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30.08.08 / Wenn Senioren pumpen und posen / Auch im Alter kann man noch Bodybuilding betreiben und um den Titel »Mister Universum« kämpfen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-08 vom 30. August 2008

Wenn Senioren pumpen und posen
Auch im Alter kann man noch Bodybuilding betreiben und um den Titel »Mister Universum« kämpfen
von Corinna Weinert

Wer rastet, der rostet“, sagt der Volksmund. Um fit zu bleiben, treiben viele Senioren Sport. Sie machen Gymnastik, schwimmen oder walken. Doch einigen reicht das nicht, sie wollen ihren Körper noch im hohen Alter stählen – mit Bodybuilding. Doch damit nicht genug: Sie nehmen sogar an Wettkämpfen teil und konkurrieren um Titel wie „Mister Universum“ – in ihrer Altersklasse, versteht sich.

Bodybuilding für Senioren ist der Trend in den USA; es gibt keine Altersgrenze, um damit zu beginnen. Oft sind die Betreffenden Enthusiasten, die ihren Sport exzessiv und mit einer Leidenschaft betreiben, die man beinahe schon fanatisch nennen kann. „Mit 40 fängt man damit an“, behauptet der 60jährige Marty. „Man sagt, 40 ist nicht alt, dann ist 50 nicht alt, und später albert man herum, 60 ist hoffentlich auch noch nicht alt.“ Marty tritt heute bei den nationalen Meisterschaften an, ebenso wie sein Freund Ted. Wie alle Teilnehmer tragen die beiden Männer bronzefarbene Körperschminke auf und „pumpen“ kräftig Eisen – wie das Stemmen der Hanteln im Fachjargon heißt –, damit die Muskeln nachher im Scheinwerferlicht klar konturiert sind. Damit nichts den Blick der Juroren auf die schwellenden Muskeln trübt, muß vor dem Auftritt jedes Haar am Körper entfernt werden. In der Regel reduzieren die Teilnehmer die Nahrungsaufnahme vor dem Wettbewerb auf ein Minimum, damit ihr Körper kein Gramm Fett zu viel hat. Die Ernährung ist neben dem Training von wesentlicher Bedeutung, wenn man im Wettbewerb konkurrenzfähig sein will. „Zwölf Monate Diät und hartes Training für 90 Sekunden auf der Bühne“, sagt Barny, der es bei der Mister-Universum-Wahl mit den Besten der Welt aufnehmen will. Hierfür schindet sich der 67jährige regelmäßig ab 5 Uhr morgens und verspeist mindestens 50 Hühnerbrüste in der Woche – Eiweiß ist ja bekanntermaßen grundlegend für den Muskelaufbau. Manche Mitstreiter helfen auch mit speziellen Protein-Präparaten nach, aber davon hält Barny nichts. Eiweiß kann allerdings nichts gegen die unvermeidliche Hauterschlaffung ausrichten. Hierfür hat Barny aber ein Geheimrezept: Mit Hämorrhoidensalbe bekämpft er die überschüssigen Hautfalten am Bauch. „Das hört sich vielleicht weit hergeholt an“, meint er, „aber das benutzen erstaunlich viele, und es hilft.“ 

Die Anspannung unter den Teilnehmern ist groß. Auf der Bühne müssen alle zunächst dieselben Pflichtposen einnehmen, im darauffolgenden Durchgang zeigen sie dann eine Kür, die sie sich selbst ausgedacht haben. „Ich lege viel Gefühl in meine Vorführung“, sagt der 70jährige Eric, der ebenfalls auf einen Titel bei der Mister- Universum-Wahl hofft. „Hierfür ist die Wahl der Musik von großer Bedeutung“, fährt er fort. „Die Jury achtet vor allem auch auf athletische Anmut“, erklärt Ted, der heute erstmals als Single den Wettbewerb bestreitet – seine Freundin hat ihn vor wenigen Monaten verlassen. „Das passiert, wenn man bis zu 70 Stunden pro Woche im Fitneß-Studio verbringt“, meint der 66jährige. Marty kann dem beipflichten, bei ihm ist mittlerweile die vierte Ehe gescheitert: „Es ist ein sehr egoistischer Sport, die Partnerinnen fühlen sich irgendwann vernachlässigt.“

Doch bei den Wettkämpfen sind nicht nur Männer zu finden. Auch die 69jährige Kessy hat sich für heute bei den nationalen Meisterschaften gemeldet, um in der Senioren-Klasse der Damen den Titel zu erringen. Ebenso wie Marjorie, die anfangs lediglich dem Kräfteschwund Einhalt gebieten wollte: „Im Haushalt muß man viel heben“, sagt Marjorie. „Als mir das immer schwerer fiel, entschied ich mich, etwas dagegen zu tun.“ Heute stemmt die 87jährige das Gewicht einer Waschmaschine. Und Jackie hat mit ihrer Bühnenshow, die sich an den Sylvester-Stallone-Film „Rocky“ anlehnt, eine legendäre Präsentation geschaffen.

Auch in Deutschland findet Bodybuilding bei Senioren positive Resonanz. Hans Peter Kewitz, der Sportoffizier bei der Bundeswehr war, betreibt seit mehr als drei Jahrzehnten Kraftsport. Der 63jährige Westfale entschied sich allerdings erst spät für die Bühnenkarriere: „Mit 60 wollte ich es einfach noch einmal wissen“, sagt er, „auch wenn meine Frau mich deswegen für verrückt erklärt hat.“ Bei den Vorbereitungen habe sie ihn dann allerdings tatkräftig unterstützt.

Sein Vorteil gegenüber den Kontrahenten: Er hat über Jahrzehnte hinweg Muskeln auf natürlichem Wege aufgebaut. Dennoch sei es erforderlich, Nahrungsergänzungsmittel zu sich zu nehmen, um keinen Muskelmassenverlust zu haben.

Der diesjährige „Mister Universum“ spielt jedoch mit dem Gedanken, sich trotz der Triumphe aus dem Wettstreitgeschehen zurückzuziehen: „Man soll dann aufhören, wenn es am schönsten ist.“ Marty, Ted und die anderen, die heute bei den nationalen Meisterschaften nicht den ersten Platz erlangt haben, sind hingegen fest entschlossen, wieder anzutreten: „Der Traum geht weiter“, sagt Marty. Und wer weiß, vielleicht schafft es der eine oder andere von ihnen ja tatsächlich noch bis an die Weltspitze.

Foto: Aktiver Senior: Fitneßtraining oder Bodybuilding haben keine Altersbegrenzung.


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