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30.08.08 / Es geht hier nicht um Ehrlichkeit / SPD-Politiker fordert Angleichung der Pensionen an das Rentensystem, doch der Widerstand ist enorm

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-08 vom 30. August 2008

Es geht hier nicht um Ehrlichkeit
SPD-Politiker fordert Angleichung der Pensionen an das Rentensystem, doch der Widerstand ist enorm
von Rebecca Bellano

Das ist doch eine typische Sommerloch-Diskussion.“ Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, kann die Bedenken des SPD-Innenexperten Dieter Wiefelspütz nicht teilen. Dieser hatte mit seiner Aussage, daß es zwischen Renten und Pensionen Gerechtigkeitsdefizite gäbe, für Aufregung gesorgt. „Es kann nicht sein, daß die Arbeit eines Angestellten weniger wert ist als die Arbeit eines Beamten“, so der Politiker. Dabei kann man Wiefelspütz eines zugute halten: Er ist Überzeugungstäter. Es kommt aus tiefstem Herzen, wenn er auf Anfrage der PAZ schreibt: „Gleiche Qualifikation, gleiche Arbeit, gleiches Gehalt, gleiche Anzahl von Versicherungsjahren, gleiche Rente. Wo ist das Problem? Ich bin dafür, daß langfristig die Versorgungssysteme angeglichen werden sollten.“ Er, der sich selbst als Befürworter des Beamtentums bezeichnet, hat tatsächlich einen wunden Punkt getroffen, das zeigen die Reaktionen auf seine Aussagen.

Der Deutsche Beamtenbund beteuerte sofort, daß Staatsdiener im Alter keineswegs überversorgt seien, der mit den Wiefelspütz-Bedenken im Zusammenhang veröffentlichte Vergleich keinesfalls realistisch sei. „Für die Beamten ist die Pension die einzige Altersversorgung. Ein Angestellter erhält dagegen oft zusätzliche Versorgung – etwa durch Betriebsrenten.“ Und so verweigert der Beamtenbund einen Vergleich. „Der verbeamtete Lehrer in A13 hat im Endamt 3920 Euro Grundbesoldung, entsprechende Tarifkollegen in E13 beziehen zirka 200 Euro mehr Grundgehalt“, heißt es von dort nur auf die Anfrage nach einem Vergleich der Rentenbezüge eines in den Ruhestand getretenen angestellten Lehrers mit der Pension eines verbeamteten Lehrers. Informationen über die Ruhestandsbezüge werden abgelehnt. Doch schon beim Nettogehalt unterscheiden sich die beiden noch im Berufsleben stehenden Kollegen, denn während der eine neben Steuern davon seinen Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung, Krankenversicherung und Arbeitslosenversicherung zahlen muß, ist der verbeamtete und somit unkündbare Kollege davon befreit. Er muß sich zwar noch zum Teil privat krankenversichern, da das ihn beschäftigende Bundesland, beziehungsweise, wenn es sich nicht um Lehrer handelt, der Bund, die Stadt oder die Gemeinde als Arbeitgeber, nicht den vollen Anteil im Krankheitsfall übernimmt. Dieser Beitrag variiert, je nach Kinderzahl, Versicherungsanbieter und Alter des Versicherten, der dafür aber auch die Vorteile einer privaten Krankenversicherung genießen kann.

Doch letztendlich geht es weder um die Beamten oder Angestellten an sich, sie sind nur die Objekte von Bund und Ländern, die bewußt auf Beamte setzten. Und dabei ist es keineswegs der Tatsache, daß Beamte nicht streiken dürfen und daher als loyaler gelten, geschuldet, es ist vielmehr die Tatsache, daß sie für die Gegenwart zumeist billiger sind. Das liegt daran, daß der staatliche Arbeitgeber für seine Beamten nicht jeden Monat fest Sozialbeiträge entrichten muß. Er zahlt nur im Krankheitsfall seinen festgelegten prozentualen Anteil beziehungsweise dann erst, wenn der Beamte in den Ruhestand tritt. Zwar gibt es seit einiger Zeit beim Bund und einigen Bundesländern wie beispielsweise Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Rücklagen ansparende Versorgungsfonds, damit die Kosten für Pensionen der noch im Arbeitsleben stehenden Beamten nicht mehr vollständig auf die Haushalte der Zukunft verschoben werden, doch das sind Tropfen auf den heißen Stein. Schon jetzt ächzen Bund, Länder, Städte und Gemeinden unter den Lasten der zu zahlenden Pensionen der bereits vorhandenen Ruheständler. Würden ihre Beamten der Gegenwart jetzt dem Rentensystem angeschlossen werden, müßte der Rentenbeitrag von 19,9 Prozent des Bruttogehaltes in die gesetzliche Rentenkassen gezahlt werden. Der staatliche Arbeitgeber müßte natürlich nicht nur den Arbeitgeberanteil zahlen, sondern auch das Grundgehalt des Beamten erhöhen, da dieser sonst schlechter gestellt würde. Da kommen schnell Milliarden-Beträge zusammen. „Das ist unbezahlbar“, heißt es von Seiten der Hochschule für Verwaltungswissenschaften. Auch die Kritik, daß ein Wechsel verfassungsrechtlich fragwürdig sei, ist berechtigt, schließlich vertrauen die Beamten auf ihre Pensionen. Ihr Recht ist sogar im Grundgesetz verankert. Allerdings haben auch Arbeiter und Angestellte Rechte. Das komplizierte Berechnungssystem ihrer Altersbezüge wird den demographischen Entwicklungen angepaßt. Sie sind der Gefahr der Arbeitslosigkeit ausgesetzt und die Argumente, daß die freie Wirtschaft besser zahlt als der Staat und sie Betriebsrenten erhalten, zählen für immer weniger. Bei Beamten werden nur die Altersbezüge aus den Einkommen der letzten drei Berufsjahre – also der höchsten Stufe – als Bemessungsgrundlage für die Pension berücksichtigt. Zwar gab es hier bereits Kürzungen, doch sie sind kalkulierbarer. Die Ungerechtigkeit liegt also auf der Hand, zumal die Alternative zur Angleichung der Systeme die Finanzierung der Pensionen der Zukunft durch auch Angestellte und Arbeiter treffende Steuererhöhungen sind, doch Bund, Länder, Städte und Gemeinden fürchten eine Angleichung. Der Widerstand von Seiten der Beamten wäre enorm. Außerdem sind viele Entscheidungsträger selber Beamter beziehungsweise ein Großteil ihres Umfeldes. Auch wäre die Belastung der Haushalte enorm. „Wir verschieben heute die Pensionslasten in die Zukunft. Ich halte das für unverantwortlich. Mein Vorschlag ist nicht teurer, sondern ehrlicher“, beteuert Wiefelspütz. „Sie können aber sicher sein, daß sich so bald nichts ändern wird“, lautet sein Fazit, nachdem er den Gegenwind zu spüren bekam. Also hat der Deutsche Städte- und Gemeindebund recht, es war eine Sommerloch-Diskussion, alles andere würde er nicht zulassen.

Foto: Den Ruhestand genießen: Viele Renter fühlen sich gegenüber Pensionären schlechter gestellt.


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