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20.09.08 / Ländergrenzen im Wandel / 125 Jahre Diercke Weltatlas: Die Kartenmacher dokumentieren jede Veränderung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-08 vom 20. September 2008

Ländergrenzen im Wandel
125 Jahre Diercke Weltatlas: Die Kartenmacher dokumentieren jede Veränderung

Generationen von Schülern haben sich mit seiner Hilfe mehr als nur einen Überblick über die Welt verschafft: Der Diercke Weltatlas. Nach 125 Jahren kann der Schulatlas auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Über 300mal wurde er überarbeitet und wird auch genau deswegen von den Kultusministerien der 16 Bundesländer als Favorit für den Erdkundeunterricht empfohlen.

Nicht nur für jene, die in den 30er Jahren geboren wurden und noch immer ihren alten Diercke im Bücherregal stehen haben, ist das alte Schulbuch ein Atlas mit historischen Karten. Staatsgrenzen verschieben sich laufend, in Europa zuletzt im Februar 2008 mit der Unabhängigkeit des Kosovo. Auch bei den Wirtschafts- und Klimakarten gibt es Veränderungen, doch der Westermann-Verlag, der 1883 seinen ersten, auch für Dorfschulen geeigneten Schulatlas herausgab, hat immer alles dokumentiert.

Doch Staats- und Sprachgrenzen in Schulatlanten sind oft ein Politikum. So brach beispielsweise 1925 eine Welle der Entrüstung über die Braunschweiger Karthographen hinweg, als sie ihre Völker- und Sprachenkarte des Deutschen Reiches auf der Verteilung von Sprachen und Sprachfamilien basieren ließen. Hiernach war plötzlich Masuren zu mehr als der Hälfte polnischsprachig und auch andere Gebiete West- und Ostpreußens wurden mit reichlich Grün für Polnisch eingefärbt. Angesichts der Tatsache, daß sich diese Gebiete bei der Abstimmung nach dem Ersten Weltkrieg im Jahr 1920 mit überwältigender Mehrheit zum Deutschen Reich bekannt hatten, war die Empörung groß. Das Abstimmungsergebnis war der Karte nämlich nicht zu entnehmen, und nun sahen sich plötzlich Menschen, die Masurisch oder Kaschubisch sprachen, deren Herz aber für Deutschland schlug, in einem deutschen Schulatlas „kartographisch polonisiert“. 1926 erfolgte die Korrektur, so daß die entsprechenden Teile West- und Ostpreußens wie auch Gebiete in Oberschlesien nicht mehr direkt der polnischen Sprachenfamilie angehörten.

Während des Dritten Reiches entschieden dann gleich politische und militärische Zensoren über

Kartenmaßstäbe, Demarkationslinien, Grenzverläufe und Darstellung besetzter Gebiete. Doch auch nach 1945 gerieten die Kartenmacher wieder zwischen die Fronten. Vor Drucklegung 1950 hatte man sich mit Bundes- und Länderministerien, den Militärregierungen der Alliierten und dem „Zentralverband der Vertriebenen“, dem Vorläufer des BdV, nach langen Verhandlungen geeinigt: „Auf den physischen Karten sollten die Grenze zwischen den beiden deutschen Republiken und die Oder-Neiße-Linie dieselbe abgeschwächte Signatur erhalten und zwar die damals noch unkonventionelle Punktreihe, die auch um Berlin gelegt und im Westen für die regelungsbedürftigen Gebiete benutzt wurde. Eine Legende hatte ihren ,provisorischen Charakter‘ festzuhalten.“ Die Grenze von 1937 hingegen war dick-rot markiert. Obwohl über das Ergebnis lange verhandelt worden war, gab es Proteste: Einige Gruppen sahen das Provisorium als die wirklich gültige Grenze an. Mit Willy Brandts Ostverträgen 1969 dominierten sie, und die Grenzen von 1937 wurden in den Hintergrund gedrängt. Ab 1970 wurde sie noch zart als Perlenlinie und seit 1981 im Regelfall gar nicht mehr eingezeichnet.

Seit der Wiedervereinigung sind die Deutschlandkarten für den Verlag weniger konfliktträchtig. Dafür gibt es genügend andere Länder der Welt, in denen die Grenzverläufe unklar sind. Auch sehen sich  die Atlantenmacher politischer Einflußnahme ausgesetzt – vom Balkan über den Kaukasus bis nach Kaschmir. Rebecca Bellano


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