19.04.2024

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20.09.08 / Wäsche auf die Bleiche

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-08 vom 20. September 2008

Wäsche auf die Bleiche

Für die „Große Wäsche“ brauchte man in meiner Kinderzeit immer mehrere Tage. Nach dem Kochen in einem riesigen Kupferkessel beförderte man die dampfenden Stücke mit einem breiten Holzspatel in einen großen, runden Holzbottich. Dort wurde sie von einigen Frauen mit grüner Seife gewaschen, gerubbelt, geschlagen und schließlich ausgewrungen. Bei dem Dampf, der gebeugten Haltung und der heißen Lauge litten Kopf, Rücken und die Hände der Wäscherinnen beträchtlich.

Kleinere Stücke wurden noch in einer von Hand betriebenen Wäschetrommel nachbehandelt. Da hieß es aufpassen! Bei unterschiedlichen Vor- und Rückwärtstouren gab es sonst ein unentwirrbares Knäuel – und eins hinter die Löffel. Abends fuhr man dann mehrere Wannen voll mit einem Leiterwagen an den nahen Rußstrom. Von den Zöllnern argwöhnisch beäugt, ruderte Vater dort auf den Grenzfluß hinaus, während zwei Frauen die Wäsche in der Strömung spülten. Für das endgültige „hellste Weiß“ sorgten abwechselnd Sonne und Wasser, die sogenannte Bleiche. Jedes Stück wurde von uns in Ufernähe auf der Wiese ausgebreitet. Die Wiese sah dann wie ein übergroßes Schachbrett aus. Auf den Grünstreifen dazwischen ließ sich gut „Greifen spielen“.

War die Wäsche trocken, wurde sie wieder und wieder mit dem Wasser aus einer Gießkanne besprengt. Und das zwei Tage lang! Zu gern hätten wir Pökse auch die Nacht hier draußen verbracht. Aber das durfte nur das Hausmädchen. Für die Nacht wurde eigens eine  Schilfhütte für sie hingestellt und mit einer Strohschütte versehen. Der Hofhund half ihr aufzupassen. Natürlich nutzten die jungen Burschen im Dorf die Gelegenheit und „schicherten“ (ängstigten) das Mädchen in der Nacht – oder es passierte auch mehr. Alle Hausarbeit brauchte damals sehr viel Kraft und Zeit. Aber manche hatte, wie man sieht, auch ihren Reiz und eine Spur von Romantik.           H. Redetzky


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