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27.09.08 / Die Krise ist zurück beim Staat / Am Beginn der US-Finanzkrise standen Fehler von Bankenaufsicht, Notenbank und Regierung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-08 vom 27. September 2008

Die Krise ist zurück beim Staat
Am Beginn der US-Finanzkrise standen Fehler von Bankenaufsicht, Notenbank und Regierung

Bei der Suche nach den Ursachen der US-Finanzkrise stößt man auf drei gravierende Fehler von Regierung, Bankenaufsicht und Notenbank. Wenn nun ein großer Teil des Finanzsektors der USA quasi verstaatlicht wurde, dann kehrt die Krise dorthin zurück, wo sie begonnen hat.

Verfolgt man die Berichterstattung über die Krise des US-Finanzsystems, dann werden oft moralische Argumente als Ursachen genannt. Beispielsweise wird oft der „Gier“ von Aktionären und Investmentbankern die Schuld gegeben – gerade so, als ob sich die Natur des Menschen verändert hätte und die Akteure im Finanzsektor vor zehn oder 20 Jahren weniger auf die Mehrung ihres Vermögens bedacht gewesen wären, als in den Jahren seit 2001, in denen sich die Blasen gebildet haben, die nun krachend platzen.

Schürft man etwas tiefer, dann bleiben drei klar benennbare Ursachen. Die erste davon ist das Versagen der US-Bankenaufsicht. Das dortige Bankensystem war bis vor wenigen Tagen durch die starke Rolle der Investmentbanken ohnehin weniger gut gegen Turbulenzen gesichert als das europäische und insbesondere auch das deutsche System. Universalbanken mögen schwerfälliger sein, aber gegen Krisen in einzelnen Sektoren der Wirtschaft sind sie besser abgesichert, weil Privatkundengeschäft, Firmenkundengeschäft und eben das Wertpapiergeschäft selten ganz parallel laufen. Die Risiken der verschiedenen Bereiche gleichen sich damit zumindest teilweise aus.

Das US-Bankensystem, wie es bisher bestand, erforderte also zumindest eine straffe Aufsicht – und hier beginnt die erste große Ursache des amerikanischen Finanzdebakels. Die Regeln waren zu lax, und vor allem: Selbst das eher großzügige Regelwerk wurde nicht konsequent eingehalten. Hypothekengeschäfte in der Art, wie sie insbesondere in den Jahren 2002 bis 2006 in den USA massenhaft verbreitet waren, verstießen teilweise sogar gegen das (aus europäischer Sicht ohnehin viel zu lockere) Regelwerk der amerikanischen Finanzbranche. Dies gilt nicht zuletzt angesichts der geringen Ausstattung der Investmentbanken mit Eigenkapital. Um die Rendite auf das investierte Kapital – also letztlich das Vermögen der Aktionäre – zu maximieren, wurden die Eigenkapitalquoten ganz bewußt reduziert. Gegen die klare Einsicht, daß gerade riskante Engagements genug Eigenkapital erfordern, um für schlechtere Zeiten gewappnet zu sein, wurde massiv verstoßen, weil in Zeiten des billigen Geldes ein besonders hoher Fremdkapitalanteil die Renditen der Aktionäre in die Höhe katapultiert.

Die Rechnung ist simpel: Eine Bank mit einer Bilanzsumme von bespielweise 100 Milliarden und einem Eigenkapital von 20 Milliarden erwirtschaftet mit zwei Milliarden Gewinn eine Rendite von zehn Prozent. Bei einem Eigenkapital von nur acht Milliarden bedeutet der selbe Gewinn eine Rendite von 25 Prozent – wenn man in beiden Fällen von den Kosten des Fremdkapitals einmal absieht. Genau das meinten viele Banker in den zurückliegenden Jahren tun zu können, weil ihnen die Notenbanken zu historisch niedrigen Zinssätzen von drei, zwei oder noch weniger Prozent Liquidität in riesigem Umfang anboten.

Tatsächlich lagen in den USA (und teilweise auch in Europa) in den letzten Jahren die Zinssätze nach Abzug der Inflation nahe Null. So gesehen war der normale Sparer bereits vor dem Zusammenbruch der ersten Großbank in den USA ein Verlierer der Fehlentwicklungen an den Finanzmärkten. Übrigens: Die US-Bürger haben angesichts dieser Zinssituation völlig logisch reagiert. Die US-Sparquote fiel zuletzt fast auf Null, Verschuldung ist bei derart mickrigen Zinsen auch für Privatleute eine naheliegende Reaktion.

Damit sind wir bei der zweiten großen Ursache der US-Krise. Der jahrelang als „Magier“ gefeierte US-Notenbankchef der Jahre 1987 bis 2006, Alan Greenspan, muß sich Sorgen um sein Ansehen in den künftigen Annalen der Wirtschaftsgeschichte machen. Seine Niedrigzinspolitik kann schon fast als die zentrale Ursache der Krise gelten. Denn diese Politik ruinierte nicht nur die Sparbereitschaft des US-amerikanischen Mittelstandes, sie lieferte auch die Seifenlauge, die die Banker in New York und London jahrelang zu gewaltigen Blasen aufpusteten. Der Hypothekenmarkt war davon keineswegs allein betroffen. Auch die aggressive Übernahmepolitik vieler Hedgefonds – der viel gescholtenen Heuschrecken – wurde dadurch erst möglich.

