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20.09.08 / Neuer Streit mit Liechtenstein / Im Hintergrund: Die Benesch-Dekrete und Berlins Umgang mit dem Enteignungsunrecht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-08 vom 20. September 2008

Neuer Streit mit Liechtenstein
Im Hintergrund: Die Benesch-Dekrete und Berlins Umgang mit dem Enteignungsunrecht

David gegen Goliath, da sind die Sympathien schnell verteilt, zugunsten des Kleinen, Schwachen, Unschuldigen und gegen den Großen, Starken, Bösen. Es sei denn, „David“ steht für das kleine Liechtenstein und „Goliath“ für das 2200mal so große Deutschland. Dann wird „David“ als Schurkenstaat wahrgenommen, und hält er auch nur verbal dagegen, ist „Goliath“ beleidigt.

So sorgt sich der „Spiegel“, „warum Seine Durchlaucht gegen Deutschland pöbelt?“. Das Wochenblatt bezieht sich auf einen geharnischten Brief des Liechtensteiner Staatsoberhauptes Fürst Hans-Adam II., in dem angeblich die Bundesrepublik als „Viertes Reich“ verunglimpft und mit dem „Dritten Reich“ gleichgesetzt wird.

Die Empörung kommt wie bestellt. Der Brief, addressiert an den Direktor des Jüdischen Museums in Berlin, Werner Michael Blumenthal, ist nämlich schon zweieinhalb Monate alt, ohne daß irgendjemand sich beleidigt oder angepöbelt gefühlt hätte. Dann erst „entdeckte“ der Stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn, das Erregungspotential der hochadligen Formulierungskunst: Durchlaucht habe „die nationalsozialistischen Verbrechen auf eine unverantwortliche Art und Weise verharmlost“ und müsse sich umgehend entschuldigen.

Genau daran aber denkt Hans-Adam II. keineswegs. Er habe, so ließ das Fürstenhaus verlauten, die grauenhaften Ereignisse des Dritten Reiches in keiner Weise verharmlost. Seine Hoffnung, derartiges möge sich – etwa in Form eines Vierten Reiches – nie wiederholen, stehe in keinem Bezug zum heutigen Deutschland. Er habe lediglich „das schwierige Thema der Enteignungen“ erläutern wollen.

Ob die fürstliche Wortwahl diesbezüglich allzu hilfreich war, darf freilich bezweifelt werden. Im Wortlaut heißt es in dem Brief vom 24. Juni: „Was die deutsch-liechtensteinischen Beziehungen betrifft, warten wir auf bessere Zeiten, wobei ich zuversichtlich bin, denn in den vergangenen 200 Jahren haben wir immerhin schon drei Deutsche Reiche überlebt, und ich hoffe, wir werden auch noch ein viertes überleben.“

Natürlich ist das nicht die Sprache der Hohen Diplomatie. Übertrieben ist jedoch die Aufgeregtheit, mit der dieser Satz zum aggressiven „Säbelrasseln“ hochstilisiert wird, zumal Liechtenstein mangels eigener Streitkräfte nichts hat, womit es im klassischen Sinne „rasseln“ könnte.

In der Sache jedenfalls hat Hans-Adam II. durchaus recht. Vaduz hat seit Ende des Zweiten Weltkriegs im Zusammenhang mit Enteignungen „offene Rechtsfragen mit europäischen Staaten“, insbesondere mit Prag und Berlin. Die kommunistischen Machthaber der damaligen Tschechoslowakei hatten die Liechtensteiner für volksdeutsch erklärt und ihre umfangreichen Ländereien, Immobilien und Kunstschätze enteignet. Rückgabe oder Entschädigung werden bis heute abgelehnt, unter Berufung auf die schändlichen Benesch-Dekrete, die Prag sogar in die Rechts- und Werteordnung der EU hinüberretten konnte.

Zur Beutekunst zählte auch das Gemälde „Szene an einem römischen Kalkofen“ des Niederländers Pieter van Laer. 1991 tauchte es als Prager Leihgabe in einer Kölner Ausstellung auf. Liechtenstein klagte auf Beschlagnahme und Rückgabe, blieb aber in allen Prozessen bis hin zum Europäischen Gerichtshof unterlegen.

Daß Deutschland, genau: die damalige rot-grüne Bundesregierung - sich hier gegen die Opfer kommunistischer Vertreibungs- und Enteignungsverbrecher stellte und die sonst in den Sonntagsreden vieler Politiker stets bekämpften Benesch-Dekrete sogar verteidigte, ließ nicht nur den Fürsten daran zweifeln, ob die Bundesrepublik sich „an den Grundprinzipien des Internationalen Völkerrechts“ orientiere. Verstärkt wurden diese Zweifel, als der deutsche BND gestohlene Kundendaten aus Liechtensteiner Banken kaufte und sich – so sieht man es zumindest in Vaduz – der Hehlerei schuldig machte.

Die Konsequenz des Fürsten: Keine Leihgaben aus Liechtensteiner Sammlungen nach Deutschland, um diese nicht „dem Risiko einer selektiven Anwendung des Rechtsstaates“ auszusetzen. Eine treffende Formulierung: Beim durchaus selektiven Umgang mit rechtswidrig enteigneten Kunstwerken ist das entscheidende Kriterium offenbar, wer sie enteignet hat – Nationalsozialisten oder Kommunisten. Hans-Jürgen Mahlitz


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