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27.09.08 / Kaum angreifbarer Konservativer / »Gehorsam gegenüber dem Vernunftgesetz« – Zum Tode von Günter Rohrmoser

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-08 vom 27. September 2008

Kaum angreifbarer Konservativer
»Gehorsam gegenüber dem Vernunftgesetz« – Zum Tode von Günter Rohrmoser

Der Sozialphilosoph Günter Rohrmoser ging neue Wege, berief sich aber stets auf berühmte Vordenker wie Hegel und Kant, wenn er Fehlentwicklungen der Gegenwart einzuordnen suchte.

Emanzipation oder Freiheit – so betitelte Günter Rohrmoser im Jahre 1970 seine Abhandlung über „das christliche Erbe der Neuzeit“. 20 Jahre später brachte er die Schrift, die inzwischen zu den Standardwerken konservativer Gesellschaftphilosophie zählte, erneut heraus, erweitert um die aktuelle Erfahrung eines gerade zusammenbrechenden real existierenden Staats-Sozialismus.

Schon damals, im Jahre 1990, hütete der Vordenker des modernen Konservatismus sich klugerweise vor verfrühtem Triumph und hielt sich lieber an die Devise des deutsch-jüdischen Publizisten Gerhard Löwenthal: „Alle sagen, der Kommunismus sei tot, aber keiner hat seine Leiche gesehen!“ In Vorlesungen und Vorträgen warnte Rohrmoser noch bis kurz vor seinem Tode Anfang vergangener Woche eindringlich vor geistigen und moralischen Verwerfungen, verursacht durch ein marxistisches Denkmodell, dem die 68er Kulturrevolution als gesellschaftliche Realität zum Durchbruch verholfen hat und das heute im Gewand der „political correctness“ die öffentliche und veröfffentlichte Meinungsbildung bestimmt. Und daran hat sich, wie sich längst bestätigt hat, auch durch die Auflösung des kommunistischen Sowjetimperiums nichts geändert.

All dies spiegelt sich in den beiden Begriffen Emanzipation und Freiheit. Dabei greift der erklärte Hegelianer Rohrmoser vor allem auf Immanuel Kant zurück. Der große Königsberger Philosoph habe sein Verständnis von Freiheit dezidiert an den „Gehorsam gegenüber dem Vernunftgesetz“ gekoppelt. Daraus folgte für Kant wie für Rohrmoser die Verantwortung als zwingendes Korrektiv jeglicher Freiheitsbestrebung. Und der „praktischen Vernunft“ folgend muß es dann vorrangig um „Freiheit wozu“ gehen, nicht nur um „Freiheit wovon“. Wahre Freiheit muß ein Ziel haben, muß zukunftsorientiert und konstruktiv auftreten, darf sich nicht damit begnügen, rückwärtsgewandt und destruktiv nur „kaputtzumachen, was euch kaputtmacht“, um es mit einem plakativen Ausspruch der 68er zu sagen.

Die damalige Frankfurter Schule, geprägt von Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Jürgen Habermas und Herbert Marcuse, behauptete zwar, ihren Freiheitsbegriff an der Aufklärung – und damit an Kant – zu orientieren. In Wahrheit aber hat sie, wie Rohrmoser schon damals nachwies, Kants metaphysisches Gesetzesverständnis von ihrem Freiheitsverständnis abgekoppelt. So degenerierte Freiheit zur bloßen Zügel- und Grenzenlosigkeit, letztlich gar zur Anarchie, die mit dem unverfänglichen Wort „Emanzipation“ verharmlost wurde. Da griffen die 68er, sozusagen die Schmuddelkinder der Frankfurter Schule, freudig zu. Unter dem Vorwand der Emanzipation traten die einen den langen und leider erfolgreichen „Marsch durch die Institutionen“ an, die anderen marschierten in den RAF-Terror.

Es war, ist und bleibt Günter Rohrmosers Verdienst, diese Zusammenhänge zwischen einem falsch verstandenen, total verengten Freiheitsbegriff und den gesellschaftlichen Fehlentwicklungen der letzten vier Jahrzehnte klar erkannt und immer wieder unermüdlich artikuliert zu haben. Daß einer, der stets so deutlich dem Zeitgeist widerspricht, sich auch Anfeindungen aussetzt, überrascht nicht. Allerdings zogen es die ultralinken Ideologen, die so gern austeilen und so ungern selber einstecken, es meist vor, sich andere Angriffsziele zu suchen. Das lag wohl auch daran, daß Rohrmoser aus deren kleinkarierter Perspektive kaum angreifbar war. Die Klarheit seiner Gedankengänge, die blitzsaubere Argumentationskette, der souveräne Umgang mit jahrhundertealter großer philosophischer Tradition, schließlich die Kraft seiner Sprache wie auch seiner persönlichen Ausstrahlung – da war so mancher sich selbst überschätzende Kleingeist dann doch überfordert. Wirklich bedeutende Denker anderer geistiger Ausrichtung hingegen versagten ihm nie den Respekt. Als Beispiel sei der langjährige sozialdemokratische Vordenker Peter von Oertzen zitiert: „Rohrmoser ist nicht nur ein überzeugter Konservativer, sondern auch ein leidenschaftlicher Liberaler.“ Vordenker eines liberalen Konservatismus, der sich auf das zweitausendjährige Erbe christlich-abendländischer Werte stützt und Kants „Freiheit in Verantwortung“ zum Leitfaden des gesellschaftlichen Lebens im 21. Jahrhundert erhebt – als solcher wird Günter Rohrmoser weiterleben.

Am 15. September ist der Philosoph, Theologe, Historiker und Nationalökonom Professor Dr. Günter Rohrmoser im Alter von 80 Jahren in Stuttgart gestorben.    Hans-Jürgen Mahlitz

Foto: Ein begehrter Redner: Günter Rohrmoser trat auch in seinen letzten Lebensjahren immer wieder öffentlich auf.


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