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04.10.08 / Versteckt vor der Strahlenhölle / Besuch im Bunker, in dem Honecker und Co. einen Atomkrieg überstehen wollten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-08 vom 04. Oktober 2008

Versteckt vor der Strahlenhölle
Besuch im Bunker, in dem Honecker und Co. einen Atomkrieg überstehen wollten

Tief in einem Kiefernwald bei Prenden nördlich von Berlin steht ein einsamer Imbißstand. Bei Bockwurst und Bier warten einige Menschen ungeduldig darauf, ein zu DDR-Zeiten streng gehütetes Staatsgeheimnis zu lüften: Sie wollen     Erich Honeckers Atombunker besuchen.

1983 wurde das gigantische Bauwerk fertiggestellt. Umgerechnet 300 Millionen Euro kostete das Objekt. Zwei Wochen hätten es etwa 400 Genossen in dem unterirdischen Verließ von bis zu 24 Metern Tiefe aushalten können. Dann hätten sie mit Schutzkleidung und Atemmasken den Bunker verlassen müssen und wären mit Panzern aus dem nahe elegenen Garagenkomplex durch die atomare Wüste gefahren, um in die Sowjetunion auszufliegen.

Ob dieser Gestus deutsch-sowjetischer Freundschaft tatsächlich erfolgt wäre, bleibt im Dunkeln. Der Ernstfall ist zum Glück nie eingetreten.

In den Dekontaminationsschleusen hätten sich Honecker und Konsorten bei einer radioaktiven Verstrahlung zunächst entkleiden und unter eine der beiden chemischen Entgiftungsduschen stellen müssen. Wichtige Dokumente und Gegenständen wären in einem der Speziallabors entseucht worden. Erst dann wäre die SED-Elite durch zwei kleine Kammern, der eigentlichen Luftschleuse, ins Innere des Bauwerks gelangt.

Im Bauch der dreigeschossigen Überlebenskapsel, die zur Abfederung von Bombeneinschlägen beweglich mit Stahlseilen und Stickstoffdämpfern aufgehängt wurde, befindet sich das Kontrollzentrum. Bei einem Angriff mit atomaren, chemischen oder biologischen Waffen wäre der Bunker von hier aus in Sekundenschnelle hermetisch verschlossen worden.

Wenig von seinem ursprünglichen Charme versprüht dagegen der Lage- und Konferenzraum des Nationalen Verteidigungsrates. Hier sollten im Verteidigungsfall des Landes militärische Bewegungen koordiniert sowie Hörfunk- und Fernseh­übertragungen stattfinden. Nur ein paar Teppichreste, die Holztäfelung und zwei Wandfotos aus früheren Zeiten lassen die einstige Eleganz dieses Raums erahnen. Über eine Treppe gelangt man direkt zu Honeckers Arbeitsbereich, ein großer Büroraum mit Vorzimmer und Nebenraum. Auch hier findet der Besucher bis auf einige Fetzen vergilbter Blümchentapete nur gähnende Leere vor. Beim teilweisen Rück­bau der Anlage 1993 wurden die meisten Einrichtungsgegenstände außer ein paar verschimmelter Betten und miefigen Aktenschränken entfernt. Schrottdiebe und Vandalen taten ihr übriges.

Besonders sehenswert ist schließlich die Großküche, deren hochkarätige Ausstattung ihrer Zeit weit voraus war. Wer in den Töpfen auf dem Herd noch Reste eines leckeren Wurstgulaschs vermutet, wird jedoch enttäuscht. Der Kochlöffel kam in den letzten Jahren eher selten zum Einsatz, genauso wenig wie das daneben liegende schlichte, aber bombensichere Eßzimmer.

Noch bis Ende Oktober bietet der Verein Berliner Bunker Netzwerk Führungen durch die Unterwelt für 20 bis 100 Euro pro Person an. Dann soll der Bau zum Schutz vor Bunkerspechten für immer versiegelt werden. Verlieren sollte man sich in dem knapp 400 Räume umfassenden Labyrinth allerdings nicht. Bis zu acht Stunden bräuchte das Personal, um Abtrünnige wiederzufinden.              Sophia E. Gerber


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