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18.10.08 / Ein Leben zwischen Luxus und Guillotine / Berühmte Liebespaare der Kulturgeschichte: Ludwig XVI. und Marie Antoinette – Sieben Jahre unfreiwillig enthaltsam

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-08 vom 18. Oktober 2008

Ein Leben zwischen Luxus und Guillotine
Berühmte Liebespaare der Kulturgeschichte: Ludwig XVI. und Marie Antoinette – Sieben Jahre unfreiwillig enthaltsam

Am 16. Oktober 1793 fuhr ein Karren durch die von johlenden Revolutions-Massen gesäumten Straßen von Paris. In ihm saß mit unbeweglichem Gesichtsausdruck Marie Antoinette, Königin von Frankreich. Obwohl sie ihrem Tod auf dem Schafott entgegenfuhr, spürte sie keine Angst. Seltsame Starre empfand sie; Bewußtseinsausschaltung, die bei höchster Gefahr wirksam wird. Auf den Stufen zur Guillotine stolperte sie, streifte den Arm des Scharfrichters. „Entschuldigung, Monsieur!“ Verdattert deutete er eine Verbeugung an. Das Volk grölte. Pöbel, mag Antoinettes letzter Gedanke gewesen sein. Sie streckte sich auf den Block. Das Fallbeil schlug nieder. Vorbei...

Unter den 16 Kindern, die Kaiserin Maria Theresia geboren hatte, war Tochter Antoinette ihr Liebling. Sie durfte als „Wildfang“ aufwachsen. Besorgnis bereitete der Kaiserin die Eitelkeit und Luxussucht des zur Frau heranreifenden Mädchens. Als dann der französische Hof für den 15jährigen Dauphin Ludwig (Louis) um die Hand der 14 Jahre alten Antoinette anhielt, geriet Maria Theresia in helle Aufregung. Nie war Antoinette zur Königin, einem Dasein mit politischer und sozialer Verantwortung erzogen worden. Das mußte nun nachgeholt werden. Es konnte nicht gelingen; Antoinette widersetzte sich reglementierter Disziplin.

Eine offenherzige, nur mit geheimen Kurieren bewerksteligte Korrespondenz zwischen Mutter und Tochter begann unmittelbar nach der Hochzeit. Maria Theresia, über das Leben der Tochter in Frankreich durch einen Vertrauten detailliert unterrichtet, übte nur allzuoft Kritik.

Am 16. Mai 1770 hatte die Hochzeit in Versailles stattgefunden. König Ludwig XV. ließ sie pompös ausrichten. Die Vermählten saßen ihm zur Seite. Der Dauphin folgte seinem einzigen Interesse, viel und gut zu essen. Der König flüsterte ihm zu: „Belasten Sie Ihren Magen nicht für diese Nacht.“ Kauend erwiderte der Thronerbe: „Ich schlafe gleich ein, wenn ich richtig satt bin.“ Der König schwieg und mit ihm die Tafelgäste. Die Leibärzte vermieden Blickaustausch.

Die letzte Zeremonie war das Geleit ins Schlafzimmer. Man kleidete die Eheleute in Spitzenhemden. Dann verließ man sie. Der „Herr Gemahl“ küßte Antoinettes Hand: „Ich ziehe mich zurück, ich schlafe immer allein.“ Antoinette war von ihrer Mutter über die Hochzeitsnacht in drastischer Eindeutigkeit aufgeklärt worden. Nun fühlte sich die „Dauphine“ wie ein alleingelassenes Kind. Letztlich blieb sie das auch. Aber Mut zur Eigenständigkeit wuchs ihr zu. Sie befragte die Ärzte. Ihr wurde bedeutet, daß „die eheliche Unpäßlichkeit des Herrn Dauphin“ sich im Laufe der Zeit kurieren würde. Es dauerte sieben Jahre.

Mühsam gelang es Antoinette, die Lästerungen über das „gattenlose Ehebett“ zu ertragen. Sie gewann einige persönliche Freunde. 1774 hatten Ludwig XVI. und Antoinette die Königswürde übernommen. Doch für die Mehrheit blieb Antoinette die unbeliebte „Österreicherin“. 

Als Ehefrau hatte sie sieben Jahre Spott erlitten. Endlich, im August 1777 konnte sie ihrer Mutter mitteilen: „Ich befinde mich in dem für mein ganzes Leben größten Glück. Schon seit acht Tagen ist meine Ehe vollkommen vollzogen...“ Im April 1778 folgte die Botschaft, daß Antoinette schwanger sei.

Vier Kinder entsprossen der weiterhin „vollkommen vollzogenen Ehe“. Hatten beide sich jemals geliebt? Die Frage bleibt offen. Sie achteten und schätzten einander. Für eine Staatsverbindung war das mehr als genug.

Wenigstens einmal liebte Antoinette mit Herzenskraft – und wurde wiedergeliebt. Nie gestatteten sie und der am französischen Hof weilende Schwede Graf Axel von Fersen sich eine verräterische Geste.

Einmal verhakte sich das Armband Antoinettes in Fersens Ärmel. Gemeinsam nestelten sie es frei. Kein Wort fiel. Eine bewunderte Kunstrose schenkte er ihr. Antoinette ließ sich mit ihr malen.

Das Revolutions-Massaker trieb dem Höhepunkt zu. 1791 bot sich Fersen an, der Königsfamilie Fluchthilfe nach Varennes zu leisten. Als Kutscher verkleidet, wollte er sie in Sicherheit bringen. „Sie riskieren Ihr Leben“, wandte Antoinette ein. „Ich weiß, Majestät.“ Der Plan wurde durchgeführt. In Varennes verabschiedete Fersen sich: „Gute Fahrt, Madame. Leben Sie glücklich und lange.“

Der sechsjährige Dauphin Louis Charles, der einmal Ludwig XVII. geworden wäre, fragte höflich den Zöllner, wann die Reise weiterginge. Der horchte auf. So formulierte kein Kind aus einfachem Bürgerstand. Er musterte die Eltern – und erkannte Antoinette.

Postwendend wurde die Familie nach Paris zurückkutschiert. Ihr aller Leben endete im Blutrausch der Revolution.          

Esther Knorr-Anders


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