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11.10.08 / Iran-Konflikt vor der Entscheidung / Teheran nähert sich rasch der Atombombe – Luftangriffe Israels im November? – Putins Kalkül

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-08 vom 11. Oktober 2008

Iran-Konflikt vor der Entscheidung
Teheran nähert sich rasch der Atombombe – Luftangriffe Israels im November? – Putins Kalkül

Der Konflikt um das iranische Atomprogramm läuft auf eine Entscheidung zu. Israel wartet auf den richtigen Moment für Luftangriffe. Der könnte nach der US-Präsidentenwahl am 4. November, aber noch in der Amtszeit von George Bush gekommen sein. Moskau hat gute Gründe, stillzuhalten und dabei geschickt eigene Interessen zu verfolgen. 

„Unter keinen Umständen werden wir einem Feind erlauben, Massenvernichtungswaffen gegen unser Volk zu entwickeln.“ Mit diesen Worten begründete Israel im Juni 1981 die Zerstörung des irakischen Reaktors, in dem Saddam Hussein Atombomben entwickeln ließ. Heute, 27 Jahre später, ist die nukleare Bedrohung Israels eher noch größer. Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat öffentlich das Existenzrecht des jüdischen Staates in Frage gestellt. Sein Atomprogramm zielt auch nach Einschätzung der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien auf die Entwicklung von Nuklearwaffen ab. Trotzdem fiel die neueste UN-Resolution zu diesem Thema äußerst zurückhaltend aus. Das von der „Sechsergruppe“ der fünf UN-Vetomächte plus Deutschland formulierte Dokument bekräftigt lediglich den status quo, man wolle weiter verhandeln. Weitere Sanktionen wurden nicht beschlossen.

In der Sache selbst aber wächst die Dringlichkeit zu Handeln oder zu Ergebnissen zu kommen. Das weiß man auch in der Sechser-gruppe. Denn der Chef des israelischen Militärgeheimdienstes, Brigadegeneral Jossi Baidatz, hat seiner Regierung erst vor wenigen Tagen Bericht erstattet über den Stand der Nuklearentwicklung im Iran. Demnach konzentriert Teheran seine Anstrengungen auf eine beschleunigte und verbesserte Anreicherung von Uran, was auch die Internationale Atomenergiebehörde in Wien bestätige. „Der Iran galoppiert in Richtung Atombombe“, soll Baidatz wörtlich gesagt haben. Allein seit Anfang 2008 habe die Islamische Republik mehr als 4000 neue Zentrifugen in Betrieb genommen, und zwar in der Nähe der Stadt Kaschan, eine am Rande der Wüste gelegene Oasenstadt in der Provinz Isfahan mit rund 300000 Einwohnern. Dort würden über viele kleine Einheiten verteilt pro Stunde 60 Gramm UF-6-Gas produziert, ein Gas, das man nur zur Produktion von angereichertem Uran für militärische Zwecke brauche. Nach israelischen Erkenntnissen haben die Iraner inzwischen 480 Kilo angereicherten Urans produziert, fast die Hälfte der für den Bau der Bombe erforderlichen Menge. In einigen Monaten hätte man die angestrebte Menge zusammen. Deshalb, so die Einschätzung Israels, spiele das Re-gime auf Zeit. Der Ex-Generalsstabschef der israelischen Armee, Moshe Yaalon, gab denn auch öffentlich seiner Überzeugung Ausdruck, daß „Israel einer Konfrontation mit dem Iran nicht mehr ausweichen kann“. Man müsse die Weltöffentlichkeit vor der iranischen Führung warnen.

Angesichts der Finanzkrise in den USA geht man in Jerusalem davon aus, daß Israel den ersten Schlag alleine führen müsse, daß die USA aber unweigerlich in den Konflikt hineingezogen würden, weil Teheran als Vergeltung sofort die amerikanischen Stützpunkte in der Region angreifen werde. Damit habe Achmadinedschad gedroht, und dies sei ernst zu nehmen. In Israel bereitet man sich offenbar auf die Konfrontation vor. Die israelische Armee sei, so heißt es, vorbereitet auf eine zwei- bis dreiwöchige Aktion der Luftwaffe, die von Stützpunkten im Grenzgebiet zum Iran gestartet würde und erst beendet werde, wenn Konstruktions- und Forschungsanlagen der iranischen Nuklearindustrie sowie die entsprechenden Raketenbasen so zerstört seien, daß an einen Bau der Bombe oder selbst Vergeltungsschläge mit konventionell bestückten Raketen nicht mehr zu denken sei.

