesundheitspolitiker, ein Sozialdemokrat aus Potsdam, beim deutschen Generalkonsulat einen „Neger“ zum Rollstuhlschieben bestellt habe. Außerdem wurde vor der hiesigen Öffentlichkeit ausgebreitet, daß die Parlamentarier (auf ausdrücklichen eigenen Wunsch hin) vor allem zum Schuhekaufen und Rumbummeln auf Staatskosten nach Amerika gereist seien.

Jetzt ist die Aufregung natürlich wieder gewaltig. Der „Neger“ sollte wohl noch Folgen haben. Aber wegen des bißchen Spaßurlaubs sollten wir nicht so einen Bohei machen. Immerhin haben sich die Parlamentarier nicht auch noch von einem eigens aus Berlin heranbeorderten Hubschrauber der Bundeswehr zu Hause abholen lassen. Das erst wäre eine wirkliche Schavanerei gewesen. Solche Touren kosten nach neuesten Erfahrungen so um die 26000 Euro, die unsere Armee an anderer Stelle einsparen muß.

Ja, das liebe Geld. Ausgequetscht von der steigenden Inflation haben wir immer weniger davon, was in Wahlkampfzeiten gefährlich werden kann für die Politik. Um die Leute bei Laune zu halten, müßte man dem Volk was zurückgeben.

Andererseits haben die Politiker immer viel vor, wofür sie unser Geld dringend benötigen. Ein beklemmender Zwiespalt tut sich auf, für den eine ausgefuchste Lösung gesucht und gefunden wurde: Noch über die Bayernwahl hinaus hängen die Großkoalitionäre das Würstchen einer Beitragssenkung bei der Arbeitslosenversicherung ins Fenster, wo wir das Prachtstück schon mal bewundern, aber nicht anrühren dürfen.

Endgültig entschieden werden soll über die Beitragssenkung nämlich erst zum Jahresende, heißt es verschmitzt. Wir ahnen schon, wie es weitergeht: Irgendwann zwischen Bayernwahl und Weih­nachten werden die Bundestagsexperten zu dem traurigen Schluß kommen, daß „aufgrund der ungünstigen weltwirtschaftlichen Entwicklung eine weitere Entlastung zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht zu meistern ist“, und das Würstchen wieder aus dem Fenster nehmen.

Wir werden dann ein bißchen enttäuscht sein, aber die „weltwirtschaftliche Entwicklung“ ... was soll man machen.

Da der so einbehaltene Reibach aber immer noch nicht reicht, um die außer Kontrolle reformierten Sozialsysteme am Laufen zu halten, muß im kommenden Jahr sogar noch zusätzliches Geld her. Also Beitragserhöhungen im Jahr der Bundestagswahl? Um Himmels Willen!

Um die zu vermeiden bedurfte es eines besonders geschickten Manövers: Statt die Sozialbeiträge insgesamt zu erhöhen, soll jetzt nur die „Beitragsbemessungsgrenze“ angehoben werden. Eine solche Mehrbelastung trifft nämlich nur die sowieso verhaßten „Besserverdiener“ und stillt so nebenbei unseren Hunger nach sozialer Rache an der oberen Mittelschicht. Wenn der bessergestellte Nachbar bluten muß, freut uns das schließlich fast ebenso sehr wie eigene Mehreinkünfte. Politiker wissen das.

Begründet wird die Anhebung mit den wundervollen Lohnabschlüssen des Jahres 2008. Daß die komplett an Zapfsäulen, in E-Werken und an Ladenkassen verdampft sind, ist den Hubschrauberfliegern, USA-Touristen und Fahrbereitschafts-Abonnenten von Berlin verständlicherweise entgangen.


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