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11.10.08 / Finanzkrise vor der Entscheidung / Das derzeitige Tempo der Bankenkrise kann nicht lange weitergehen – Zwei mögliche Entwicklungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-08 vom 11. Oktober 2008

Finanzkrise vor der Entscheidung
Das derzeitige Tempo der Bankenkrise kann nicht lange weitergehen – Zwei mögliche Entwicklungen

Seit 15 Monaten schwelt die Krise, die als „US-Hypothekenkrise“ begann und heute die Stabilität des Weltfinanzsystems gefährdet. Noch ist kein Ende absehbar, sicher ist nur: Das derzeitige Tempo der Eskalation kann nicht von Dauer sein.

Die Bankenkrise hat etwas Gespenstisches: Wer soll auch eine Krise verstehen, an deren Ursprung Finanzprodukte stehen, von denen selbst Investmentbanker mit entwaffnender Direktheit sagen, sie verstünden sie selber nicht? Daß solche Äußerungen nicht nur Koketterie oder Ablenkung sind, zeigen die Probleme der Banken und Wirtschaftsprüfer, solide Bilanzen zu erstellen. Große Geldhäuser haben milliardenschwere Positionen in ihren Büchern, die sogar noch stärker schwanken als die Börsen. Hebeleffekte können dazu führen, daß ein Anlageprodukt, das ursprünglich auf einer stinknormalen Hypothek basierte, Kursausschläge wie ein Optionsschein produziert.

Der Skandal ist nicht, daß solche Produkte existieren. Ein Skandal ist allerdings, daß renommierte Kreditinstitute, bei denen Durchschnittsbürger ihre Spargroschen deponieren und Mittelständler Kredite aufnehmen, Milliardensummen in solche Papiere gesteckt haben. Kurzfristige Gewinne haben gelockt, der Hunger kam mit dem Essen, die Aufsicht schlief tief und fest oder wurde womöglich auch eingeschläfert – der Rest ist bekannt.

Noch gibt es nicht den gefürchteten Dominoeffekt, bei dem eine Bankenpleite unmittelbar die nächste zur Folge hat. Aber es gibt bereits ähnliche Effekte. Beispielsweise hat die von Bundeskanzlerin Angela Merkel einseitig ausgesprochene, in der Höhe nicht begrenzte Garantie für Sparguthaben und Sichteinlagen neue Geldströme ausgelöst – von unsicheren Anlagen in sichere, aus dem Ausland nach Deutschland. Andere Länder in Europa waren in kürzester Zeit zum Nachziehen gezwungen.

Nun sollen solche Guthaben also europaweit staatlich garantiert werden, nur fragen sich viele, ob eine solche Garantie überhaupt valide ist. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sprach hier mit Blick auf Irland von einem Regenschirm, der so groß ist, daß er – wie der Fliegende Robert bei Wilhelm Busch – den Träger beim nächsten Windstoß vom Boden hebt.

Zuletzt hat sich deswegen eine neue Linie abgezeichnet: Während die deutsche Bundesregierung und weitere europäische Regierungen gefährdete Banken bisher nur von Fall zu Fall retten wollten, zeichnete sich zuletzt eine Art europaweite Garantie für alle größeren Banken ab.

Vielleicht ist ein solcher Schritt notwendig, um Märkte, die sich am Rand der Panik bewegen, zu beruhigen. Allerdings besticht dieses Versprechen durch seine Unbestimmtheit und seine ordnungspolitische Schrankenlosigkeit: Denn was ist ein „systemrelevantes Finanzinsitut“, für deren Überleben sich die EU nun verbürgen will? Wenn nur das Überleben garantiert wird, welche Verluste sollen im Falle einer neuerlichen Krise eines Geldhauses von wem getragen werden? Wie verträgt sich eine solche pauschale Garantie mit dem Prinzip der unternehmerischen Verantwortlichkeit? Die bitteren Warnungen, daß die teilweise phantastischen Gewinne der vergangenen Jahre im Bankenbereich privat bleiben (Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann kündigte 25 Prozent Eigenkapitalrentabilität an, schaffte dann aber in der Spitze sogar 41 Prozent), aber nun die Verluste verstaatlicht werden, sind bereits wahr geworden. Mit der neuen Zusage wird sich die Verlagerung riesiger Verluste auf die Allgemeinheit noch ausweiten.

Fragt man nach der weiteren Perspektive, dann zeichnen sich zwei mögliche Entwicklungen ab: Der ungünstigste Fall ist natürlich derjenige, daß alle Garantieerklärungen der Politik und alle Rettungsaktionen letztlich erfolglos bleiben und es doch zu der gefürchteten Kettenreaktion kommt. Die Folgen wären in der Tat unüberschaubar, von einer tiefen und lang anhaltenden Rezession über soziale Erschütterungen bis zu inflationären Szenarien wäre dann fast alles denkbar.

Das kleinere Übel wäre, daß sich die Lage an den Finanzmärkten wieder beruhigt, daß der völlig ausgetrocknete Geldhandel zwischen den Banken wieder in Gang kommt und auch die Konjunktur wieder Tritt faßt. Selbst in diesem Falle wäre aber noch damit zu rechnen, daß auf Jahre hinaus einzelne Banken Probleme bekommen, weil einfach zu viele schwer bewertbare „Wertpapiere“ in den Bilanzen stecken, Papiere, die beispielsweise mit einem (durchaus möglichen) weiteren Rückgang der US-Immobilienpreise leicht in die Tiefe gerissen werden. Die Normalität würde in diesem Szenario darin bestehen, daß im Falle einer solchen Schieflage gesunde Institute die angeschlagenen übernehmen, ohne daß Rettungsaktionen von staatlicher Seite notwendig werden.

Massive Umverteilungswirkungen sind in beiden Fällen sicher zu erwarten, denn verlorenes Geld ist selten wirklich „weg“.  Zwar lösen sich reine Buchwerte auch einmal in Nichts auf – etwa wenn eine Börsenspekulation platzt – aber meistens hat das vermeintlich verschwundene Geld schlicht den Eigentümer gewechselt. Noch ist schwer absehbar, wer zu den Gewinnern der gigantischen Finanzkrise gehört. Mit Schulden für eine Immobilie lebt es sich derzeit aber gut.

Aber auch in den momentanen Turbulenzen gibt es Lichtblicke für die soliden Teile der Volkswirtschaft: Der stark gefallene Ölpreis entlastet die deutsche Wirtschaft deutlich – Verbraucher ebenso wie Unternehmen. Der deutlich niedrigere Eurokurs fördert außerdem den Export.

Konrad Badenheuer

Foto: Suche nach dem Notausgang: Es geht nicht mehr nur um einzelne Banken, sondern um das ganze Finanzsystem.


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