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04.10.08 / »Schwieriger gewordene Welt« / Weltweite Sorge nach Platzen des 700-Milliarden-Pakets – Auch deutsche Hypo Real Estate in der Krise

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-08 vom 04. Oktober 2008

»Schwieriger gewordene Welt«
Weltweite Sorge nach Platzen des 700-Milliarden-Pakets – Auch deutsche Hypo Real Estate in der Krise

Die Welt ist besorgt, wie die USA mit der schwersten Finanzkrise der neueren Wirtschaftsgeschichte umgehen. Wider Erwarten hat der Kongreß das 700-Milliarden-Rettungsprogramm vorerst verworfen. Politiker und Anleger in aller Welt reagierten fast schockiert.

Acht Tage lang hatten US-amerikanische Politiker über das gewaltige Rettungsprogramm gepokert, dann kam es am Montag im Repräsentantenhaus zur Entscheidung. Selten hatten die Broker an der Wall Street sich so sehr für eine Parlamentsabstimmung interessiert – hatten doch die Finanzmärkte jahrelang eine Art Eigenleben geführt und oft genug den politisch Verantwortlichen sogar Vorgaben machen können. Doch nach der gewaltigsten Fehlspekulation der Bankengeschichte steht den früheren Lichtgestalten des amerikanischen Traums das Wasser bis zum Hals. Zehntausende Spitzenverdiener der Bankenbranche mußten ihre Büros bereits räumen, viele weitere dürften folgen.

Noch viel schwerer wiegt, daß der Niedergang dieser Branche die ganze US-Volkswirtschaft in die Krise reißen könnte. Die Meldung vom Scheitern des Rettungspakets im Kongreß führte denn auch zu einem Kurseinbruch des Dow Jones um glatte sieben Prozent.

Allerdings wird in den USA  intensiv weiter über ein Rettungspaket für die angeschlagene Finanzbranche verhandelt. Denn ließe der Staat serienweise weitere Banken kollabieren, was rein ordnungspolitisch gesehen konsequent wäre, dann droht eine schwere Rezession mit allen ihren Folgen. In durchaus ungewöhnlicher Weise haben darum deutsche Politiker die Entscheidung des US-Parlaments kritisiert und verlangt, das gewaltige Paket doch noch auf den Weg zu bringen. Man sei nach der „Nacht von Washington“ in einer „schwieriger gewordenen Welt“ ließ SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier große Besorgnis erkennen.

Der Außenminister nannte das 700 Milliarden Dollar umfassende Rettungspaket einen „ersten Baustein“ für eine Lösung der Probleme auf dem amerikanischen Finanzmarkt. Sollte es nicht zustande kommen, „dann fehlt uns der erste Baustein, auf den wir eigentlich international jetzt bald aufbauen wollen“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von der „unglaublich wichtigen Bedeutung“, die das Rettungspaket für Wirtschaft und Bürger habe, um Vertrauen zu  bilden. In sehr ungewöhnlicher Weise forderte sie von den USA die Verabschiedung des Hilfspakets für die Finanzbranche noch in dieser Woche.

Das Drängen deutscher Politiker kommt nicht von ungefähr. Längst geht es auch in Deutschland um mehr als nur die Verhinderung tiefer Schrammen für die Konjunktur. Mit der Krise bei der Hypo Real Estate (HRE) ist nämlich nun erstmals auch ein deutscher Dax-Wert infolge der Bankenkrise ins Wanken gekommen.

Obwohl nicht überschuldet, entzogen viele Geschäftspartner dem Immobilienfinanzierer plötzlich das Vertrauen. Zu Wochenbeginn verlor die HRE-Aktie zeitweilig 74 Prozent ihres Wertes, nur eine Bürgschaft von 35 Milliarden Euro verhinderte das schnelle Aus des Münchner Geldhauses. Von dieser enormen Summe (zum Vergleich: das hoch verschuldete Land Schleswig-Holstein hat in Jahrzehnten einen Schuldenberg von „nur“ 20 Milliarden Euro aufgehäuft) sollen 26,5 Milliarden auf den Bund entfallen, der Rest auf die privaten Banken.

Unionspolitiker betonen allerdings, daß „auch wieder Geld an den Bund zurückfließen“ müsse, sobald sich die Situation entspanne.

Was die weitere Entwicklung der Krise angeht, so hängt nach Einschätzung von Experten nun sehr viel davon ab, ob und in welcher Form das große Rettungspaket in den USA doch noch zustande kommt. Sollte es ganz Scheitern, sind die Auswirkungen kaum überschaubar.

Fragt man nach den mittelfristigen Perspektiven, so geben die Finanzmärkte selbst einen interessanten Hinweis auf die weitere Entwicklung. Nach dem Platzen von Bushs Rettungsplan am Montagabend zeigten die Preise von Gold und Öl eine eher ungewöhnliche Entwicklung in unterschiedliche Richtungen. Sonst laufen die Preise dieser beiden Rohstoffe meist parallel, doch in dieser Situation sank der Ölpreis kräftig um fast zehn Dollar pro Faß, während gleichzeitig der Goldpreis anzog. Diese ungewöhnliche Spreizung offenbart düstere Erwartungen der Investoren: Sie rechnen offenbar mit einer spürbaren Abkühlung der Weltkonjunktur (anders sind sinkende Ölpreise nicht zu bekommen) bei gleichzeitig anziehender Inflation (wogegen Goldkäufe einen gewissen Schutz darstellen).

Diese ungute Kombination ist selten, aber seit den 70er Jahren als „Stagflation“ bekannt und vielfach beschrieben worden. Die USA müssen sich nun offenbar auf etwas Ähnliches einstellen: Einen Rückgang der Binnennachfrage, weil der Verfall von Hauspreisen und Aktienkursen die Verbraucher ärmer macht, zugleich aber dennoch längerfristig steigende Preise, weil die Geldmenge seit Jahren aus dem Ruder gelaufen ist. Früher oder später dürfte der inflationäre Druck dann auch in den USA wieder zu höheren Immobilienpreisen führen. Bis es allerdings so weit ist, könnten viele Banken kollabiert sein – oder das 700-Milliarden-Paket erlaubt es den Zockern, ihren Kopf auf Kosten der Allgemeinheit aus der Schlinge zu ziehen.    Konrad Badenheuer

Foto: Krise in der Krise: Der US-Kongreß hat „Rettungspaket“ von US-Präsident George W. Bush verworfen. Der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain sowie John A. Boehner, Nancy Pelosi und Harry Reid (v.L.) sind ratlos.


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