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30.08.08 / ... und noch ein zahnloser Tiger / Die Gesetzesvorlage zur Abwehr ausländischer Staatsfonds ist gut gemeint, aber untauglich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-08 vom 30. August 2008

... und noch ein zahnloser Tiger
Die Gesetzesvorlage zur Abwehr ausländischer Staatsfonds ist gut gemeint, aber untauglich
von Kurt Davids

Will ein außereuropäischer Investor einen Anteil von mehr als 25 Prozent an einem deutschen Unternehmen erwerben, hat das Wirtschaftsministerium künftig drei Monate Zeit, um zu prüfen, ob die Investition „die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ gefährdet, und sie gegebenenfalls zu untersagen. Die Regelung zielt erkennbar auf ausländische Staatsfonds, die nach Schätzungen über ein Finanzvolumen von 2,5 Billionen Euro gebieten und damit die einst gefürchteten Hedgefonds weit in den Schatten stellen.

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos mußte dafür massive Kritik aus der Wirtschaft einstecken: Das Gesetz wirke „wie eine Vogelscheuche“, die ausländische Investoren abschrecke, schimpfte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK); freie Kapitalmärkte seien „ein zentraler Baustein des Wohlstands“, kritisierte der Bundesverband deutscher Banken (BdB). Dabei haben Wirtschaft und Banker den Vorstoß selbst initiiert; noch vor einem Jahr hatten Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und weitere Unternehmer mehr Schutz vor ausländischen Übernahmen gefordert. Die Finanzkrise, in der Kapitalspritzen mächtiger ausländischer Investoren bisweilen hochwillkommen waren, hat das Meinungsbild kippen lassen.

Trotz der offensichtlichen Tageskonjunkturabhängigkeit der Wortmeldungen aus der Wirtschaft bemühte sich Glos vergeblich, durch die Zusage einer „sehr zurückhaltenden“ Anwendung die Kritiker zu besänftigen. Glos habe keine konkreten Anwendungsbeispiele, außerhalb der Rüstungsbranche sei das Gesetz sinnlos, gab der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zu bedenken, der zudem die schwammige und zur Willkür einladende Formulierung kritisierte.

Damit trifft der BDI in der Tat einen wunden Punkt; die unklare Wendung von der Abwehr einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat die Bundesregierung wörtlich aus einer EU-Richtlinie entnommen, um sich gegen Brüsseler Bremsversuche abzusichern. Die Definition, welche Branchen außerhalb der bereits geschützten Rüstungsindustrie gemeint seien, bleibt Glos schuldig: Energieversorgung, Verkehrsinfrastruktur, Hochtechnologie? Andere Industriestaaten, voran die USA, aber auch EU-Staaten wie Frankreich sind da wesentlich rigoroser.

Über die innereuropäische Konkurrenz schweigen Glos und die Verbände sich vornehm aus. Weil Deutschland bislang gerne den Musterschüler bei der von der EU vorangetriebenen Liberalisierung der Märkte spielte, haben ausländische Staatskonzerne wie Frankreichs EdF oder die schwedische Vattenfall beherrschende Positionen auf dem deutschen Energiemarkt erworben, während deutsche Versorger sich bei Übernahmeversuchen in den abgeschotteten „Partner“-Ländern die Zähne ausbeißen. Auch die weitreichende Übertragung nationaler Hoheitsrechte auf die Europäische Union birgt strategische Risiken für die deutsche Wirtschaft.

Die größte kommende Bedrohung geht indes unstrittig von außereuropäischen Staatsfonds aus. In den nächsten Jahren wird sich das Volumen der ausländischen Staatsfonds verfünffachen, schätzen Experten; logische Folge des Kaufkraftabflusses aus den Industriestaaten an die rasch wachsenden Schwellenländer und an Rohstoff- und Energieexporteure.

Nicht alle legen ihr Geld konservativ und zinsorientiert an, wie der aus Öleinnahmen gespeiste norwegische Pensionsfonds oder die Singapurer Temasek Holdings, in deren Einstieg bei Hapag-Lloyd der Wirtschaftsminister denn auch keinen Anwendungsfall für sein Gesetz sieht.

Chinesische Staatsanleger, die über die Hälfte des derzeit kursierenden Staatsfonds-Kapitals verfügen, und die marktmächtigen russischen Staatsfonds und regierungsnahen Oligarchen wollen durch ihre Investitionen gezielt Zugang zu Märkten und Technologie einkaufen. Unterbewertete, aber Know-how-starke deutsche Unternehmen sind begehrt. 

Bezweifelt werden darf allerdings, ob Michael Glos an der richtigen Front kämpft. Die Übernahme des Hannoveraner Autozulieferers Continental durch die Schaeffler-Gruppe müßte die Alarmglocken schrillen lassen: Schaeffler hat alle gesetzlichen Meldeschwellen mit legalen Tricks umgangen und auf einen Schlag mehr als ein Drittel der Aktien unter seine Kontrolle gebracht. Was, wenn beim nächsten Mal ein chinesischer Staatsfonds sich anschleicht und ein Dax-Unternehmen kapert? Im Aktienrecht gäbe es Dringenderes zu tun, als aktionistische Verdoppelungen und Verunklarungen bestehender Regeln in das Außenwirtschaftsgesetz zu packen.


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