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04.10.08 / Netze nicht aufgeklärt / Knabe: »Stasi-Gesetz mit Webfehlern« – 1,5 Milliarden ausgegeben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-08 vom 04. Oktober 2008

Netze nicht aufgeklärt
Knabe: »Stasi-Gesetz mit Webfehlern« – 1,5 Milliarden ausgegeben

Das Erbe der Stasi ist immer noch nicht ganz überwunden, erläutert der Historiker und Leiter der Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen, Dr. Hubertus Knabe, im Interview mit Konrad Badenheuer.

PAZ: Kürzlich sind wieder frühere Stasi-Spitzel bei einer Berliner Zeitung aufgeflogen. Warum erst jetzt?

Knabe: Wir haben die Überprüfung auf eine frühere Stasi-Tätigkeit in Deutschland in einem Gesetz geregelt, das viele Webfehler hat. Dazu gehört, daß die Medien nicht berücksichtigt wurden, obwohl sie in der Demokratie besonders wichtig sind. Auch in anderen Bereichen wurden die konspirativen Netze des MfS nicht offengelegt. So kommt es, daß wir inzwischen über 1,5 Milliarden Euro für die Stasi-Unterlagenbehörde ausgegeben haben und immer noch nicht wissen, wer in Deutschland für die Stasi gearbeitet hat.

PAZ: Wie ist das möglich?

Knabe: Nur ausgewählte Arbeitgeber dürfen überhaupt Überprüfungen vornehmen lassen. Diejenigen, die das Recht dazu hatten, haben dies zudem sehr lückenhaft genutzt. Und wenn sie fündig wurden, haben sie sehr halbherzig entlassen. Inzwischen hat der Bundestag die Überprüfungsmöglichkeiten drastisch eingeschränkt.

PAZ: Haben die Stasi-Mitarbeiter im Westen nicht besonders unmoralisch gehandelt?

Knabe: Ihr Handeln wiegt in der Tat schwerer, und es ist erstaunlich, daß es so wenig Aufmerkamkeit findet. Im We-sten erfolgte die Stasi-Mitarbeit freiwillig und nicht unter dem Druck einer Diktatur. Daß ein ehemaliger West-IM für die Linke im Bundestag sitzt, zeigt, wie lax mit ihnen umgegangen wurde.

PAZ: Weil die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA), der Auslandsnachrichtendienst der DDR, unter der Leitung von Markus Wolff ihre Akten vernichtete?

Knabe: Das ist einer der Gründe. Aber es gibt immerhin die Personenkartei der HVA – die „Rosenholz“-Unterlagen – und es gibt die „Sira“-Datenbank, in der die Berichte der westdeutschen Agenten verzeichnet wurden. Außerdem haben mehr Akten überlebt, als anfangs angenommen.

PAZ: Wäre damit das Netz der HVA nicht leicht zu enttarnen?

Knabe: Vieles könnte tatsächlich aufgeklärt werden, aber das Interesse daran ist nicht besonders groß. Die Unterlagen werden nur spärlich herausgegeben. Ich selbst habe schon vor Jahren die Papiere zu allen HVA-Agenten angefordert, die mindestens zehn Berichte über die SPD geliefert hatten. Bekommen habe ich nur einen Bruchteil – in der Regel zu Fällen, die schon altbekannt waren.

PAZ: Darf die Stasi-Unterlagenbehörde überhaupt in dieser Weise mauern?

Knabe: Die Behörde argumentiert, sie dürfe nur die Namen derjenigen nennen, die „wissentlich und willentlich“ mit der Stasi kooperiert haben. Um das nachzuweisen, müßte der jeweilige Fall aber erst genau untersucht werden. Die Zurückhaltung ist immer dann besonders groß, wenn es sich um lebende Zeitgenossen aus der alten Bundesrepublik handelt. Im Ergebnis bleibt das Agentennetz der Stasi größtenteils weiter geheim.


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