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18.10.08 / Ein Papst, der es gut mit den Deutschen meinte / Vor 50 Jahren starb Pius XII. – Nach 1945 war er ein Anwalt der Vertriebenen: »Das Geschehene rückgängig machen«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-08 vom 18. Oktober 2008

Ein Papst, der es gut mit den Deutschen meinte
Vor 50 Jahren starb Pius XII. – Nach 1945 war er ein Anwalt der Vertriebenen: »Das Geschehene rückgängig machen«

Vor 50 Jahren, am 9. Oktober 1958, starb Papst Pius XII. Wohl niemand in der Welt hat sich nach dem Zusammenbruch 1945 so als Anwalt der Deutschen erwiesen wie der Römer Eugenio Pacelli.

Wie kaum ein anderer kannte Pius XII. das deutsche Volk. Er sprach dessen Sprache und hatte mehr als ein Jahrzehnt in Deutschland gelebt, zunächst als Nuntius in München, später in Berlin. „Mehr als zwölf der besten Jahre Unseres reifen Alters hatten Wir in Ausübung des Uns anvertrauten Amtes inmitten des deutschen Volkes gelebt“, sagte er dazu 1945 kurz nach Kriegsende vor den in Rom versammelten Kardinälen: „Mit der Freiheit, die die damaligen politischen und sozialen Verhältnisse boten, bemühten Wir Uns in dieser Zeit um die Sicherung der Lage der katholischen Kirche in Deutschland. So hatten Wir Gelegenheit, die hervorragenden Eigenschaften dieses Volkes kennenzulernen und Wir standen mit seinen besten Vertretern in persönlichen Beziehungen. Deshalb hegen Wir auch die Zuversicht, daß es sich wieder zu neuer Würde und zu neuem Leben wird erheben können, nachdem es das satanische Gespenst des Nationalsozialismus von sich geworfen und nachdem die Schuldigen … ihre begangenen Verbrechen gesühnt haben werden …»

Papst Pius XII. wird bis heute oft heftig kritisiert und grundlos verleumdet, denken wir nur an Rolf Hochhuths Theaterstück „Der Stellvertreter“: Man hat dem Papst den Abschluß des Konkordates vorgeworfen, das er 1933 als Kardinalstaatssekretär in Berlin schloß. Dazu nahm der spätere Papst in einer Aussprache am 2. Juni 1945 an das Kardinalskollegium selbst Stellung und erklärte, daß „im Falle der Ablehnung die Verantwortung für alle üblen Folgen auf den Heiligen Stuhl zu­rück­gefallen wäre. Nicht als ob sich die Kirche ihrerseits von übertriebenen Hoffnungen hätte täuschen lassen, auch nicht als ob sie mit dem Abschluß des Konkordates die Lehre und die Ziele des Nationalsozialismus irgendwie hätte gutheißen wollen. Dies wurde damals ausdrücklich erklärt und dargelegt.“

Immerhin, so betonte Pius XII. weiter, „muß man zugeben, daß das Konkordat in den folgenden Jahren verschiedene Vorteile brachte oder wenigstens größeres Unheil verhütete. Trotz aller Verletzungen, denen es ausgesetzt war, ließ das Konkordat tatsächlich den Katholiken doch eine rechtliche Verteidigungslage, in der sie sich verschanzen konnten, um sich von da aus, solange es ihnen möglich war, der ständigen Flut der religiösen Verfolgung zu erwehren.“

Gerade die Ostdeutschen wissen, daß dies zutrifft, denn leider galt im Sudetenland und in anderen an das Reich angeschlossen Gebieten wie dem Warthegau das Reichskonkordat nicht, auf das sich die reichsdeutschen Bischöfe bei Protesten noch berufen konnten.

Eugenio Pacelli war Kardinalstaatssekretär, als am Passionssonntag 1937 die Enzyklika „Mit brennender Sorge“ veröffentlicht wurde, die der Welt zeigen sollte, „was der Nationalsozialismus in Wirklichkeit war: Der hochmütige Abfall von Jesus Christus, die Verneinung seiner Lehre und seines Erlösungswerdens, der Kult der Gewalt, die Vergötzung von Rasse und Blut, die Unterdrückung der menschlichen Freiheit und Würde.“

Immer wieder hat der Papst an die Not der Vertriebenen und das Unrecht der Vertreibung erinnert. So spricht der Papst in seinem Brief vom 18. Januar 1947 an die deutschen Bischöfe vom Ernst, der Dringlichkeit und den weitreichenden Ausstrahlungen der Flüchtlingsnot, die „alles in den Schatten stellt, was die Vergangenheit selbst in ihren bewegtesten Zeiten kannte. Das Deutschland von heute ist nicht mehr das Deutschland von einst. Auf einem bedeutend verengten Boden mit der Bevölkerung seines alten Gebietes zusammengepreßt, mit einem Lebensstandard, der weit unter dem Erträglichen liegt, mit einer bis in ihre Grundfesten erschütterten Wirtschaft, mit einer durch die Völkerwanderung der aus der Heimat vertriebenen Ostflüchtlinge vollständig geänderten sozialen, politischen und seelischen Struktur, mit einem Volksgesundheitszustand, der tief unter dem liegt, was früher verantwortbar schien – um nur einige charakteristische Züge des Gegenwartsbildes zu nennen – ist in diesem Deutschland der Nachkriegszeit eine Lage entstanden, die der kirchlichen Seelsorge und Caritas gewaltige, nur in mühseliger und weitschauender Geduld zu meisternde Aufgaben stellt.“

Der Heilige Vater traut aber den Deutschen die Meisterung dieser Aufgaben zu, denn er schreibt an die deutschen Bischöfe: „Euch, geliebte Söhne und ehrwürdige Brüder, fehlt weder diese zu allen Opfern bereite Geduld, noch der auf lange Sicht ausgerichtete Unternehmungsgeist. Zeugnis dafür ist das, was die Ordinarien der

nord⁠-, mittel-, west- und süddeutschen Diözesen Uns über die Auswirkungen dieses Flüchtlingsproblems auf ihre Bistümer zu berichten wußten.“

Ein Jahr später antwortet Pius XII. auf einen Brief des deutschen Episkopates: „… Besondere Berücksichtigung werden immer die Ostvertriebenen verdienen, die aus ihrer Heimat im Osten zwangsweise und unter entschädigungsloser Enteignung ausgewiesen und in die deutschen Zonengebiete überführt wurden. Wenn Wir auf sie zu sprechen kommen, so beschäftigt Uns hier nicht so sehr der rechtliche, wirtschaftliche und politische Gesichtspunkt jenes in der Vergangenheit Europas beispiellosen Vorgehens. Über die genannten Gesichtspunkte wird die Geschichte urteilen. Wir glauben zu wissen, was sich während der Kriegsjahre in den weiten Räumen von der Weichsel bis zur Wolga abgespielt hat. War es jedoch erlaubt, im Gegenschlag zwölf Millionen Menschen von Haus und Hof zu vertreiben und der Verelendung preiszugeben? Sind die Opfer jenes Gegenschlages nicht in der ganz überwiegenden Mehrzahl Menschen, die an den angedeuteten Ereignissen und Untaten unbeteiligt, die ohne Einfluß auf sie gewesen waren? Und war jene Maßnahme politisch vernünftig und wirtschaftlich verantwortbar, wenn man an die Lebensnotwendigkeiten des deutschen Volkes und darüber hinaus an den gesicherten Wohlstand von ganz Europa denkt? Ist es wirklichkeitsfremd, wenn Wir wünschen und hoffen, es möchten alle Beteiligten zu ruhiger Einsicht kommen und das Geschehene rückgängig machen, soweit es sich noch rück­gängig machen läßt?“

Auch vor ausländischen Besuchern hat Pius XII. die Vertreibung verurteilt, so 1949 vor verschiedenen Delegationen der beiden Häuser des US-amerikanischen Parlamentes, 1952 gegenüber Mitgliedern der Pax-Christi-Bewegung oder 1955 vor Teilnehmern des X. Internationalen Historiker-Kongresses in Rom. In zahlreichen Ansprachen an das Kardinalskollegium sprach er von der „Bitterkeit der Vertreibung“.

Pius XII. hat aber auch gehandelt, indem er über die päpstlichen Hilfswerke versuchte, die Folgen des Krieges und der Vertreibung zu mildern. Auf seine Initiative hin wurden die vatikanische Forschungsstelle für Kriegsgefangene eingerichtet und konkrete Hilfsaktionen für die hungernden Vertriebenen ins Leben gerufen.

Der Papst sandte in Person des nordamerikanischen Bischofs bayerisch-sudetendeutscher Herkunft Alois Münch seinen Vertreter ins zerstörte Deutschland. Dieser nahm als Päpstlicher Visitator in Kronberg im Taunus seinen Sitz, wo er bald mit dem sudetendeutschen Prälaten Adolf Kindermann im benachbarten Königstein und mit der 1947 entstandenen Ostpriesterhilfe zusammenarbeitete. 1949 wurde er erster Apostolischer Nuntius in Bonn. Auch dieser spätere Kardinal Münch hat die Vertreibung stets als Unrecht angeprangert. So schrieb er: „In der ganzen Geschichte gibt es nichts, was sich mit diesen grausamen Massenverschiebungen vergleichen ließe. Mit Recht erklärte ein amerikanischer Korrespondent, der selbst Augenzeuge dieser Menschheitstragödie war, es sei dies die ‚unmenschlichste Entscheidung‘, die je von Staatsmännern getroffen worden sei. Ob nicht die spätere Geschichte unserm Zeitalter den Anspruch auf Kultur absprechen wird? …“

Bischof Münch rüttelte auch die amerikanischen Bischöfe auf, die in einem gemeinsamen Hirtenbrief im November 1946 feststellten: „In Europa ist etwas geschehen, was die Geschichte noch nicht kannte. Auf Grund eines Abkommens zwischen den Siegerstaaten wurden Millionen von deutschen Menschen, die seit Jahrhunderten in Osteuropa ansässig waren, von ihrer Heimatscholle vertrieben und mittellos ins Herz Deutschlands getrieben. Die Leiden dieser Menschen auf ihren harten Wanderungen, ihre Heimatlosigkeit und Hoffnungslosigkeit, erzählen uns eine traurige Geschichte von der Unmenschlichkeit solcher Vertreibung … Das ist nicht der Weg, auf dem man Friede schafft und die Völker zur Einheit und Zusammenarbeit führt.“   Rudolf Grulich

Foto: Papst Pius XII.: Sein Seligsprechungsverfahren ist weit fortgeschritten.


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