24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
30.08.08 / Leben auf Pump / Der West-Balkan bleibt schwach, doch die EU interveniert nicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-08 vom 30. August 2008

Leben auf Pump
Der West-Balkan bleibt schwach, doch die EU interveniert nicht
von Wolf Oschlies

Politisch muten die Nachfolgestaaten Ex-Jugoslawiens, gemeinhin „westlicher Balkan“ genannt, in diesem Sommer als Region von geradezu langweiliger Ruhe an. Aber das Bild täuscht, wenn man die Wirtschaft betrachtet. Alle Länder, auch EU-Mitglied Slowenien, leiden unter Außenhandelsdefiziten, hoher Inflation und verfestigter Arbeitslosigkeit. In Mazedonien und Serbien fanden Wahlen statt, die dabei gemachten Wahlversprechen müssen bezahlt werden, was neue Budgetbelastungen auslöst. Kroatien hat seine längst verheerende Auslandsverschuldung auf die neue Rekordhöhe von 35,5 Milliarden Euro geschraubt. All das wird in Brüssel mit Stirnrunzeln betrachtet werden, da die EU Serbien, Montenegro, Bosnien, Kroatien und Mazedonien, falls überhaupt, nur „im Block“ aufnehmen will, was immer unwahrscheinlicher wird.

Dabei weisen die Länder ein stabiles Wirtschaftswachstum auf, was akute Nöte mittelfristig mildern sollte. Aber was besagen diese imponierenden Wachstumsraten, wenn die gesamte Wirtschaftslage eher ernüchternd aussieht? Durchschnittseinkommen sind da schon deutlicher: In Slowenien betragen sie 883 Euro im Monat, in Kroatien 689, in Montenegro 410, in Serbien 400, in Bosnien 385 und in Mazedonien 257. Diese Einkommen sind per se bescheiden, werden zudem noch durch zwei Umstände vermindert. Wer keine Arbeit hat, kann von ihnen nur träumen, da die Arbeitslosigkeit überwiegend extrem hoch ist: Mazedonien 34,9 Prozent, Bosnien 29 Prozent, Serbien 18,8 Prozent, Kroatien 14,5 Prozent und Montenegro elf Prozent. Dabei dürften diese Zahlen noch „geschönt“ und zum Beispiel in Kroatien real doppelt so hoch sein. Zum zweiten werden die Einkommen durch Inflation gesenkt.

Die internationale Gemeinschaft bringt viel Geduld mit dem West-Balkan auf, wie die Außenhandelsbilanzen bezeugen. Daß die einmal positiv sein könnten, ist für die absehbare Zukunft nicht zu erwarten, vielmehr wird man zufrieden sein müssen, wenn die Import-Export-Differenz nicht allzu drastisch ausfällt. Dieses Kunststück brachte 2007 nur Mazedonien fertig, als seine Einfuhren 3,7 Milliarden Euro und seine Ausfuhren immerhin 2,4 Milliarden ausmachten. In den anderen Ländern übersteigt der Import den Export um das Doppelte oder Dreifache.

Haupthandelspartner des West-Balkans ist die EU, die es als Dienst an der „europäischen Perspektive“ ansieht, wenn die Region auf Pump von ihr lebt. Der West-Balkan braucht ausländische Direktinvestitionen, aber die fließen vorwiegend in Regionen mit politischer Sicherheit. Seit Jahren untergräbt die EU die Sicherheit des West-Balkans – wenn sie ihm das Kuckucksei eines „unabhängigen“ Kosovos unterschiebt, Mazedonien der griechischen Willkür ausliefert, Serbien ständig neue und erpresserische Auflagen macht, so daß dieses bereits mit einer rigorosen Absage an Brüssel liebäugelt. Der Härtetest läuft seit einigen Wochen: Serbien könnte bis Jahresende EU-Beitrittskandidat werden, sofern es von seiner Klage vor dem Internationalen Gerichtshof um die Rechtmäßigkeit der kosovarischen Unabhängigkeit absähe.

Die EU will keine neuen Mitglieder vom West-Balkan, traut sich aber kein offenes Eingeständnis ihrer Unwilligkeit – urteilte der serbische Außenminister Vuk Jeremic. Recht hatte er: Brüssel wird weiterhin von „europäischen Perspektiven“ faseln und diese gleichzeitig verbauen. Wohin das führt, hat der Konflikt auf dem Kaukasus verdeutlicht, der die EU unvorbereitet traf. Brüssels „strategische Partnerschaft“ mit Rußland mag ökonomisch ja bestehen, da sie im beiderseitigen Interesse liegt, aber die weltpolitischen Ambitionen der EU hat Moskau geradezu demonstrativ lächerlich gemacht.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren