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13.09.08 / Kein »besonderer deutscher Weg« zum Sozialismus / Vor 60 Jahren mußte der SED-Theoretiker Anton Ackermann Selbstkritik üben – Moskauer Taktik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-08 vom 13. September 2008

Kein »besonderer deutscher Weg« zum Sozialismus
Vor 60 Jahren mußte der SED-Theoretiker Anton Ackermann Selbstkritik üben – Moskauer Taktik

Eugen Hanisch (1905–1973), ein aus dem Erzgebirge stammender gelernter Strumpfwirker, ging unter seinem kommunistischen Tarnnamen Anton Ackermann in die Zeitgeschichte ein. Mit seinem Namen verbindet sich die Theorie vom „besonderen deutschen Weg zum Sozialismus“.

1926 trat Ackermann in die KPD ein, wurde ein eifriger Funktionär und nahm 1936/37 am Spanischen Bürgerkrieg teil. Anschließend ging er erst nach Paris und dann im Jahre 1940 nach Moskau, wo er bereits von 1929 bis 1931 die Internationale Lenin-Schule besucht hatte. Als in der Sowjetunion das „Nationalkomitee Freies Deutschland“ gegründet wurde, übernahm er die Leitung des Moskauer Senders „Freies Deutschland“. Ende 1945 schrieb er in Berlin im Auftrag des Zentralkomitees (ZK) der KPD seinen berühmt gewordenen Aufsatz „Gibt es einen besonderen deutschen Weg zum Sozialismus?“, der im Februar 1946 veröffentlicht wurde. Eine entsprechende Anweisung an die KPD war vom Politbüro der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) gekommen.

Unter Rückgriff auf Marx und Lenin verfocht Ackermann die These, es sei falsch, unter allen Umständen und für alle Länder die Möglichkeit eines friedlichen Übergangs zum Sozialismus zu verneinen. In Deutschland sei ein friedliches Hineinwachsen in den Sozialismus – ohne die berühmt-berüchtigte „Zwischenphase“ der Diktatur des Proletariats – möglich. Als Voraussetzungen nannte Ackermann die Vereinigung der Arbeiterparteien KPD und SPD und die Errichtung eines „fortschrittlichen Staates“, der als „demokratische Republik“ kein „unüberwindliches Hindernis“ für eine Entwicklung zum Sozialismus bilden werde. An die Adresse der Sozialdemokraten und des Bürgertums versicherte Ackermann halb beschwichtigend, halb drohend: „Niemand wünscht sehnlicher als wir, daß neue offene Kämpfe, ein neues Blutvergießen vermieden werden.“

Man konnte den Eindruck gewinnen, daß eine Kopie der grausam-blutigen sowjetrussischen Entwicklung nicht beabsichtigt sei. Den spezifischen Charakter der deutschen Entwicklung betonte Ackermann mit dem Hinweis: „Im einzelnen werden sich die starken Besonderheiten der historischen Entwicklung unseres Volkes, seine politischen und nationalen Eigenheiten, die besonderen Züge seiner Wirtschaft und Kultur außerordentlich stark ausprägen.“

In der KPD gab es unterschiedliche Reaktionen. Walter Ulbricht hatte insgeheim viele Vorbehalte gegen die neue Linie. Aber die Mehrheit des Zentralkomitees der KPD stand in dieser Frage hinter Parteichef Wilhelm Pieck, der sich im Einklang mit der Mehrheit des Moskauer Politbüros wußte. Stur stalinistisch orientierte KPD-Funktionäre nahmen Ackermanns Ansichten nur widerwillig auf, folgten jedoch nun der offiziellen Parteilinie.

Die „nachdenklichen Funktionäre“ aber empfanden damals wie der junge Wolfgang Leonhard, der bei Ackermann die Möglichkeit einer eigenständigen Entwick-lung Deutschlands formuliert fand, „die viel weiter ging, als wir es erhofft hatten“. Sie erkannten nicht, daß Moskau mit dem Ackermann-Kurs nur eine Taktik auf Zeit betrieb.

Schon bald nach der Vereinigung von KPD und SPD zur SED im April 1946 begann das, was Leonhard aus der Rückschau von 2007 die „Ulbrichtisierung der Partei“ und die „Sowjetisierung des Landes“ nennt. Als sich 1948 der Konflikt zwischen Stalin und Tito zuspitzte, fürchtete die SED, die eigenständige Entwicklung Jugoslawiens könne auf die SBZ abfärben und die Moskautreue beeinträchtigen. Sie sagte sich daher ausdrücklich vom „besonderen deutschen Weg“ los, den man de facto schon längst verlassen hatte. Die entsprechende Entschließung des SED-Parteivorstands trägt das Datum vom 16. September 1948.

Nur wenige Tage später, am 24. September 1948, übte Ackermann im SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“ Selbstkritik. Seine damalige Theorie, so Ackermann nun reumütig, bedeute zweifellos „eine Konzession an die starken antisowjetischen Stimmungen in gewissen Teilen der deutschen Bevölkerung“. Sie habe sich als schädlich erwiesen, denn diese Lehre „gibt ausgezeichnete Möglichkeiten für feindliche Agenten in den eigenen Reihen, für Schumacher-Anhänger, für nationalistische und chauvinistische Elemente, ihr schmutziges Handwerk zu betreiben, dabei geschickt ihr wirkliches Antlitz hinter den ,besonderen nationalen Bedingungen‘, dem angeblichen ,besonderen nationalen Weg‘ verbergend“.

In den SED-internen Machtkämpfen der 50er Jahre erlebte und erlitt Ackermann das wechselvolle Schicksal eines DDR-Spitzenfunktionärs. 1953 übte er für kurze Zeit kommissarisch das Amt des Außenministers aus, wenig später verlor er alle Ämter, um 1956 rehabilitiert zu werden. Am 4. Mai 1973 nahm er sich in Berlin das Leben.          Manfred Müller


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