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13.09.08 / Trauma für die Kinder / Die Scheidung der Eltern streßt Kinder oft mehr als der Tod eines Elternteils

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-08 vom 13. September 2008

Trauma für die Kinder
Die Scheidung der Eltern streßt Kinder oft mehr als der Tod eines Elternteils

Schon länger ist bekannt, daß Streßereignisse in der Kindheit Asthma, Hautkrankheiten und Allergien begünstigen. Forscher der Helmholtz-Gemeinschaft konnten diese durch Beobachtungsstudien erhärteten Vermutungen nun zusätzlich bestätigen.

In 234 Blutproben von sechsjährigen Kindern, deren Eltern sich innerhalb des letzten Jahres getrennt hatten oder die umgezogen waren, fanden die Forscher erhöhte Konzentrationen des Neuropeptides VIP und von sogenannten Immunmarkern, die wie beispielsweise Interleukin-4 (IL-4) mit der Auslösung allergischer Reaktionen verbunden sind.

Die Häufigkeit allergischer Erkrankungen wie Heuschnupfen, Asthma und Neurodermitis hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Das hat viele Gründe, wobei in den letzten Jahren zunehmend Streß und psychische Probleme in den Fokus der Wissenschaft gerückt sind.

Vor allem die deutsche LISA-Studie (Lifestyle-Immune-System-Allergy) der Jahre 1997 bis 2006 hat belegt, daß Kinder, deren Eltern sich getrennt hatten, dreimal so oft unter Neurodermitis leiden, wie Kinder, deren Eltern zusammenleben.

„Streß und psychische Probleme haben einen deutlichen Einfluß auf das Immunsystem und können eine bestehende Neurodermitis verschlimmern“, bestätigt Professor Torsten Schäfer von der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (DGKAI). Erste Hinweise auf einen Zusammenhang hatte 1972 der US-Dermatologe Brown geliefert.  15 Jahre später schrieb der deutsche Allergologe Ernst August Stemmann in seinem Buch „Neurodermitis ist heilbar“: „Ein Ekzem tritt häufig erstmals in einer stark belastenden Situation auf, so zum Beispiel wenn sich Eltern eines Kindes trennen.“ Ähnlich, wie die Muskulatur starr wird bei Schrecken, scheint die Haut zu reagieren, wenn ein traumatisches Trennungserlebnis stattfindet, dem das betroffene Kind hilflos ausgeliefert ist und sich verraten, gedemütigt und gekränkt fühlt, mutmaßte Stemmann damals. Mit den aktuellen Ergebnissen ist nun belegt, daß ein Trennungsereignis das Immunsystem auf direktem Weg beeinflußt. Mit Trennungserlebnis meinen die Forscher auch einen gewöhnlichen Umzug. Schwere Erkrankungen, der Tod eines Angehörigen oder auch die plötzliche Arbeitslosigkeit eines Elternteils – das hatte die LISA-Studie ebenfalls gezeigt – haben dagegen offenbar keinen Einfluß auf die Entwicklung einer Allergie. „Dieses Ergebnis war überraschend für uns, denn natürlich löst auch eine schwere Krankheit oder gar der Tod eines Angehörigen großen Streß aus“, sagt Schäfer und vermutet: „Möglicherweise lassen solche Erlebnisse die Familie näher zusammenrücken, so daß ein Kleinkind mehr soziale Aufmerksamkeit erhält, die sich günstig auswirkt.“

 Die Helmholtz-Forscher jedenfalls fanden in den Blutproben von Kindern die von elterlicher Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Tod betroffen waren keine erhöhten Streßpeptidkonzentrationen. „So tragisch diese Ereignisse auch sind, offenbar sind sie jedoch für die Streßreaktionen von Kindern von geringerer Bedeutung als beispielsweise eine Trennung oder Scheidung der Eltern“, schlußfolgern Irina Lehmann und Gunda Herberth vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig.            R.K.

Foto: Kinder brauchen Geborgenheit: Streß und psychische Probleme können Allergien auslösen oder verstärken.


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