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30.08.08 / Vom Sowjetmensch zum freien Bürger / Der steinige Weg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-08 vom 30. August 2008

Vom Sowjetmensch zum freien Bürger
Der steinige Weg von den Reformen der Perestroika zur modernen Gesellschaft
von M. Rosenthal-Kappi

Demokratie hat in Rußland eine kurze Tradition. Sie ist  unvergeßlich mit dem Namen Michail Gorbatschow verbunden. Als das Politbüro der KPdSU ihn am 11. März 1985 zum Generalsekretär bestimmte, wurde damit der Weg für Reformen frei. Ab Mitte 1996 leitete Gorbatschow einen Prozeß zum Umbau und zur Modernisierung des gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Systems der Sowjetunion ein, der als „Perestroika“ bekannt wurde. Die Perestroika brachte zunächst Lockerungen der Zentralverwaltungswirtschaft, erste Elemente der Marktwirtschaft wurden spürbar. Mit dem Schlagwort „Glasnost“ wurden Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit aufgehoben, die Demokratisierung des Staates setzte ein. In den Bereichen Dienstleistung, Produktion und Außenhandel waren Privatunternehmen erlaubt, Ausländern wurde gewährt, in Rußland zu investieren.

Gorbatschows neues wirtschaftliches System war allerdings weder eine Plan- noch eine Marktwirtschaft. Die perestroikafeindliche Haltung konservativer Kreise mit endlosen Verhandlungen führte zu Verzögerungen bei der Umsetzung der Reformen. Dies führte schließlich zum Zerfall der sowjetischen Wirtschaft. Das Bruttoinlandsprodukt sank drastisch, die Inflation bereitete Probleme, die Auslandsschulden stiegen. Der Putschversuch des von KGB-Kadern besetzten russischen Militärs beendete im August 1991 die Gorbatschow-Ära.

Boris Jelzin trat als starker Mann an, der den Militärputsch vereitelte und radikale Reformen durchsetzte. Zu seinen Verbündeten zählten liberale Reformer und die Unternehmer, deren massive Unterstützung ihm 1996 eine zweite Amtszeit ermöglichte. Jelzins Politik zeichnet sich durch Zerrissenheit und Machtkämpfe aus. Eine konzeptionslose, nur die Interessen einer begrenzten Klientel bedienende Politik führte zu Chaos und Verfall, der in der Wirtschaftskrise von 1998 gipfelte. Rußland war zahlungsunfähig, Mitarbeiter staatlicher Unternehmen erhielten monatelang keine Gehälter, die Bevölkerung verlor ihre gesamten Ersparnisse, während eine kleine Elite immer reicher wurde. Bedeutende Staatsunternehmen wurden in Aktiengesellschaften umgewandelt, deren scheinbar wertlos gewordene Aktien Oligarchen günstig kauften. Die Bevölkerung wollte von Demokratie und freier Wirtschaft nichts mehr wissen. In der Geschichte Rußlands hatte es weder unter den Zaren noch unter der Sowjetherrschaft den selbstbewußten, auf die Wahrung seiner individuellen wie gesellschaftlichen Freiheiten bedachten Bürger gegeben. Die Masse der Bevölkerung verläßt sich eher auf einen fürsorglich agierenden und Ordnung schaffenden Staat.

So ist es nicht verwunderlich, daß der Ex-KGB-Chef Wladimir Putin mit seiner Politik der „gelenkten Demokratie“ Erfolg hatte. Putin hat den unvollendeten Transformationsprozeß von Staat und Gesellschaft maßgeblich vorangetrieben, indem das Land unter seiner Ägide eine Phase der Konsolidierung erlebte mit einem beeindruckenden Wirtschaftswachstum, von dem die Bürger durch gestiegenen Wohlstand und eine veritable Zukunftsperspektive profitieren. Der überwiegende Teil der Bevölkerung vertraut staatlicher Allmacht mehr als dem eigenen Urteilsvermögen.


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