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06.09.08 / Die neuen Supermächte / Bush-Berater Robert Kagan über die Aufteilung der Macht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-08 vom 06. September 2008

Die neuen Supermächte
Bush-Berater Robert Kagan über die Aufteilung der Macht

Nach dem Ende des Kalten Krieges keimte die Hoffnung auf, daß sich eine Weltordnung des Friedens durchsetzen könnte, doch diese Hoffnung wurde bekanntlich recht bald von der Realität überholt. In dieser neuen Ära hat sich demgegenüber eine Großmachtrivalität herausgebildet, die einen Konkurrenzkampf zwischen Demokratien und Autokratien mit sich bringt. Der renommierte amerikanische Politologe und Leiter eines Thinktanks Robert Kagan hat in knapper Form eine Rahmenanalyse der globalen Situation veröffentlicht. Für sein Essay „Die Demokratie und ihre Feinde“ verwendet er als Untertitel die Frage „Wer gestaltet die neue Weltordnung?“. Kagan, der Bush und auch den republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain berät, ist als Neokonservativer kein Hardliner mehr. Seine scharfsinnige Einschätzung der internationalen Lage hat sich leider mit dem Ausbruch des Kaukasuskriegs inzwischen bewahrheitet. In Deutschland rief sein Buch allerdings nur eingeschränkte Anerkennung hervor, da er, der Wahl-Brüsseler, der europäischen Staatengemeinschaft einerseits Lob zollt, ihr für die Zukunft aber keine angemessene Rolle auf dem internationalen Spielfeld zugesteht. Er distanziert sich vom politischen Ansatz der Europäer, den er als weichgewaschen bezeichnet.    

Kagan beginnt seine Beschreibung der internationalen Lage, indem er die Rückkehr eines Großmachtnationalismus anprangert, der dem 19. Jahrhundert angehört. Dies betrifft insbesondere Rußland, wo sich dieser Anachronismus verfestigt hat. Dank des Handelsbilanzüberschusses infolge der größten Rohstoffvorkommen der Welt konnte Rußland seinen Verteidigungshaushalt in den vergangen drei Jahren stetig erhöhen, insgesamt um mehr als 20 Prozent. Rußland fühlt sich bedroht und behauptet, die Nato und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa führten eine Blockpolitik fort. Auch die Chinesen leben in mancher Hinsicht noch in einem vergangenen Jahrhundert, meint Kagan. Das lasse sich bereits an der Taiwan-Frage erkennen, die er als „Stellvertreter-Schlachtfeld in der chinesisch-amerikanischen Konfrontation“ bezeichnet. Die Chinesen erhöhen ihr Militärbudget sogar um 20 Prozent jährlich und werden in ein paar Jahren über einen größeren Verteidigungshaushalt als die Europäer verfügen. Indessen wächst in den USA ebenso wie in Europa die Furcht vor dem gigantischen chinesischen Wirtschaftswachstum, auch vor dem Hintergrund des internationalen Wettlaufs um die Energieressourcen. „Es wäre aber falsch anzunehmen, daß Handelsbeziehungen allein die Wucht des nationalen und ideologischen Wettbewerbs abfedern können“, so die ziemlich pessimistische Bilanz.

Insgesamt erkennt Kagan eine globale Spaltung zwischen dem „Club der Autokraten“ und einer „Achse der Demokratie“. Ein gültiger Konsens, eine gemeinsame Ethik der internationalen Beziehungen, läßt sich seiner Ansicht nach nicht ausmachen, auch wegen unterschiedlicher Moralvorstellungen: „Die chinesischen und russischen Machthaber mögen tatsächlich pragmatisch sein, aber pragmatisch sind sie vor allem in der Verfolgung einer Politik, die sie an der Macht erhält.“ Es stimmt nachdenklich, daß der brillante Vordenker keine wirklich neuen Lösungsansätze erkennen kann. Aus seiner Sicht sind die demokratischen Staaten wie bisher notgedrungen in die Pflicht genommen, die autokratisch agierenden National- und Regionalstaaten im Zaum zu halten. Die Vereinigten Staaten wären für eine Vorrangstellung in diesem „Konzert der Demokratien“ qualifiziert, da sie vergleichsweise schwach ausgeprägte Weltmachtambitionen hätten.

Dagegen ist zwar einzuwenden, daß die USA entscheidend mitverantwortlich für die jetzige Schwäche der Uno sind, die Kagan beklagt; auch haben sie zuletzt durch eine allgemeine Verweigerungshaltung Sympathien verspielt. Kagan jedoch bringt ein starkes Argument vor, für ihn genügt schon der Hinweis auf den Nahostkonflikt: Ohne die amerikanische Vorherrschaft auf See wären die Straße von Hormus und der Suezkanal vermutlich längst geschlossen worden.           D. Jestrzemski

Robert Kagan: „Die Demokratie und ihre Feinde – Wer gestaltet die neue Weltordnung?“, Siedler Verlag, München 2008, geb., 128 Seiten, 16,95 Euro


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