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11.10.08 / Wohltaten und ein bißchen Sicherheit / Kindergeld und Wohngeld werden erhöht – Beim Thema Terrorabwehr lenkt die SPD überraschend ein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-08 vom 11. Oktober 2008

Wohltaten und ein bißchen Sicherheit
Kindergeld und Wohngeld werden erhöht – Beim Thema Terrorabwehr lenkt die SPD überraschend ein

Ein Jahr vor der Bundestagswahl hat die Bundesregierung eine Reihe sozialer Wohltaten beschlossen. Angeblich sei dank Privatisierungserlösen der für 2011 anvisierte schuldenfreie Bundeshaushalt nicht gefährdet. Auch in der lange umstrittenen Frage von Antiterror-Einsätzen der Bundeswehr im Innern gelang eine Einigung. Aber noch bleibt viel zu tun.

Viele Bürger legen die Finanzmarktkrise nicht nur gierigen Bankmanagern zur Last. Auch die Politik steht am Pranger. Sie hat es in den Augen vieler Bürger jahrelang versäumt, mit stärkerer Regulierung den Kapriolen Einhalt zu gebieten. Vor diesem Hintergrund wirkte das vom Koalitionsausschuß verkündigte Maßnahmenbündel wie ein Abwehrprogramm gegen Politikverdruß. „Weniger Steuern, Abgaben stabilisiert und mehr Leistungen für die Familien“, jubelte deshalb Erwin Huber. Als scheidender CSU-Chef nahm er wohl letztmalig an der Sitzung des Koalitionsausschusses im Kanzleramt teil.

Tatsächlich dürfte die Finanzmarktkrise die verfrühten Wahlkampfgelüste einiger Strategen vor allem in der SPD begrenzt haben. Die Devise lautete: Entscheidungsfreude ist die beste Wählerwerbung. Immerhin hatte der Koalitionsausschuß als oberstes Koordinierungsorgan der Großen Koalition seit gut vier Monaten nicht mehr getagt, obwohl der Koalitionsvertrag mindestens monatliche Sitzungen vorsieht. Diese Selbstblockade hat kaum ein nennenswertes Politikthema entscheidungsreif werden lassen. Nach geschlagener Schlacht in Bayern und unter dem Eindruck der Bankenkrise fanden sich Union und SPD dann aber als entschlußfreudige „Krisen-Bruderschaft“ zusammen.

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) ging es vor allem darum, den einheitlichen Krankenkassenbeitrag von 15,5 Prozent auch gegen den Widerstand der Kassen mit bislang niedrigeren Beitragssätzen durchzusetzen. Derzeit liegt der durchschnittliche Satz bei 14,92 Prozent. Die Kritik der FDP-Opposition konzentrierte sich auf diesen Punkt.

Die weiteren Wünsche der SPD betrafen eher randständige Themen: Rückwirkend ab Oktober 2008 erhalten Wohngeldbezieher durchschnittlich 50 Euro mehr sowie einen höheren Heizkostenzuschlag. Die Große Koalition will außerdem Kinder von Hartz-IV-Empfängern jeweils zu Schulbeginn mit 100 Euro unterstützen. Arbeitslose Schulabbrecher sollen mit Hilfe der Bundesagentur für Arbeit den Hauptschulabschluß leichter nachholen können.

Die Unionsparteien setzten sich hingegen mit zentraleren Forderungen durch: Ab 2010 können alle Versicherten die Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherung steuerlich absetzen. Schon für 2009 will die Große Koalition die Abzugsfähigkeit von haushaltsnahen Dienstleistungen verbessern. Der schwarz-rote Gipfel einigte sich zudem auf eine Anhebung des Kindergeldes ab Januar 2009. Zehn Euro mehr pro Monat gibt es dann für das erste und zweite Kind. Ab dem dritten Kind beträgt die Erhöhung 16 Euro pro Monat. Auch der Kinderfreibetrag wird um knapp 200 auf 6000 Euro angehoben, trotz der jüngst geäußerten Kritik von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD). Dessen Anwesenheit beim Koalitionsgipfel tat der Ausgabenfreude offenbar keinen Abbruch.

Parallel zum sozialpolitischen Geldsegen gelang es außerdem, eine besonders hartnäckige Kuh vom Eis zu holen. Bereits seit Jahren sind die Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Innern ein Zankapfel von Unionsparteien und Sozialdemokraten. Nunmehr verständigte sich die Koalitionsspitze darauf, durch eine Grundgesetzänderung Inlandseinsätze der Bundeswehr auch zum Zwecke der Terrorabwehr in begrenztem Umfang zu ermöglichen.

Der Erfolg vom Wochenende beflügelte die Großkoalitionäre zunächst nicht beim Thema Erbschaftsteuer. Hauptkonfliktpunkt bleibt die Haltefrist für die steuerfreie Vererbung eines Unternehmens. Bringt die Große Koalition bis Ende des Jahres keine Reform zustande, die den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts genügt, entfällt die Erbschaftsbesteuerung ersatzlos und die Bundesländern verlieren Einnahmen von rund vier Milliarden Euro im Jahr.

Auf die Große Koalition warten aber noch weitere Aufgaben. Beobachter sind gespannt, ob SPD-Fraktionschef Struck die Reform der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern – genannt Föderalismusreform II – wie angekündigt bis Mitte Oktober zusammen mit Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) neu regeln kann. Umstritten ist vor allem die Begrenzung der öffentlichen Neuverschuldung.           Jost Vielhaber

Foto: Die erste Kabinettssitzung nach dem Treffen des Koalitionsausschusses: Nun geht es an die Umsetzung der Beschlüsse.     


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