Bleibt die Frage, warum diese Niedrigzinspolitik nicht längst zu Inflation, zumindest aber zu einem massiven Wachstum der amerikanischen Geldmenge geführt hat. Letzteres ist schnell gesagt: Die Dollar-Geldmenge ist tatsächlich angeschwollen, und zwar so besorgniserregend schnell, daß die US-Notenbank FED seit März 2006 die wichtigste Kennzahl dafür (die Wachstumsrate der Geldmenge M3) gleich garnicht mehr veröffentlicht. Nach dem kleinen Einmaleins der Volkswirtschaft führt übermäßiges Geldmengenwachstum aber so sicher zu höheren Preisen wie übermäßiger Alkoholkonsum zu Rausch und Kater – spätestens nach etwa drei Jahren kommt auf den Preisschildern des Einzelhandels an, was die Notenbank durch zu niedrige Zinsen verbockt hat. Im Falle der USA hätten die inländischen Preise demnach bereits seit etwa 2004 kräftig anziehen müssen, tatsächlich trat dieser Effekt aber erst vor etwa einem Jahr ein.

Der Grund dafür sind massenhafte billige Importe aus Fernost, insbesondere aus China, die die Preise in den USA niedrig hielten. Doch dieser Effekt ist befristet, schon weil den USA das Geld ausgeht. Und so rollt heute gleichsam unter der „Wasseroberfläche“ eine mächtige Grundwelle der Geldentwertung auf die USA zu. Durch das 700-Milliarden-Programm der US-Regierung wurde diese Welle zuletzt noch verstärkt.

Damit sind wir bei der dritten Hauptursache der Krise: Mit ihrem gewaltigen, doppelten Defizit in Staatshaushalt und Handelsbilanz lebt die immer noch stärkste Volkswirtschaft der Erde seit bald 20 Jahren weit über ihre Verhältnisse – und zwar nach innen und nach außen. Jetzt scheint der Zeitpunkt nahe, an dem die Rechnungen beglichen werden müssen. Den US-Bürgern drohen empfindliche Wohlstandseinbußen.           Konrad Badenheuer

 

Im Brennpunkt der Probleme: New York

Für die Stadt New York bedeutet die Krise am Finanzmarkt einen beträchtlichen wirtschaftlichen Aderlaß. Von Januar bis Mitte September 2008 sind bereits 25000 Arbeitsplätze im Finanzsektor gestrichen worden. Laut Prognosen werden bis Jahresende weitere 15000 folgen. Dies schlägt unmittelbar auf die Steuereinnahmen der Acht-Millionen-Metropole durch. Bürgermeister Michael Bloomberg schätzt, daß pro 1000 verlorenen Arbeitsplätzen im Finanzsektor der Stadtkasse jährlich 50 Millionen US-Dollar (35 Millionen Euro) verlorengehen.

Börsenmakler, Banker und Co. machen zwar nur fünf Prozent aller Beschäftigten aus. Wegen ihrer sehr guten Vergütungen von durchschnittlich 280000 Dollar  (195000 Euro) pro Jahr erzielen sie jedoch ein Viertel des gesamten Gehaltsaufkommens der Stadt. Hinzu kommt, daß an einem Angestellten des Finanzsektors rund zwei bis drei weitere Jobs hängen, vom Blumenverkäufer bis zum Limousinenfahrer. Vor allem im Viertel rund um die Wall Street melden Dienstleister aller Sparten bereits jetzt deutliche Einbußen, weil große Teile der einst spendierfreudigen Kundschaft verschwunden seien.

Betroffen ist ebenso der Wohnungsmarkt. Aufgrund der zahlungskräftigen Angestellten im Finanzwesen blieben New Yorker Wohnobjekte bislang von der in großen Teilen der USA grassierenden Immobilienkrise verschont. Nun brechen gerade in den bislang stabilen Nobelquartieren die Preise ein, weil gestrauchelte Banker und Börsenmakler ihre Wohnungen abstoßen wollen, während sich kaum Käufer für die teuren Domizile finden.

Schließlich stellen sich die an den New Yorker Flughäfen arbeitenden Fluggesellschaften auf einen spürbaren Rückgang von Geschäftsreisenden ein, die bisher den Löwenanteil ihrer Einnahmen ausmachen.                     H.H.

Foto: Bitteres Erbe: US-Notenbankchef Ben Bernake (r.) muß die Trümmer abräumen, die ihm sein lange als „Magier“ und „Orakel“ gefeierter Vorgänger Alan Greenspan (l.) hinterlassen hat.


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