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27.09.08 / Ein tödlicher Cocktail aus Gier und Neid

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-08 vom 27. September 2008

»Moment mal!«
Ein tödlicher Cocktail aus Gier und Neid
von Klaus Rainer Röhl

Meine Großeltern besaßen in Danzig, in bester Wohngegend, in der Großen Krämergasse, drei dieser schmalen alten Patrizier-Häuser. Sie wurden, nach der Kapitulation Danzigs, von russischer Artillerie wie die ganze historische Innenstadt in Brand geschossen und sind abgebrannt. Der Boden, heute mehr als 1945 beste Wohn- und Geschäftslage, schräg gegenüber dem Artusbrunnen, ist geblieben. Ein Grund zur sofortigen Anmeldung bei der „Preußischen Treuhand“, sollte man denken. Doch zu früh gefreut. Mein Großvater, Inhaber eines blühenden Korbwaren-Handels zur Zeit der in Mode kommenden Korbkinderwagen und vor allem der Strandkörbe in allen Seebädern der Danziger Bucht, galt als vermögend. Weil er einmal dem Kronprinzen einen Strandkorb nach Zoppot geliefert hatte, durfte er sich kaiserlicher Hof-lieferant nennen und hatte ein bißchen Vermögen. Doch unterstützte er sein Land wie fast alle Deutschen („Gold gab ich für Eisen“) durch Zeichnung einer Kriegsanleihe und verlor das Geld, wie fast alle anderen Deutschen, durch den Krieg. Den Rest und die Häuser verlor er durch die Inflation. Der Senat der Freien Stadt Danzig verlieh ihm jedoch ein Dauerwohnrecht in der Großen Krämergasse. Seit dieser Zeit ist in unserer Familie eine tief eingewurzelte Angst vor faulen Kreditgeschäften, Krieg und Inflation geblieben. „Wer weiß, was du noch einmal essen wirst!“ war die Redensart meiner durch den Rübenwinter 1917/18 gegangenen Oma für Kinder, die am Essen herummäkelten. Was sie 1945, als die Russen kamen, essen würde, konnte sie nicht in ihren schlimmsten Visionen ahnen. Krieg ist schlimm, Inflation auch, Bankenzusammenbrüche ebenfalls, das wissen alle Deutschen seit 1923, das sitzt tief. Aber tief sitzt auch das Vertrauen, daß dann doch einer käme, der alles wieder in Ordnung brächte. „Da kam der Schacht, der hat die Rentenmark gemacht.“ Da fingen die Leute wieder an zu sparen.

Die Sehnsucht, irgendwann ein Risiko einzugehen und das große Geld zu machen, ist geblieben. Vor ein paar Jahren rief uns eine junge Freundin an und beschwor uns, die Sowieso-Zertifikate zu kaufen, sie hießen Infinion oder Infinito, wir haben es vergessen, denn wir kauften sie nicht. Die junge Frau aber war außer sich vor Vergnügen: Sie hatte die Papiere gezeichnet, die erzielten einen „traumhaften“ Kursgewinn und dann verkaufte sie die Papiere und konnte sich von dem Gewinn einen Volkswagen leisten.

Ich fragte sie damals in meiner altmodischen ex-marxistischen Art, ob sie sich denken könne, wer diesen neuen VW für sie gebaut habe. Das vertieften wir aber nicht, aber sie war nun fasziniert von dem Gewinnspiel und spielte bis vor ein paar Jahren mit, da gingen die von den Beratern gepriesenen Aktien und Zertifikate den Bach runter. Aus der Traum. Konto geschrumpft. Selber schuld. Das war ein Glücksspiel, das eine Zeitlang Millionen Deutsche mitspielten. Der Modeausdruck dafür heißt Zocken. Manche betreiben das im Großen. Sie gewinnen an einem Tag den Gegenwert eines Düsenjets oder eines Schlosses an der Loire. Und wer baute das für sie? Wer baute das siebentorige Theben? Wer bezahlt, das heißt arbeitet für die Hedge-Fonds-Besitzer, die auf den Verlust anderer Firmen wetten, das heißt auf fallende Börsenkurse anderer Unternehmen spekulieren, mit sogenannten „Leerverkäufen“?

Während beim Roulette am Ende immer nur die Bank gewinnt, gewinnen bei diesem Glücksspiel die Banken oft nicht. Jedenfalls nicht, wenn sie staatlich kontrolliert (80 Prozent Bund, 20 Prozent Länder) werden wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). An der Spitze des Verwaltungsrats: Bundeswirtschaftsminister Michael Glos und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Die von ihnen und 35 weiteren Politikern beaufsichtigte Bank wurde eigentlich gar nicht kontrolliert, wie der Bundesrechungshof ihnen in einem bisher noch nicht veröffentlichten Bericht vorwirft. Da ereignete sich die Beinahe-Pleite der früheren Tochter-Bank IKB. Die verlor die unvorstellbare Summe von 10,7 Milliarden Euro mit absehbar faulen, aber die Gier der Banker nach märchenhaften Gewinnen bis zum Totalausfall des Verstands beflügelnden US-Immobilien-Krediten. Um ihre Tochter-Bank vor dem Ende zu bewahren, mußte die KfW alle Reserven auflösen und dennoch staatliche Zuschüsse anfordern. Insgesamt kostet das Milliardenspiel den deutschen Steuerzahler 9,2 Milliarden, also kaum vorstellbare 9200 Millionen Euro.

Und jetzt kommt eine Pointe, die in einem guten Film gestrichen würde, weil jeder Zuschauer sonst den Film als grob tendenziös und übertrieben ablehnen würde: Die trotz Milliarden-Zuschüssen vor der Pleite stehende IKB wurde für den symbolischen Preis von 115 Millionen Euro (!) an den als „Heuschrecke“ geltenden US-Finanzinvestor Lone Star verkauft.

„Pech gehabt, mehr ist der Laden nicht wert“, mögen die smarten US-Jungs gelacht haben, „seid froh, daß ihr überhaupt noch Geld dafür bekommt“. Die 115 Millionen gehen also von den 9200 Millionen zum Glück noch ab. Den Rest zahlen wir. Durch direkte und indirekte Steuern, durch Rückgang des Wirtschaftswachstums (nur noch 0,5 statt 1,2 Prozent für 2009) und Senkung des Lebensstandards.

Dürfen die das? Ist alles machbar, was geht? Hilmar Kopper, („Peanuts“), früher der schier allmächtige Chef der Deutschen Bank, meinte letzte Woche in der Talkshow „Hart aber fair“ zu den Verursachern und Abkassierern der Bankenkrise: „Ja, manche können den Hals nicht voll genug kriegen.“ Und er meinte damit nicht nur die Hedge-Fonds, sondern auch die vielen kleinen Bürger in Deutschland und anderswo, die glaubten, daß man mit seinem bißchen Geld traumhafte Gewinne machen könne, wo man eigentlich schon mißtrauisch sein müßte, wenn einem jemand sechs Prozent Zinsen anbietet, während der Marktzins gerade mal bei 3,5 Prozent liegt. Auch Kopper gebrauchte das in Mode gekommene Wort Abzocken, das gute Aussichten hat, das Unwort des Jahres zu werden.

Aber was heißt Abzocken? Das Wort stammt aus der Ganovensprache. Es wird neuerdings besonders häufig und mißverständlich von den extremen Linken und von der „Bild“-Zeitung benutzt. Aber was bedeutet es, wenn „Bild“-Chef Kai Diekmann und Oskar Lafontaine ins gleiche Horn tuten? Vor allem: Wem nützt es? Die Lehre von den Heuschrecken, den Spekulanten und Abzockern, die Lehre von der Gier, von der Neidgesellschaft und den Neidsteuern, von den kleinen Leuten da unten und den anonymen Mächten da oben?

Warum veröffentlicht „Bild“ alle paar Wochen eine Gehaltsliste von Hochverdienenden? Und eine Woche später eine Liste von Familien, die ihre Kinder nicht mehr satt kriegen können? Will „Bild“ Lafontaine helfen, noch mehr Stimmen zu bekommen?

Der Chef der Bildzeitung hat ein ehrenwertes Motiv: Er will nach oben beziehungsweise oben bleiben, also braucht er Auflage. Dazu gehört nicht nur Sexappeal, „Human Touch“ und Lebenshilfe, sondern auch Neid und Mißgunst. Die Motive von Lafontaine finde ich nicht so ehrenwert: Er will der dreimal umgetauften SED, in der Mauerbau und Todesschüsse ebenso hingenommen werden wie die Stalinverehrerin Sahra Wagenknecht, an die Macht bringen.

Merke: Nach der Wirtschaftskrise von 1929 bis 1932 drohte ein gewaltiger Wahl-erfolg der KPD, aber statt den Kommunisten kam Hitler. Ganz legal und parlamentarisch. Übrigens mit Schacht als Finanzminister. Wenn Lafontaine in Deutschland die kommunistische Volksfront verwirklicht, kommen mit Sicherheit die „Rechten“ ins Spiel. Die „Sonstigen“, bereits dicht unter fünf Prozent. Ganz legal, auf parlamentarische Weise. Da helfen keine BAP-Songs und kein Kölsch-Boykott.


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