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23.08.08 / »Der arme Mann aus dem Toggenburg« / Der Schweizer Literat Ulrich Bräker war nicht das Opfer preußischen Militarismus, als das er gerne hingestellt wird

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-08 vom 23. August 2008

»Der arme Mann aus dem Toggenburg«
Der Schweizer Literat Ulrich Bräker war nicht das Opfer preußischen Militarismus, als das er gerne hingestellt wird
von Jürgen Ziechmann

Der im Weiler „Näppis“ (Scheftenau) im Kanton St. Gallen am 22. Dezember 1735 geborene Ulrich Bräker wurde insbesondere durch die von ihm selbst handschriftlich fixierte Biographie unter dem Titel „Lebensgeschichte und Natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg“ (die Schreibweise des Titels seines Werkes variiert stark) bekannt.

Als Kind hatte er Lesen und Schreiben gelernt, verdiente seinen Lebensunterhalt aber als Bauernknecht, später als Salpetersieder. Der Drang, seine Erlebnisse niederzuschreiben, brachte ihn dazu, Tagebücher zu führen, die er in sauberer Form niederschrieb. Seine heimliche Hoffnung, seinen Lebensunterhalt, den er später als Garnhändler bestritt, durch die Veröffentlichung seiner Aufzeichnungen aufzubessern, erfüllte sich, als ein Schulmeister aus Wattwiel auf ihn aufmerksam wurde, einige kleinere Ausschnitte aus seinen Tagebüchern zum Abdruck brachte und schließlich den Verleger Hans Heinrich Füssli (1744–1832) aus Zürich 1789 dazu bewog, Bräkers Autobiographie insgesamt als Buch zu veröffentlichen. Bräker wurde in der Schweiz als Musterbeispiel eines volkstümlichen Literaten, dessen Gedanken von heimatgebundener Schlichheit, aber dennoch von menschlicher Tiefe geprägt sind, gefeiert.

In preußenfeindlichen Kreisen wurde sein Buch dadurch bekannt, daß Bräker 1756 von einem preußischen Werber zum Militärdienst bewogen wurde. Sein Schicksal wurde als Beispiel für den menschenverachtenden Drill und die ungeheure Strenge des soldatischen Dienstes in der Armee Friedrich des Großen hingestellt. Diese Verhältnisse rechtfertigten angeblich auch Bräkers Desertion in der Schlacht bei Lobositz am 1. Oktober 1756.

Dabei wird generell übersehen, daß sich viele junge Schweizer aus eigenem Antrieb den Truppen verschiedener europäischer Länder zur Verfügung stellten. Auch wenn die Werbung nicht selten gegen den Willen der Betroffenen erfolgte, konnte man sich – und das wird auch aus Bräkers Schilderung deutlich – doch durchaus arrangieren. Im speziellen Fall des Ulrich Bräker war es sogar so, daß er sich gänzlich freiwillig einem preußischen Offizier angeschlossen hatte, der sich ihm als polnischer Edelmann namens Johann Markoni vorgestellt hatte. Warnungen seiner Landsleute, daß er womöglich zum Militärdienst eingezogen werden könnte, schlug Bräker in den Wind. Er bekam eine bevorzugte Behandlung, denn zunächst wurde er als Diener des Offiziers, dem eine eigene Livree angepaßt wurde, in Dienst genommen. Schließlich sollte er seinem Herren nach Berlin folgen, was er denn auch in Begleitung eines Wachtmeisters und dreier anderer Schweizer tat. „Da, dacht’ ich Einfaltspinsel, bringt man dich dein Lebtag nicht mehr weg. Da wirst du dir dein Glück bauen.“ In Berlin wurde er aber Anfang April 1756 dann doch zum Rekruten gemacht. Er kam in das Regiment Itzenplitz (No. 13), im Soldatenjargon: „Donner und Blitz“, in dem er andere Schweizer traf, mit denen er ausgebildet wurde. Er suchte auch den Offizier (Lieutenant) Markoni auf, der – nach seiner (Bräkers) Lesart – ihm das alles eingebrockt hatte. Dieser kaufte ihm einiges aus der Lakaienzeit wieder ab, und Bräker „… gieng vergnügt – als ob ich mit meinem Vater geredet hätte – nach Haus“. Bräker, der während der Zeit seiner Ausbildung, oft Gelegenheit hatte, sich in Berlin umzusehen, konnte dadurch seinen Horizont beträchtlich erweitern.

Er sprach häufig mit anderen Rekruten über die Möglichkeiten, dem Militärdienst zu entkommen. Die meisten waren aber bereit, die sechs Jahre, zu denen sie sich verpflichtet hatten, durchzustehen. Am 22. August 1756 marschierten sie mit voller Montur aus Berlin ab. Der Siebenjährige Krieg begann. In Bräker reifte der Entschluß, noch vor einer Schlacht das Weite zu suchen. Das gelang nicht, sondern er mußte warten, bis es tatsächlich zu einer Schlacht kam. Das war dann bei Lobositz. In der Schlacht selbst war sein Regiment an den Hängen der Weinberge in ein heftiges Gefecht mit Panduren verwickelt. Dabei löste sich die lineare Front auf und die Soldaten kämpften sich in kleinen Gruppen von Mauer zu Mauer vor. Während seine Kameraden ihre Pflicht taten, setzte sich Bräker ab und gab sich österreichischen Soldaten als Deserteur zu erkennen. „Das heißt – wo nicht mit Ehren gefochten – doch glücklich entronnen.“

Bräker gelangte dann aus der österreichischen Gefangenschaft wieder in sein Dorf, wo er sich verheiratete und Kinder bekam. Neben seiner gewerblichen Tätigkeit verfaßte er seine Biographie und mehrere weitere Schriften, unter anderem auch über Shakespeare. Er starb vor 210 Jahren im September (manchmal wird der 11. als Todesdatum genannt) 1798.

Foto: Ulrich Bräker: Volkstümlicher Literat
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