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06.09.08 / Unser Grundgesetz: noch immer in bester Verfassung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-08 vom 06. September 2008

»Auf ein Wort«
Unser Grundgesetz: noch immer in bester Verfassung
von Jörg Schönbohm

Vor 60 Jahren, am 1. September 1948, wurde im Zoologischen Museum Alexander Koenig in Bonn der Parlamentarische Rat mit einem Festakt feierlich eröffnet. 65 Abgeordnete der westdeutschen Länderparlamente wurden mit der verantwortungsvollen Aufgabe betraut, einen Entwurf für die Verfassung des westdeutschen Teilstaates zu erarbeiten. Auf der Grundlage des Vorentwurfs des Verfassungskonventes von Herrenchiemsee entstand innerhalb von nur acht Monaten das „Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland“.

Bei allen Beratungen und Verhandlungen des Rates stand die radikale Absage an jede Art von Totalitarismus und Staatsüberhöhung im Vordergrund. Dieser antitotalitäre Grundkonsens wurde seinerzeit noch zusätzlich durch die sowjetische Berlin-Blockade verstärkt, die seit Ende Juni 1948 das Land in Atem hielt. Die Verfassungsväter und -mütter wollten einen dienenden Staat, der für die Menschen da ist – nicht dienende Menschen, die für den Staat da sind. Die Mitglieder des Rates hatten noch deutlich die Selbstzerstörung der Weimarer Republik und die Katastrophe des Dritten Reiches vor Augen. Aus den Schwächen und Defiziten der Weimarer Verfassung, die man ganz wesentlich für das Scheitern der ersten deutschen Demokratie verantwortlich machte, wollte man Lehren ziehen. Den Abgeordneten schwebte ein freiheitlicher Rechtsstaat vor, der in der Lage war, die Rechte und die Würde seiner Bürger zu gewähren und zu sichern. Daher wurde in Artikel 1 des Grundgesetzes festgelegt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Im Vergleich zur Weimarer Verfassung wurden im Grundgesetz die Grundrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat gestärkt, die Position des Kanzlers und des Parlamentes aufgewertet, die Rolle des Präsidenten auf eine Repräsentationsfunktion beschränkt, die Notstandsbefugnisse eingeschränkt, das destruktive durch ein konstruktives Mißtrauensvotum ersetzt und der Einfluß der Länder durch eine föderale Staatsstruktur ausgeweitet. Die neue Demokratie sollte sich gegenüber ihren Feinden zur Wehr setzen können – sie sollte eine streitbare Demokratie sein. Ausdrücklich wurde ein Widerstandsrecht in den Verfassungstext aufgenommen: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ (Art. 20). Gegner der freiheitlich-demokratischen Grundordnung sollten wirksam daran gehindert werden, die Demokratie erneut zu untergraben. Der Rechtsstaat sollte nicht noch einmal durch verfassungsändernde Gesetze beseitigt werden können. Aus diesem Grunde wurden die grundlegenden Prinzipien als Kernbereich der Verfassung durch eine „Ewigkeitsklausel“ für nicht veränderbar erklärt (Art. 79).

Oberstes Ziel der Verfassung war und blieb aber die Herstellung der Einheit aller Deutschen. Dies wurde ganz explizit in der Verfassung festgehalten. In der Präambel, die als Schlüssel zum Selbstverständnis des neuen Staats gelten kann, hieß es: Das deutsche Volk ist „von dem Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden zu dienen“.

Ebenso wurde deutlich gemacht, daß man mit der Erarbeitung des Grundgesetzes „auch für jene Deutschen gehandelt [habe], denen mitzuwirken versagt war“. Die Präambel schloß mit den Worten: „Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.“

Die Erarbeitung einer eigenen Verfassung sollte also keineswegs ein Ende der Bemühungen um die Wiederherstellung der nationalen Einheit bedeuten. Darauf wies auch der SPD-Abgeordnete und spätere Bundesminister Carlo Schmid in einer Sitzung des Parlamentarischen Rates am 8. September hin: „Es gibt kein westdeutsches Staatsvolk und wird keines geben! Das französische Verfassungswort ,La Nation une et indivisible‘ – die eine und unteilbare Nation – bedeutet nichts anderes, als daß die Volkssouveränität auch räumlich nicht teilbar ist.“ Aus diesem Grunde wurde in der Präambel ausdrücklich festgehalten, daß das Grundgesetz dem staatlichen Leben nur „für eine Übergangszeit eine neue Ordnung“ geben wolle. Das Grundgesetz war also eigentlich nur als Provisorium gedacht – ausgerichtet auf die Vollendung der nationalen Einheit.

Die Verkündung des Grundgesetzes am 8. Mai 1949 war schließlich die Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland.

Es sollte jedoch noch vier Jahrzehnte dauern, bis das Postulat des Grundgesetzes nach der Einheit der beiden deutschen Staaten durch eine friedliche Revolution in der DDR erfüllt wurde.

Mittlerweile leben wir in einem wiedervereinigten Land und das Grundgesetz hat sich als das erfolgreichste Provisorium der deutschen Geschichte erwiesen.

Auch nach 60 Jahren präsentiert es sich noch immer in bester Verfassung. Es hat sich in der tagtäglichen politischen Praxis bewährt.

Mit dem Grundgesetz ist es uns gelungen, den erfolgreichsten und freiesten demokratischen Staat zu errichten, den es jemals in Deutschland gegeben hat.  

 

Der Autor ist Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident des Landes Brandenburg.

Foto: Das Grundgesetz liegt zur Unterzeichnung bereit: Monatelange Beratungen gingen diesem Moment vorraus.


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