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06.09.08 / Zerwürfnisse bis in die Parteispitze / Die SPD hat immer noch kein Konzept für den Umgang mit der Linkspartei – Neues Umfragetief

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-08 vom 06. September 2008

Zerwürfnisse bis in die Parteispitze
Die SPD hat immer noch kein Konzept für den Umgang mit der Linkspartei – Neues Umfragetief

Der bevorstehenden Rückkehr Franz Münteferings in die aktive politische Arbeit gingen merkwürdige Mißtöne voraus. Sie lassen erkennen, daß die Zerwürfnisse innerhalb der SPD bis ins Zentrum der Partei hineinreichen.

Franz Müntefering gilt in der SPD quer über alle Parteiflügel als Integrationsfigur. Seine Bereitschaft, auf Spitzenämter zu verzichten, um seine todkranke Frau Anke­petra zu pflegen, hat dem 68jährigen sogar über die Parteigrenzen hinweg viel Respekt eingetragen.

Nach einer Trauerzeit für seine Ende Juli verstorbene Frau will der Sauerländer sich nun wieder voll in die Politik einbringen. Doch anstatt den Rückkehrer zu begrüßen oder den Vorgang zumindest unkommentiert zu lassen, haben ihm der amtierende SPD-Vorsitzende Kurt Beck und Fraktionschef Peter Struck die Gelbe Karte gezeigt. Natürlich sei Müntefering willkommen, aber nur „in unterstützender und beratender Funktion“, erklärte Beck eisig. Zu Deutsch: Bestenfalls als Hinterbänkler sind seine Beiträge in Zukunft noch willkommen. Und Struck schob nach, die drei Spitzenfunktionen „Parteivorsitz, Fraktionsvorsitz und Kanzlerkandidat“ seien bereits besetzt. Das macht doppelt hellhörig, denn Müntefering hatte auf keines dieser Ämter einen Anspruch erhoben. Zudem hatte die SPD immer erklärt, erst zum Jahresende ihren Kanzlerkandidaten offiziell bekanntgeben zu wollen.

Der Vorgang zeigt, wie viel Feindschaft zwischen Müntefering und Beck herrscht – spätestens seit Müntefering seinem Nach-Nachfolger bescheinigte, einen schweren Fehler begangen zu haben, als dieser kurz vor der Hamburg-Wahl die Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit der SPD mit der Linkspartei in Hessen bekanntgab.

Die Zerrissenheit der SPD verläuft also nicht nur zwischen den Lagern der „Rechten“ um Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück einerseits und der Parteilinken. Selbst zwischen Figuren im Zentrum der Partei wie eben Müntefering und Beck fliegen die Fetzen. Diese Konflikte verstärken indes nur die Abwärtsspirale der SPD, die sich seit dem fatalen Wortbruch in Hessen im Frühjahr beschleunigt hat. Zuletzt sackte die Partei in einer Umfrage auf das historische Tief von 20 Prozent ab und liegt damit nur noch fünf Prozentpunkte vor Lafon­taines Linker.

Auch die Mitgliederbasis schmilzt: Anfang der 1990er Jahre zählte die SPD noch 920000 Mitglieder. Heute sind es unter 530000, weniger als die CDU, obwohl diese in Bayern gar nicht antritt.

Die katastrophalen Umfragen bedeuten, daß jeder zweite SPD-Bundestagsabgeordnete um seine berufliche Zukunft bangen muß. Da muß die SPD-Spitze mit einer „Rette sich wer kann“-Stimmung rechnen. Selbst ein sozialdemokratisches Urgestein wie Rudolf Dressler droht unübersehbar, die rote gegen die dunkelrote Fahne einzutauschen und jettet gemeinsam mit Gysi in den Nahen Osten. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Bisher hatte die Unzufriedenheit mit dem Vorsitzenden die zerstrittenen Parteiflügel eher geeint. Zuletzt hatten allerdings die Linken mehr Grund, sich mit Beck zu arrangieren. Immerhin grätschte er seiner hessischen Parteifreundin Ypsilanti nicht in deren Lauf zur Linkspartei. Er beließ es bei harsch klingenden, aber unverbindlichen Warnungen.

Auch wenn aus dem Willy-Brandt-Haus kein Widerspruch gegen das rot-rot-grüne Projekt in Hessen mehr kommen sollte, dürfte das Vorhaben von Andrea Ypsilanti der Partei keine neuen Wähler verschaffen. Laut einer Umfrage lehnen 68 Prozent der Hessen und selbst 54 Prozent der dortigen Anhänger von SPD und Grünen den Versuch ab, eine SPD-Ministerpräsidentin von Gnaden der Linkspartei wählen zu lassen. Ypsilanti ficht das nicht an, und die von alten DKP-Kadern durchsetzte hessische Linkspartei hat erst auf ihrem Parteitag am Wochenende klargestellt, zur Duldung von Rot-Grün bereit zu sein.

Bayerns oberster Sozialdemokrat, Franz Maget, sieht es mit Bauchschmerzen und hat öffentlich davor gewarnt, ein „glasklares Wahlversprechen“ zu brechen. Seine Wahlkämpfer werden laufend gefragt, wie es die SPD denn nun mit der Linken hält – in Wiesbaden und später auch in Berlin.

Eine überzeugende Antwort darauf kann die SPD mit einem Vorsitzenden Beck nicht mehr geben, und so dürfte die Selbstzerfleischung der Partei vorerst weitergehen.   Jost Vielhaber

Foto: Nur noch als Hinterbänkler erwünscht: Franz Müntefering (l.) soll sich Kurt Becks Linie fügen.


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