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27.09.08 / »Orangene Revolution« am Ende / Regierungschefin Julia Timoschenko laviert zwischen dem pro-westlichen und dem pro-russischen Block

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-08 vom 27. September 2008

»Orangene Revolution« am Ende
Regierungschefin Julia Timoschenko laviert zwischen dem pro-westlichen und dem pro-russischen Block

Wieder einmal ist das Regierungsbündnis in der Ukraine zerbrochen. Dieses Mal könnte es endgültig sein, wenn Präsident Viktor Juschtschenko und Premierministerin Julia Timoschenko weiter auf ihren Positionen über das Verhältnis zu Moskau beharren. Für die Ukraine könnte sich die politische Landschaft von Grund auf verändern, wenn die Opposition gewählt und Viktor Janukowitsch neuer Präsident wird.

Es ist erst ein knappes Jahr her, daß in der Ukraine vorgezogene Parlamentswahlen stattfanden. Mit einer knappen Mehrheit konnte damals die Koalition der „Orangen Revolution“ weiterregieren. Stärkste Kraft wurde die „Partei der Regionen“ des kremltreuen Politikers Viktor Janukowitsch, der sich zuvor einen erbitterten Wahlkampf mit Viktor Juschtschenko geliefert hatte. Ständige Streitigkeiten der Koalitionspartner sowie eine starke Opposition im Parlament führten dazu, daß die legislative Arbeit zeitweilig zum Erliegen kam. Die ständigen Differenzen zwischen der Regierungschefin Julia Timoschenko und Präsident Juschtschenko führten schließlich zum Kollaps der Regierungskoaliton. Der aktuelle Konflikt begann im Juni und spitzte sich während der Georgienkrise derart zu, daß Präsident Juschtschenko am 16. September das offizielle Ende der Regierungskoaliton seiner Partei „Unsere Ukraine“ mit dem „Block Julia Timoschenko“ erklärte. Nun droht der Ukraine erneut eine vorgezogene Neuwahl des Parlaments. Laut ukrainischer Verfassung bleibt den Abgeordenten eine Frist von 30 Tagen für die Bildung einer neuen Koalition. Scheitern die Verhandlungen, muß neu gewählt werden.

Eigentlich haben die Hauptakteure kein wirkliches Interesse an Neuwahlen, da sie die Probleme nicht lösen würden. An der Patt-Situation würde sich nichts ändern. Zu sehr ist das Land in zwei widerstreitende Lager gespalten. Der Block der Partei „Unsere Ukraine“ um Präsident Juschtschenko unterstützt pro-westliche Interessen des Landes, steht für einen Beitritt der Ukraine in EU und Nato, stellte sich hinter Georgien im militärischen Konflikt mit Moskau. Die „Partei der Regionen“ um den oppositionellen ehemaligen Ministerpräsidenten Janukowitsch steht dagegen für eine größere Ausrichtung der Ukraine auf Rußland. Die Mehrheit der russischstämmigen Bevölkerung in der Ostukraine sowie die Kommunisten unterstützen diesen Kurs. Julia Timoschenko stellt in der politischen Landschaft der Ukraine einen Sonderfall dar. Sie war 2004 angetreten, um gemeinsam mit Juschtschenko für eine Demokratisierung ihres Landes zu kämpfen, und es vor der vom Kommunismus geprägten korrupten Politik des damaligen Präsidenten Kutschma zu befreien. Mit ihrer Partei „Block Julia Timoschenko“ verhalf sie der „Orangen Revolution“ zum Sieg. Heute hängt von der amtierenden Regierungschefin die zukünftige Zusammensetzung des ukrainischen Parlaments ab, dies umso mehr, nachdem sie aus einem gescheiterten Mißtrauensvotum gegen sie im Juni gestärkt hervorging.

Timoschenko ist eine Persönlichkeit, an der sich die Geister scheiden. Bei ihren Anhängern genießt sie höchste Anerkennung, während sie sich scharfer Kritik aus den Reihen ihrer Gegner gegenüber sieht. Ihre Karriere begann in den 90er Jahren, als sie nach einem Ingenieurstudium zur Chefin eines Energie-Monopolistin für den Vertrieb russischen Gases in der Ukraine aufstieg, was ihr den Spitznamen „Gasprinzessin“ eintrug.

Aktuell wird die Zusammensetzung der neuen Regierungskoalition von Julia Timoschenko abhängen, je nachdem, für welchen Koalitionspartner sie sich entscheidet. Derzeit führt sie Verhandlungen mit der „Partei der Regionen“, die ohnehin schon über die meisten Sitze im Parlament verfügt.

Für den amtierenden Präsidenten Juschtschenko zahlen sich Neuwahlen am wenigsten aus.  Umfragewerten zufolge würde seine Partei nur einen geringen Prozentanteil der Stimmen erhalten. Weil er durch von Timoschenko durchgesetzte Gesetzesänderungen um sein Vetorecht gebracht wurde, steht er innenpolitisch wie außenpolitisch geschwächt da. Seit der Georgienkrise hat sich die Situation auf der Krim zugespitzt, ethnische Russen und Krimtataren stehen sich dort feindlich gegenüber. Aufgrund der instabilen Situation im Lande rückt die EU eher auf Distanz zur Ukraine anstatt ihr eine baldige Aufnahme in Aussicht zu stellen. Als Gegenmaßnahme zu dieser für sie negativen Entwicklung rief die präsidentenfreundliche Partei „Unsere Ukraine“ kürzlich alle demokratischen Kräfte zu einer Sitzung zusammen, um gemeinsam den „kremltreuen parlamentarischen Oligarchen“ entgegenzutreten. Eingeladen war auch die von Viktor Balugi, der rechten Hand Juschtschenkos, neu gegründete Partei „Einiges Zentrum“.

Noch ist offen, wie das politische Kräftemessen in Kiew ausgehen wird. Der einzige wirkliche Profiteur einer instabilen Ukraine ist Rußland. Zum einen, weil das Land in hohem Maße von russischem Gas abhängig ist, zum anderen weil Moskau damit rechnet, daß die militärische Annäherung der Ukraine an die Nato sich verzögert, so lange sich untereinander verfeindete Klans gegenseitig bekämpfen. Für 2008 wird die Ukraine 55 Milliarden Kubikmeter Gas aus Rußland beziehen zu einem Preis von 179,5 US-Dollar pro tausend Kubikmeter. Im vergangenen Jahr zahlte die Ukraine noch einen Freundschaftspreis von 130 US-Dollar und 2006 erst 95 Dollar pro tausend Kubikmeter Gas. Gazprom-Chef Alexej Miller hat bereits angekündigt, den Preis im kommenden Jahr auf das Weltmarkt-Niveau von über 400 US-Dollar pro tausend Kubikmeter anzuheben. Diese Aussicht treibt Julia Timoschenko zur Eile. Sie will mit Rußland Verhandlungen über Gaslieferungen führen. Vielleicht wird wer sie dabei unterstützt, ukrainischer Präsident sein oder bleiben.         Manuela Rosenthal-Kappi

Foto: Unterschiedliche Ziele: Machtkonflikte entfernten Juschtschenko und Timoschenko voneinander.


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