Es war demnach kein Zufall, daß die Ausführungen von Brigadegeneral Baidatz dem Kabinett am Tag der Rücktrittserklärung von Premier Olmert vorgetragen wurden. Das Thema Iran steht Informationen zufolge im Mittelpunkt bei den Gesprächen zur Bildung einer neuen Regierung. Die künftige Premierministerin Tsipi Livni wird sich die Kompetenzen mit dem (Labour-)Verteidigungsminister und stellvertretendem Regierungschef Ehud Barak teilen, sofern die Parteien mitziehen. Demnach würde sich Livni um die internen Angelegenheiten kümmern, Barak um die strategischen Fragen, sprich den Einsatz gegen den Iran. Ohne eine breite Mehrheit aber, das heißt eine Regierung der nationalen Einheit, gilt ein Schlag gegen den Iran als politisch nicht durchsetzbar. Sollte, so ist in Jerusalem zu hören, bis zum 3. November keine Einigung erzielt worden sein, wird es Neuwahlen geben – und vorerst keinen Schlag gegen den Iran, mit allen Unwägbarkeiten für die Region.

Diese Unwägbarkeiten haben offenbar auch Moskau bewegt, Israel indirekt unter Handlungsdruck zu setzen. Auch der Kreml wünscht sich keine Atombombe im Nachbarland. Aber angesichts der Finanzkrise sieht man nur Israel als möglichen Auslöser für einen Schlag gegen den Iran. So direkt kann das in Moskau niemand sagen, aber indem Rußland nun jede weitere Sanktion gegen das Regime in Teheran unterbunden hat, drängt es Israel indirekt zum Handeln. Ein Schlag gegen die Nuklearkapazität des Iran hätte für Rußland in der Tat nur Vorteile.

Zum einen könnte man mit lautem Protest nicht nur den Iran für sich – und für ein künftiges Gaskartell – gewinnen. Zum zweiten könnte Moskau dadurch antiamerikanische Stimmungen in der Welt anheizen, mithin einen Keil zwischen Europäer und die USA treiben und sich so auch aus der Isolation durch den Georgienfeldzug befreien. Rußland würde dabei geradezu zum Sammlungspol der antiamerikanischen Kräfte und zum Widerpart Amerikas – eine Wunschvorstellung Putins.

Ferner würde man drittens von der zu erwartenden Preisexplosion bei Öl und Gas profitieren und schließlich wäre Rußland viertens von der Gefahr eines mit Atombomben bewaffneten Regimes in unmittelbarer Nachbarschaft befreit. Rußland profitiert also erheblich, aber es ist ein Spiel mit hohem Risiko, so wie Putin es liebt und – mit unterschiedlichem Erfolg – mehrfach gespielt hat.

Washington hatte Jerusalem gebeten, sämtliche Sanktionsmöglichkeiten ausschöpfen zu lassen, bevor man sich an militärische Optionen mache. Dem hat die israelische Regierung zugestimmt und ist nun mit der Verweigerungshaltung Rußlands im Kreis der Fünf-plus-Eins-Staaten, die das Iran-Problem lösen sollen, vor die Entscheidung gestellt. Sollte eine neue Regierung der nationalen Einheit zustande kommen, dürfte der Schlag im November, also nach den Wahlen in den USA am 4. November, aber noch in der Amtszeit von Bush, erfolgen. Die Folgen sind kaum abzuschätzen. In Zeiten einer ebenfalls in ihren Folgen noch unwägbaren internationalen Finanzkrise sind das keine rosigen Aussichten.            Jürgen Liminski

Foto: 20 Jahre Atomforschung im Iran: Präsident Achmadinedschad geht es nicht nur um die Kernenergie, er greift nach der Atombombe.


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