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20.09.08 / »Umgang des Wolfsrudels« / Franz Müntefering versucht, die SPD zur Mitte hin zu öffnen – Kurt Beck rechnet ab

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-08 vom 20. September 2008

»Umgang des Wolfsrudels«
Franz Müntefering versucht, die SPD zur Mitte hin zu öffnen – Kurt Beck rechnet ab

Nach den Erschütterungen der letzten Wochen versucht die SPD, wieder eine Linie zu finden. Zum neuen Kurs von Steinmeier und Müntefering gehört auch die Zielbestimmung einer sogenannten Ampelkoalition mit FDP und Grünen. Die Umsetzbarkeit bleibt fragwürdig,

Für den vielgescholtenen Kurt Beck muß es eine Wohltat gewesen sein. Mit 99,5 Prozent bestätigte ihn ein Landesparteitag als Chef der rheinland-pfälzischen SPD. Das Ergebnis erinnerte nicht nur an die Resultate von Urnengängen in der untergegangenen DDR, sondern auch daran, in welchem Maße die SPD heute segmentiert ist: Zu den seit jeher bestehenden Flügeln gibt es eine immer stärkere Gliederung in Landesverbände. Hier gehen persönliche Loyalitäten über alles, unterschiedliche Überzeugungen in Sachfragen spielen hier fast keine Rolle.

Dies wurde auch deutlich bei den zeitgleichen SPD-Treffen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen: In Lübeck erklärte der SPD-Linke Ralf Stegner unumwunden, seine Partei wolle nach der nächsten Landtagswahl mit allen Parteien, außer der NPD Gespräche führen. Eine Koalition werde man dann eingehen mit derjenigen Kraft, mit der „am meisten sozialdemokratische Ziele“ erreichbar seien. Offener hätte er seine Bereitschaft zur Koalition mit Lafontaines Linkspartei kaum ausdrücken können.

Dagegen skizzierte der designierte neue Bundesvorsitzende der SPD, Franz Müntefering, bei einer Vorstandsklausur in Kleve einen ganz anderen Weg. Der 68jährige Hoffnungsträger der Partei erklärte, er wünsche sich eine rot-grüne Koalition im Bund. Sollte es dazu aber nicht reichen – und das scheint nach Lage der Dinge fast sicher – dann plädiere er für eine „Ampel“, also für ein Dreierbündnis aus SPD, Grünen und FDP. Ausführlich lobte er die Reformpolitik der sozialliberalen Koalition in den siebziger Jahren, die er als „historische Geschichte mit dem Liberalismus“ pries.

Doch zu einem solchen Bündnis gehört natürlich auch die Zustimmung der FDP. Deren Chef Guido Westerwelle sieht die neuen Avancen der SPD mit Vergnügen – sie bringen seine Partei ins Gespräch und steigern den Marktwert der Liberalen auf der politischen Bühne. Aber eine Partei, die in großen Teilen mit Altkommunisten liebäugelt und deren linker Flügel erst vor wenigen Tagen eine Art Wunschzettel mit politischen Forderungen von rund 60 Milliarden Euro auf den Tisch gelegt hat, ist als Partner einer wirtschaftsfreundlichen Kraft wie der FDP schwer vorstellbar. Wenn schon die Kompromisse mit den in sozialen Fragen aufgeschlossenen Unionsparteien die SPD wiederholt in eine Zerreißprobe geführt haben, wie soll man sich ein Bündnis aus SPD und FDP vorstellen? Westerwelle war geschickt genug, trotz solcher Unmöglichkeiten schnell zu erklären, er könne sich eine Koalition mit der SPD „vorstellen“, um dann gleich wieder zu bremsen. Er mahnt den Verzicht der SPD auf eine weitere Zusammenarbeit mit der Linken an – Hessen wäre die erste Nagelprobe, das Abstimmungsverhalten in der Bundesversammlung, wo die SPD immer noch mit den Stimmen der Linken Bundespräsident Horst Köhler abwählen will, die zweite.

Angela Merkel als CDU-Vorsitzende wiederum läßt keinen Zweifel, daß ihr nach der Wahl 2009 ein Bündnis mit der FDP lieber wäre als die jetzige Konstellation. Vorerst muß sie weiter das harte Brot einer Koalition mit der SPD beißen. Auf die Frage, ob sie nach dem Wechsel an deren Spitze mit einem neuen Kurswechsel der SPD rechne, entgegnete sie lapidar: „Ihre Frage setzt voraus, daß die SPD einen Kurs hat.“ Tatsache sei aber, daß sie „in allen wichtigen Fragen zerrissen“ sei.

Zu der nach wie vor unbeantworteten Gretchenfrage einer künftigen Zusammenarbeit mit der Linken kommen menschliche Zerwürfnisse. Der Rücktritt Becks war, wie inzwischen immer klarer wird, auch die Konsequenz einer Zermürbungstaktik von Franz Müntefering. Er hat Beck nie die Niederlage verziehen, die dieser ihm auf dem Hamburger Parteitag bereitet hat. Nach der geglückten Revanche hat nun Beck eine Rechnung offen. Er warnte auf dem Mainzer Trost-Parteitag, es sei kein Vorteil in der Politik, „wenn man den Umgang des Wolfsrudels miteinander pflegt“. Die neue Aufgabe Münteferings, beim Bürger Sympathien für die SPD zu werben, hat er damit nicht vereinfacht.     K. Badenheuer

Foto: Schwierige Dreiecksbeziehung: Der alte und neue SPD-Chef Franz Müntefering signalisiert FDP-Chef Guido Westerwelle Kooperationsbereitschaft. Der gibt sich aus guten Gründen spröde, auch wenn ihm die Avancen taktisch nutzen. Angela Merkel hat gut Lachen, für sie ist die Sache vorerst ungefährlich.


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