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13.09.08 / Goldlöwe ohne Glanz / Den 65. Filmfestspielen in Venedig blieben in diesem Jahr viele große Stars fern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-08 vom 13. September 2008

Goldlöwe ohne Glanz
Den 65. Filmfestspielen in Venedig blieben in diesem Jahr viele große Stars fern

Am vergangenen Sonnabend endeten die Filmfestspiele in Venedig mit der Verleihung des goldenen Löwen an den Film „The Wrestler“ mit Mickey Rourke in der Hauptrolle als alternder Show-Ringer. Auch der deutsche Regisseur Werner Schroeter wurde von der Jury unter Präsident Wim Wenders mit einen Spezial-Löwen für sein Gesamtwerk ausgezeichnet.

Drei von rechts nach links immer kleiner werdende, in weißem Stoff verhüllte, goldene  Löwen zierten den Kinopalast auf dem Lido. Der Stoff verdeckte überwiegend den güldenen Glanz der symbolträchtigen Raubkatzen und nicht nur die Löwen strahlten in diesem Jahr nicht so wie sonst. Die ältesten noch bestehenden Filmfestspiele der Welt sind nicht mehr das, was sie mal waren. Zu groß ist die Konkurrenz anderer Veranstaltungen, etwa der fast zeitgleich stattfindenden Filmfestspiele in Toronto oder des landeseigenen Festivals in Rom Ende Oktober, die Venedig die internationalen Stars ausspannen. Sicherlich trug auch der Autorenstreik in Hollywood zur dürftigen amerikanischen Präsenz bei.

Fast rechtfertigend klang da die Losung „Weniger Glamour, mehr Qualität“ von Biennalechef Marco Müller bei seiner Eröffnungsrede. Zum Glück verhalfen die Hollywoodgrößen Brad Pitt und George Cloony dem Festival zu einem würdigen Auftakt. In der Spionagekomödie „Burn After Reading“ von den Brüdern Coen, die außer Konkurrenz lief, spielt Pitt einen herrlich trotteligen Fitneßtrainer, der mit seinen blonden Strähnchen, dem unablässigen Kaugummikauen und seinem lauten Mitsingen zur iPod-Musik alle Stereotype bedient. Gemeinsam mit seiner Kollegin Linda versucht er, einen ehemaligen CIA-Agenten mit vermeintlich geheimen Daten zu erpressen. Mitten in dieser rabenschwarzen James-Bond-Parodie erleben wir Cloony als notorischen Frauenverschleißer und verkappten Depressiven. Auf dem roten Teppich konnte man zudem

Mickey Rourke antreffen, der im Gewinnerfilm „The Wrestler“ herausragend eine alternde, abstürzende Sportlegende spielt, sowie Charlize Theron, die neben Kim Basinger in dem vielschichtigen Beziehungsdrama „The Burning Plain“ brilliert, Anne Hathaway, die in „Rachel getting married“ eine labile Ex-Alkoholikerin darstellt, und natürlich Jury-Präsident Wim Wenders.

Die Qualität der gezeigten Filme war allerdings durchwachsen. Besondere Höhepunkte bescherte der Biennale vor allem das japanische Kino. Mit seinem neuesten Zeichentrickabenteuer „Gake no ue no Ponyo“, das zugunsten eines klassischen Wasser- und Pastellfarbenlooks auf moderne Computertechnik verzichtet, berührt Oscar-Gewinner Hayao Miyazaki nicht nur Kinder. Der Film handelt von einer Goldfischprinzessin, die davon träumt, ein Mensch zu werden. Hans Christian Andersens kleine Meerjungfrau läßt grüßen. Auch Erfolgsregisseur Takeshi Kitano verzauberte das Publikum mit seinem farbenfrohen, zugleich melancholischen und komischen Film „Achill und die Schildkröte“. Darin geht es um die Lebensgeschichte des Künstlers Machisu, der trotz seiner ständigen Mißerfolge nicht aufgibt. Mit Hilfe seiner Frau unternimmt er etliche aberwitzige Aktionen, um seinem Galeristen seine Werke schmackhaft zu machen. Kurios: die Gemälde im Film stammen alle von Kitano selbst, der seine Werke für einen Bildband zu schade fand. Enttäuschende Tiefpunkte boten hingegen die landeseigenen Filme, etwa die undurchsichtige und doch so voraussehbare Familientragödie „Un giorno perfetto“ oder das seichte Drama „Il Papà di Giovanna“, das den Zuschauer mit einem pathetischen Happy End abspeist. Vielleicht haben die Italiener deshalb in die Mottenkiste gegriffen und verkaufen nun Adriano Celentanos restaurierten Film „Yuppi Du“ von 1975 als Kino.

Die eindrucksvollsten Beiträge liefen ohnehin wieder in den Nebenreihen der Dokumentar- und Autorenfilme, die nicht um den Löwen kämpfen dürfen. Nach dem Motto „Filme sind das Leben, aus denen man die langweiligen Stellen herausgeschnitten hat“ verarbeitet beispielsweise Regisseurin Sylvie Verheyde in „Stella“ ihre Pariser Kindheit in den 1970er Jahren, die sich zwischen der Kneipe ihrer Eltern und der spießbürgerlichen Schule bewegt. Durch Authentizität besticht auch „Parada“, der Film über den Clown Miloud, der mit Zirkusspektakeln versucht, den tristen Alltag von Straßenkindern in Bukarest aufzuhellen. Bei der Premiere setzten Filmcrew und Zuschauer mit roten Clownsnasen ein Zeichen. Die deutsch-italienische Komödie „Machan“ erzählt mit viel Witz und Charme die wahre Geschichte über arme Männer in Sri Lanka, die sich als Handballnationalmannschaft ausgeben, um das begehrte Visum nach Deutschland zu erhalten. Einziges Problem: Keiner auf der Insel weiß, was Handball ist und wie es gespielt wird. Publikumsliebling war „Pranzo di Ferragosto“, in dem Gianni (vom Regisseur selbst gespielt) über die Feiertage im August den Seniorenpensionswirt nicht nur für die eigene Mutter, sondern auch noch für die Mütter und Tanten seines Hausverwalters und Arztes spielen soll. Dem Regisseur und den vier alten Damen gebührten Jubelszenen am Ende. 

Der einzig deutsche Film im Rennen, die Dreiecksgeschichte „Jerichow“ von Christian Petzold, stieß leider nur auf mittelmäßige Kritik. Anscheinend paßt die Schilderung prekär-hoffnungsloser Lebensverhältnisse in Ostdeutschland mit düsterer Kulisse nicht in die schillernde Filmwelt des Festivals. So traf man abends die Hauptdarsteller Benno Fürmann und Nina Hoss denn auch nicht auf dem roten Teppich oder in einer verdunkelten Limousine, sondern im öffentlichen Bus zur Fährhaltestelle.             Sophia E. Gerber

Foto: Hoffen auf das nächste Jahr: In Venedig werden die roten Teppiche wieder eingerollt.


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