24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
11.10.08 / Mit dem Aufschwung in Europa ist es vorbei / »Minuswachstum« in Frankreich, Dänemark und Irland – Großbritannien, Italien und Spanien am Rand der Rezession

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-08 vom 11. Oktober 2008

Mit dem Aufschwung in Europa ist es vorbei
»Minuswachstum« in Frankreich, Dänemark und Irland – Großbritannien, Italien und Spanien am Rand der Rezession

Wie eine rabenschwarze Wolkenwand zieht die Finanzmarktkrise in die Realwirtschaft auf Deutschland zu. Das böse Wort Rezession macht die Runde. Noch gibt sich ein Großteil der deutschen Unternehmen verhalten optimistisch: Laut Studien klagen bislang nur wenige Betriebe darüber, daß Kredite schwerer zu bekommen seien. Auch die Auftragsbücher seien nach wie vor voll, heißt es aus deutschen Chefetagen.

Die Politik senkt zwar ihre Wachstumsprognosen, doch von einer Rezession, einer Schrumpfung der Wirtschaftsleistung, geht die Bundesregierung weder für das laufende noch für das kommende Jahr aus. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute geben ihr da bislang recht.

Doch Optimismus kann in derart turbulenten Tagen wie diesen allerdings schnell kippen. Noch Mitte September gab sich Jean-Claude Juncker, Chef der Euro-Gruppe und Luxemburgs europaweit angesehener Ministerpräsident, zuversichtlich, daß Europa weder eine Rezession drohe noch daß mit den USA vergleichbare Rettungspakete für den Bankensektor nötig wären. Auch ein drastischer Abbau von Arbeitsplätzen sei in der Europäischen Union nicht zu befürchten. Zwei Wochen später hätte er diese zukunftsfrohen Sätze gewiß nicht wiederholen mögen.

In schneller Folge endet bei Deutschlands Nachbarn der Aufschwung. Als erstes EU-Land meldete das jahrelang florierende Dänemark, daß seine Wirtschaft im zweiten und dritten Quartal 2008 geschrumpft sei. Nach zwei Quartalen Schrumpfung sprechen Ökonomen von Rezession.

Kurz darauf folgte Irland. Die erfolgsverwöhnte Insel trug seit den frühen 90er Jahren den Beinamen „Keltischer Tiger“. Mit viel EU-Beihilfe und eigener Arbeit war es dem einst armen Land gelungen, ähnlich den ostasiatischen „Tigerstaaten“ wie Korea oder Taiwan steil aufzusteigen. Seit 25 Jahren kannten die Iren keine Rezession mehr, noch 2007 verzeichneten sie ein Wachstum von 4,9 Prozent. Jetzt folgt ein harter Absturz.

Ähnlich geht es den Spaniern: Von EU-Beihilfen gepuscht lebten die Iberer seit Mitte der 90er in einem Daueraufschwung. Er mündete in eine gewaltige Immobilienblase, aus der nun seit vergangenem Spätsommer die Luft entweicht.

Zwar meidet Madrid das Wort Rezession noch immer wie die Pest und beschwört den Fortgang eines, wenn auch minimalen, Wachstums. Doch angesichts explodierender Arbeitslosenzahlen mag das kaum noch jemand glauben. Die Erwerbslosenrate stieg von September 2007 bis September 2008 von 8,3 auf 11,3 Prozent.

Der Niedergang hat selbst die einstigen Wachstums-Musterschüler in der östlichen EU erreicht. Beispiel Estland: Der Superstar unter den einst kommunistisch beherrschten Reformländern, der vergangenes Jahr noch sieben Prozent Wirtschaftswachstum hinlegte, fiel  besonders tief. Allein im zweiten Quartal sank die Wirtschaftsleistung um rabiate 1,4 Prozent.

Die Volkswirtschaften Italiens und Portugals stottern bereits seit Jahresbeginn am Rande der Stagnation. Der Abstieg in die Rezession scheint auch hier unausweichlich.

Ende vergangener Woche meldete Deutschlands wichtigster Handelspartner Frankreich einen Rückgang seiner Wirtschaftsleistung im zweiten und dritten Quartal und sagte eine weitere Schrumpfung für das vierte voraus.

Schließlich Großbritannien: Noch prophezeit das Londoner Wirtschaftsministerium ein Wachstum von 1,4 Prozent für das laufende Jahr. Doch wie Umfragen in der vergangenen Woche offenlegten, warnen mittlerweile Manager sowohl der Industrie wie der Bauwirtschaft als auch des Dienstleistungssektors vor einer unmittelbar bevorstehenden Rezession.

Zum Dienstleistungssektor zählt auch das in Großbritannien besonders stark entwickelte Finanzwesen. Jüngsten Untersuchungen zufolge stehen hier aufgrund der Bankenkrise 110000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Doch damit längst nicht genug: Laut Schätzungen hängen an jedem der meist sehr gut bezahlten Arbeitsplätze in der Finanzwelt rund sieben weitere Jobs – nämlich die von Restaurantbetreibern, Schneidern, Immobilien- und Autohändlern oder ähnlichen Berufen, die bislang von den reichlichen Ausgaben der Finanzjongleure gut leben konnten.

Da sich die Konjunkturaussichten auch bei wichtigen Abnehmerländern deutscher Waren außerhalb der EU wie den USA, Japan, Rußland oder China eintrüben, wird es dem Exportweltmeister Deutschland zunehmend schwerer fallen, seine noch recht stabilen Wirtschaftszahlen zu halten. Hans Heckel


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren