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18.10.08 / Das europäische »Wehepaar« / Das deutsch-französische Verhältnis kriselt vom Kopf her: Merkel und Sarkozy mögen sich nicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-08 vom 18. Oktober 2008

Das europäische »Wehepaar«
Das deutsch-französische Verhältnis kriselt vom Kopf her: Merkel und Sarkozy mögen sich nicht

Diplomatische Floskeln vermögen manches zu bemänteln, aber daß die Chemie zwischen dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und Kanzlerin Angela Merkel nicht stimmt, ist unübersehbar. Französische Medien laben sich an kleinen Indiskretionen über das komplizierte Gespann.

Seit Jahrzehnten krächzt es im deutsch-französischen Gebälk. Ein „Wehepaar“ ... So lautete vor vielen Jahren der Titel eines Buches über die deutsch-französischen Beziehungen. Aber mit dem ungleichen Paar Angela und Nicolas steuern die Streitigkeiten angeblich auf einen noch nie erreichten Höhepunkt, den man im privaten Bereich als Ehekrach bezeichnen würde. Das liefert natürlich Stoff für Klatschkolumnen. Kaum eine Woche vergeht, ohne daß ihre Spalten von Mißverständnissen und Mißstimmungen berichten. Manches wird frei erfunden. Es sieht auch so aus, als ob die französischen Journalisten den deutschen Kollegen, die ein Jahr lang „Sarkozy-Bashing“ getrieben haben, Gleiches mit Gleichem vergelten wollten.

Man könnte sich an dieser Komödie ergötzen, wenn die Weltlage drum herum nicht so angespannt wäre. Ohne das Paris-Berlin-Team kommt Europa nicht voran. Daher verdient die Stimmungslage zwischen der Kanzlerin und dem Präsidenten unsere Aufmerksamkeit. Ist etwas an der Abkühlung ihres Verhältnisses dran? Wird es sich auf die Politik auswirken? Die Gerüchteküche ist sehr produktiv. Angela schmollt und zieht sich in ihre Schale zurück. Nicolas neckt sie um so mehr. Ist seine Frechheit bewußt? Absichtlich? Spontan, wie er ist, paßt Sarkozy bestimmt nicht in das Raster der norddeutschen Kultur. Floskeln, die nach französischer Art nie so gemeint sind, wie sie ausgesprochen werden, sind nicht nach dem Geschmack der Pfarrerstochter aus Templin.

Sarkozy hat außerdem die Unart, den Menschen, die er mag, auf die Schulter zu klopfen und auf der Brustseite oder im Rücken zu berühren. Beim Papst oder bei der englischen Königin hatte er davon abgesehen. Und bei der Kanzlerin? „Lassen sie ihn wissen, daß er wenigstens aufhören soll, mich zu berühren“, soll sie der deutschen Botschaft in Paris mitgeteilt haben, offenbarte neulich „Le Journal du Dimanche“. Angela Merkel bemüht sich schon, Humor an den Tag zu legen. So schenkte sie ihm einen schönen Kugelschreiber, nachdem bekannt geworden war, daß er in einem Hotel einen geklaut hatte. Seine Liebeserklärung „ex cathedra“ in Aachen bei der Verleihung des Karlpreises hat sie mit einem Lächeln quittiert. Ein bißchen verletzend war es jedoch, als er ihren Mann, den Prof. Dr. Joachim Sauer mit einem „Herr Merkel“ ansprach. Wenn Sarkozy immer wieder respektlos aus der Hüfte schießt und wie ein Wasserfall redet, wird sie schon nervös. So fiel es mehreren französischen Kollegen auf, daß sie ihn einmal in der Öffentlichkeit unterbrach, auf den Tisch klopfte und etwas barsch „Zur Sache, Nicolas“ mahnte. Das empfanden französische Medien als üble deutsche Belehrung.

Die Ignoranz in der Umgebung des Präsidenten bezüglich Deutschlands spricht Bände. Hat der Präsident außer dem Allesbesserwisser Alexandre Adler einen einzigen     Berater, der Deutschland versteht? Wer im Elysée-Palast spricht denn Deutsch, wer lebte und    arbeitete in Deutschland? Daß der Staatspräsident und die Bundeskanzlerin dieser Tage ein De Gaulle-Adenauer-Panoptikum in Colombey gemeinsam einweihen, wird dieser Misere nicht abhelfen. Streitpunkte gab es genug: Sarkozys Traum einer EU-Wirtschaftsregierung; das schiefe Airbus-Management; der europäische Mini-Vertrag; die CO2-Drosselung beim Autoverkehr. „Der Franzose handelt nach Gusto und unvorbereitet“, vertraute ein deutscher Diplomat einer französischen Zeitung an. Aber man müßte zwischen Koch und Kellner unterscheiden. Das Auswärtige Amt schießt immer wieder gegen Sarkozy quer. Der deutsche Außenminister gehört der deutschen Schwesterpartei von Sarkozys Gegnern in Frankreich an. Das Kanzleramt müßte Sarkozy eigentlich näherstehen.

Sarkozy könnte der Kanzlerin helfen. Unter anderem auch dabei, 2009 wieder gewählt zu werden. Aber er muß es geschickter anstellen. Als er sich beim Bau des europäischen Kernreaktors EPR von Siemens trennen wollte, weil „es keinen Markt dafür in Deutschland gibt“, war sie außer sich. Dabei ist es ihr Herzenswunsch, aus dem Ausstieg aus der Kernenergie auszusteigen. Und war es denn geschickt, wenn man weiß, wie wichtig es für die Deutschen ist, die Kontrolle über ihr Geld zu behalten, im Vorfeld der Mittelmeerunion die Schaffung eines gemeinsamen EU-Mittelmeer-Investitionsfonds vorzuschlagen? Die letzte Episode spielte sich letzte Woche ab, als die französische Wirtschaftsministerin Christine Lagarde in einem „Handelsblatt“-Interview die Gründung eines europäischen Hilfsfonds für die Banken in Höhe von 300 Milliarden Euro ankündigte. Das lag zwischen Stichelei und Provokation.

Bereits am 1. Oktober nachmittags konnte die Kanzlerin diese Nachricht im Internet lesen. Ihr blieb vor Schreck das Herz stehen. Sie muß gleich zum Telefon gegriffen haben, denn Sarkozy dementierte bereits um 19.22 Uhr. Daß Finanz-Christine desavouiert wurde, war nicht so wesentlich wie Angelas Anwesenheit am

4. Oktober beim EU-Vierer-Gespräch in Paris. Die Kanzlerin soll gedroht haben, nicht zu kommen.

Die deutsch-französische Zwangsehe wird nur dann funktionieren, wenn beide die unterschiedlichen Mentalitäten und Verhaltensweisen besser kennen. Ein großes Problem besteht darin, daß Sarkozy kein Wort Deutsch kann und daß Frau Merkel die Sprache von Voltaire nicht parliert.

„Speedy Sarko“ muß auch kürzertreten. Letzten Endes hat er bisher immer nachgegeben.

Jean-Paul Picaper

Foto: Weiterhin auf Abstand: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy am vergangenen Sonntag vor dem Elyséepalast


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