Warning: file_get_contents(https://paz.de/lib/extern/header.php): failed to open stream: Connection refused in /homepages/10/d855424685/htdocs/wrapper.php on line 25
20.09.08 / Es droht ein Kampf der Generäle / Nordkoreas kranker Diktator Kim Jong-il hat keinen Nachfolger aufgebaut – Söhne gelten als kaum geeignet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-08 vom 20. September 2008

Es droht ein Kampf der Generäle
Nordkoreas kranker Diktator Kim Jong-il hat keinen Nachfolger aufgebaut – Söhne gelten als kaum geeignet

Nordkoreas Diktator Kim Jong-il ist schwer krank, das Ende seiner Herrschaft ist absehbar. Es drohen Machtkämpfe unter den Generälen, aber auch ein Ende der Diktatur und die Wiedervereinigung mit Südkorea könnten möglich werden. Allerdings hat im Süden die Begeistung für die nationale Einheit nachgelassen – nicht zuletzt angesichts der deutschen Erfahrungen.

Schon lange leidet Kim Jong-il unter Diabetes und Herzproblemen. Trotzdem trinkt er viel, vor allem französische Rotweine und Cognacs, ist übergewichtig, und führte lange einen unsteten nächtlichen Lebenswandel.

Doch auch für ihn gab es einen Pflichttermin: den 60. Gründungstag der Volksrepublik am 9. September. Selbst ein exzentrischer und unberechenbarer Herrscher wie Kim Jong-il (66), der Sohn des gottgleich zwangsverehrten Staatsgründers, der 1994 starb, dürfte sich ihm nicht entziehen. Kim tat es dennoch. Auf der Tribüne der Generäle und Parteibonzen, wo er im hierarchischen Mittelpunkt hätte stehen sollen, blieb ein schlichtes Loch. Auch war die Militärparade in letzter Minute abgerüstet worden: Statt der üblichen Infanterieformationen im Stechschritt, der Panzer- und Raketenwerfer, defilierte nur noch der Zivilschutz. Dabei hatte die Nachrichtenagentur KNCA noch vor kurzem aggressiv getönt: „Wir werden die Invasoren bestrafen und im Endkampf gegen die USA entscheidend gewinnen.“ Premier Kim Jong-il drohte noch vor kurzem „gnadenlose Vergeltung“ an, sollten die souveräne Würde und Integrität des Landes verletzt werden. Die wüste Agitation hat Methode. Invasionsängste werden in Nordkorea stets bei innenpolitischen Krisen geschürt. Kurz danach hatte Kim einen Schlaganfall mit Gehirnblutungen erlitten, so der südkoreanische und US-Geheimdienst. Eine Operation soll ihm die Fähigkeit zu sprechen und zu gehen wiedergegeben haben. Er sei schwer-, jedoch nicht todkrank. Chinesischen Quellen zufolge soll es mit Kim jedoch weiter bergab gehen.

Für den Fall, daß Kim Jong-il stirbt, droht ein Machtvakuum im Land. Soweit bekannt, hat er zwar drei Söhne von zwei Müttern. Der im dynastisch denkenden Korea wichtigste Älteste, Kim Jong-nan (37), stammt von einer Schauspielerin, die Kim jedoch nicht geheiratet hat. Kim Junior fiel in Ungnade, als er sich vor Jahren bei der illegalen Einreise nach Japan mit einem gefälschten Paß der Dominikanischen Republik erwischen ließ. Er hatte sich das Disneyland von Tokio anschauen wollen. Heute soll er zumeist in Peking oder Macao leben. Von einer mittlerweile mutmaßlich gestorbenen Revuetänzerin stammen die Söhne Kim Jong-chol (27) und Kim Jong-un (25). Sie sind jedoch noch nie in der Öffentlichkeit aufgetreten. Im Gegensatz zu seinem Vater hat Kim Jong-il es versäumt, rechtzeitig eine dynastische Nachfolge seiner national-kommunistischen Diktatur vorzubereiten. Deshalb gilt es als wahrscheinlich, daß ob tot oder noch etwas lebendig, de facto ein von Militärs dominiertes Kollektiv die Macht übernehmen und im Namen Kims ausüben wird. Kim hatte in seiner 14jährigen Herrschaft auf Kosten des Parteiapparates vor allem die Generäle mit Privilegien begünstigt. Daher wird – wie in Laos – eine Junta lamettabeladener 70jähriger kommunistischer Generäle wahrscheinlich.

Bisher herrschten die Kims in ihrem kommunistischen Paradies mit einem brutalen System des „Teile und herrsche“. Es gab weder in der Generalität, noch im Ministerkabinett oder im ZK kollektive Entscheidungen, sondern nur den bedingungslosen Vollzug und vorauseilenden Gehorsam ihrer auch persönlichen Anweisungen. Deshalb könnten mit Kims absehbarem Ende bald gewaltsam ausgetragene Diadochenkämpfe unter den Generälen ausbrechen, bei denen die verschiedenen Fraktionen für ihren jeweiligen Führungsanspruch einen der Söhne der Kim-Dynastie vorschieben. Das war bereits in Koreas Feudalzeit nichts Ungewöhnliches. Am Ende eines solchen vom Machthunger einzelner Generäle ausgelösten Bürgerkriegs könnte, viel schneller als erwartet, der Zusammenbruch der letzten totalitären kommunistischen Despotie stehen. Daß der Kollaps so oder so gewalttätig sein wird, steht zu befürchten.

Denn es gibt in Nordkorea keine irgendwie tolerierten Freiräume, in der sich harmlose Oppositionelle und vom Geheimdienst überwachte Kirchen und Friedensgruppen tummeln könnten, mit denen dann an Runden Tischen eine friedliche Lösung wie in der DDR und in Osteuropa verhandelt werden könnte. Jede Opposition wurde sofort liquidiert. Bürgerliche und religiöse Dissidentenmilieus wurden und werden in den Todeslagern des nordkoreanischen Gulags und durch Lebensmittelentzug in den periodischen Hungersnöten zum Schweigen gebracht. Weil es keine Organisationen und Absprachen gibt, sind spontane Ausbrüche des Volkszorns zu befürchten, der mit dem grausamen Regime nur allzu viele Rechnungen offen hat.

In Südkorea hat man vor dem bevorstehenden Zusammenbruch des hochgerüsteten Nordens paradoxerweise Angst. Man fürchtet ein Eingreifen Chinas, aber auch Flüchtlingsmassen aus dem Norden. Obwohl sonst hyperpatriotisch – vor allem wenn es um den Importschutz oder die Verteidigung unbewohnter Felseninseln gegen die Japaner geht –, tendiert die Begeisterung für die in Bälde wahrscheinliche Wiedervereinigung derzeit gegen Null. Ihre Kosten werden wie die deutsche Wiedervereinigung auf über 1000 Milliarden US-Dollar geschätzt. Der Norden ist mit 24 Millionen Einwohnern größer als die DDR. Der Süden mit 48 Millionen kleiner und mit einem Durchschnittseinkommen von 10000 US-Dollar nur halb so wohlhabend wie Westdeutschland im Jahr 1989. Dazu hat die Diktatur der Kims bald 20 Jahre länger gedauert. Sie hat bis heute alle Brief-, Personen- und Medienkontakte verhindert. Die abgewirtschaftete Infrastruktur des Nordens ist die eines Entwicklungslandes der 50er Jahre, mit regelmäßigen Stromausfällen, Überschwemmungen und Hungersnöten. Viele Fabriken und Kolchosen sind nur noch ausgeweitete Schutthalden. Nordkoreanische Flüchtlinge, denen über die Mandschurei die Flucht in den Süden gelang, finden sich in der extrem wettbewerbsorientierten Wirtschaft und Gesellschaft des Südens nahezu ausnahmslos kaum zurecht.

Dabei versucht Südkorea gerade, hart bedrängt von der chinesischen Konkurrenz, noch mehr als bisher zu einem Hochtechnologieland zu werden. Die vorsintflutlich ausgebildeten Landsleute aus dem Norden können dabei kaum helfen, vielmehr werden sie auf absehbare Zeit nur im Billiglohnsegment arbeiten können. So stolpert die südkoreanische Führung und Öffentlichkeit unvorbereitet in eine Wiedervereinigung, die sie wie Deutschland sehnsüchtig einst erhofften, deren absehbare Probleme jedoch allenthalben Entsetzen auslösen.     Albrecht Rothacher

Foto: Auf das Militär gebaut: Kim Jong-il hat mit seinem Atomtest die Welt bereits in Angst versetzt.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren