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18.10.08 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-08 vom 18. Oktober 2008

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

es ist an der Zeit, mal wieder bekanntzugeben, was sich in unserer Ostpreußischen Familie getan hat. Und das ist allerhand. Wenn auch keine Wunder zu erwarten waren – und wir doch darauf im Stillen gehofft hatten –, sind sie auch nicht eingetreten. Oder doch? Für Frau Helga Hering aus Wolgast ist es wohl ein solches, denn sie hat endlich ihre Freundin aus Königsberger Kindertagen gefunden! Noch beim Deutschlandtreffen in Berlin hatte sie mir mitteilen müssen, daß unsere im September 2006 aufgenommene Suche nach ihrer Freundin Brigitte keinen Hinweis erbracht hatte. Und nun kam ihr Brief, der bei mir helle Freunde auslöste. Denn sie berichtet, daß Frau Jacobs vom ZDF den Artikel gelesen und sich für ihr Schicksal interessiert habe, weil Helga Hering erst 1948 aus Königsberg herausgekommen war. Nun lasse ich sie erzählen: „Im Gespräch fragte Frau Jacobs dann, ob ich inzwischen meine Freundin gefunden hätte, was ich leider verneinen mußte. Sie versprach mir, wenn es ihr möglich sei, mir zu helfen Brigitte zu finden. Mitte Juli rief mich Frau Jacobs an und verkündete mir, daß sie eine heiße Spur hätte, meine Freundin wohne in Kiel und sei dort verheiratet. Als ich dann am Abend aus meinem Garten nach Hause kam und der Anrufbeantworter ein Gespräch anzeigte, ahnte ich ja nicht, wer mich da sprechen wollte. Es war meine Brigitte, die mich aufforderte, mich hinzusetzen, damit ich vor Aufregung nicht umfalle. Sie können es sich doch denken, wir konnten beide nicht reden, weil wir vor Freude heulten. Nun haben wir uns auf dem großen Otpreußentreffen in Schwerin wiedergesehen! Was wurde da alles ausgetauscht! Gerettete Bilder, die jeder von uns mit hatte, und Ereignisse, an die wir uns erinnerten, wie nach den Bombenangriffen und auf den schlimmen Fluchtwegen, die jeder von uns erlebte hatte. Wir telefonieren nun viel miteinander und sicher werden wir uns wiedersehen. Danke nochmals für Ihre Hilfe, denn durch den Beitrag in unserer Heimatzeitung habe ich ein Stück Heimat wiedergefunden!“ Sagt, das ist doch wirklich ein kleines Wunder, und die dauern eben manchmal etwas länger!

Und auch das, was unsere Leserin Anne Rekkaro aus Estland uns jetzt mitteilen konnte, hat schon etwas Wunderbares. Jedenfalls für die gebürtige Königsbergerin, die mir – auch beim Deutschlandtreffen – ihren Wunsch vorgetragen hatte, wobei es leider doch im Trubel dieser Großveranstaltungen beim Mitteilen einige Unstimmigkeiten gab – aber sie spielen hier keine große Rolle gegenüber dem Kernpunkt ihres Wunsches. Und der betrifft die „Villa Luise“ in der Königsberger Hermannallee 14. Die war ihr Zuhause, hier wurde sie als Roswitha-Anne Browarzyck geboren, hier wurde die Familie ausgebombt. Die Eltern fanden mit ihren sechs Kindern Unterkunft im Gebäude der Landwirtschaftskammer in der Beethovenstraße. Die zweijährige Roswitha wurde von der Mutter durch das Kellerfenster einer Estin übergeben, die es nach Tallinn/Reval brachte, wo Anna Reccaro, wie ihr jetziger Name lautet, heute noch lebt. Das hat sie natürlich erst später erfahren, sie selber hat natürlich keine Erinnerung an ihre Heimatstadt, aber sie ist schon zweimal dort gewesen und hat nach der „Villa Luise“ gesucht, aber nicht gefunden. So bat sie mich, unsere Leser zu fragen, ob jemand etwas über das Haus und seine heutige Lage wisse und ihr Hinweise geben könne. Und nun lest, lewe Landslied, was Frau Reccaco schreibt:

„Anfangs reagierte kein Mensch. Dann bekam ich einen Brief von Frau Eva Koene aus Kriftel. Sie gab mir manchen Rat, wie ich in meiner Forschung weiter gehen kann, aber sie hatte dieses Haus nicht in Erinnerung. Und da, als ich schon keine Hoffnung mehr hatte, bekam ich wieder einen Brief – einen dicken! – aus Kriftel, diesmal von Herrn Arnfried Frentzel-Beyme. Mit vielen Fotos von der ,Villa Luise‘ und mit ihm und seiner Frau Johanna. Herr Arnfried lebte bis Januar 1945 in demselben Haus. Er kannte unsere Familie gut, hatte vor der Flucht seiner Familie noch mit unserer Mutter gesprochen. Sie hatten ihr den Schlüssel zu ihrer Wohnung gegeben mit der Hoffnung, daß meine Mutter sie bei der Rückkehr wieder einlassen würde (so schreibt er). Ich kann meine Freunde nicht äußern, es war, als ob ich einen nahen Verwandten gefunden hätte! Lange habe ich solch eine große Freude nicht erlebt. Alles tanzte in mir!“

So berichtet Roswitha-Anne überglücklich, und macht uns alle damit froh. Ich hatte in der Folge 20, in der ich ihren Wunsch veröffentlichte, gemeint: „Das wäre ein schöner Erfolg ihres Besuches unseres Heimattreffens!“ Und nun ist es mehr als das!

Ein kleiner Wermutstropfen ist in Annes Brief aber auch dabei: Frau Herta Tuschewitzki, mit der sie mich in unserm PAZ-Domizil in der Messehalle besuchte, lebt nicht mehr. Die Ostpreußin, die sich um unsere heimatliche Tracht bemüht und so wunderhübsche Trachtenpuppen schuf, hat auch Frau Reccario zu ihrem Samland-Kleid verholfen. „Frau Herta hat mir brieflich Hinweise gegeben, sogar kleine Beispiele geschickt, wie man die Samlandtracht fertigen kann. Sie war ein goldener Mensch. Leider ist sie nicht mehr unter uns. Sie ging mit dem Sommerschluß.“ Es sind gute, warme Worte, und Anne will mit ihnen einen kleinen Dank abstatten. Zur Erinnerung legt sie ein Foto bei, das sie in ihrer schönen Samlandtracht, mit Herta Tuschewitzki und deren Schwägerin beim Deutschlandtreffen zeigt

Seinen Jugendfreund Jürgen Fehlhauer aus Pr. Holland hat Herr Konrad Moysich noch immer nicht gefunden, aber er bedankt sich für die Mühe, die einige Leser sich beim Mitsuchen gemacht hatten. Von den vier Antworten, die er erhielt, bezogen sich zwei mehr auf die Stadt Pr. Holland und den Tannenbergplatz. Die Anschrift einer Dame konnte Herr Moysich an seinen Bruder in Verden vermitteln, da beide etwa gleichaltrig (Jahrgang 28) sind. Und was war mit dem Hinweis unseres Lesers Alexander Henschen auf einen ehemaligen Bekannten mit dem Namen Fehlhauer, der vor 30 Jahren in Ostfriesland bei einer Baubedarfsfirma tätig war? Leider erwies sich diese Spur als kalt, aber immerhin meldete sich prompt jener Herr Fehlhauer, der ja nun leider nicht der Gesuchte ist, aber auch aus Ostpreußen stammt. Immerhin nach 30 Jahren – ich finde, das macht Mut. Man hat es ja im Fall von Frau Hering gesehen, daß sich manche Erfolge erst mit Verzögerung einstellen Herr Moysich freut sich weiter auf jede neue Ausgabe der Ostpreußischen Familie: „Man fühlt sich auf so wunderbare Weise miteinander verbunden!“ Und das hat er ja auch zu spüren bekommen.

Wie auch unser Landsmann Gerhard Mannke aus Elmhorn. Zwar ist „bisher nichts Konkretes herausgekommen“, wie er schreibt, aber er war doch sehr überrascht, wie schnell und zahlreich die Reaktionen auf seine Anfrage nach der bisher nicht identifizierten Musikkapelle kamen, deren Bild wir in Folge 30 veröffentlichten. Gleich am Erscheinungstag der Ausgabe rief ein Leser an und diskutierte mit Herrn Mannke ausführlich über die Herkunft des Fotos. Herr Rohde, der auf diesem Gebiet sehr versiert ist, hält die Kapelle für die einer der NSDAP angeschlossenen Organisation, wie allein das Hoheitsabzeichen bezeuge, das allerdings bis etwa 1935 schmaler gewesen sei. Die Aufnahme müßte demnach älter als angegeben (1. Mai 1939) sein, deshalb meint Herr Rohde, daß es sich um eine Werkschar der Deutschen Arbeitsfront (DAF) handeln könnte. Ein Landsmann aus Sensburg ist sich sicher, daß das Foto eine Kapelle des Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps (NSKK) zeigt, weil diese Organisation schwarze Uniformen gehabt habe, eine Königsbergerin in Leipzig hält die Uniform für eine der Königsberger Feuerwehr, der ihr Vater angehört hatte. Diese Angaben kann Herr Mannke allerdings aus eigenem Wissen widerlegen. Aber er freut sich, daß die Resonanz so positiv war, dankt allen Anrufern – und hofft, daß es vielleicht doch noch eine endgültige Klärung gibt.

Und dann kam ein Brief aus Südafrika, und der berichtete von einem ganz unerwarteten Erfolg – vielleicht sollte man lieber sagen: Effekt – für die Absenderin dank unserer Veröffentlichungen. Und es sind einige, denn es handelt sich um Frau Rosemarie Pakleppa, die uns so viele und interessante Informationen über den „Dessauer Hof“ in Insterburg zusandte, daß sich viele Leser angeregt fühlten, auch über das Hotel zu berichten. Eine der Zuschriften, mit Abstand die ausgefallenste, habe ich noch gar nicht erwähnt, denn sie ist in Form einer Erzählung, die eine Begegnung des Hotelbesitzers Pakleppa mit dem inkognito in Arnswalde lebenden russischen Zaren Nikolaus II. – mitten im Zweiten Weltkrieg! – schildert. Abgesehen davon, daß ich in meiner Kolumne keine Erzählungen bringen kann, ist sie für mich aber so verwirrend, daß ich das Manuskript zuerst einmal an Frau Pakleppa sende und auf ihre Reaktion warte. Hiermit bestätige ich der Schreiberin, Frau R. E. Ancke geborene Scheller, die als „Enkelin von Zar Nikolaus“ unterschrieben hat, den Erhalt ihres Elaborats, zu dem ich dann später Stellung nehmen werde.

Frau Pakleppa hat auch wieder geschrieben und berichtet von einem sehr positiven Effekt der Veröffentlichungen in unserer Zeitung: „Die haben etwas ganz anderes losgetreten!“ Nämlich das erwachte Interesse ihrer Nachkommen an der Familiengeschichte. Frau Pakleppa hatte von den jeweiligen Veröffentlichungen Kopien anfertigen lassen und diese an ihre Enkelinnen geschickt Nun wird sie plötzlich mit Fragen bestürmt, denn es wird interessant zu wissen, was und wie es einmal war – damals in Ostpreußen, in Insterburg, im „Dessauer Hof“. Es ist ja immer etwas anderes, wenn man plötzlich die eigene Familiengeschichte schwarz auf weiß dokumentiert bekommt, als wenn sie erzählt wird, und erst recht, wenn man sie im Internet entdeckt. So berichtete eine Enkelin, die Bibliothekarin in Tutzing ist, der überraschten Großmutter im Südafrika, daß man sogar Ansichtskarten vom „Dessauer Hof“ aus dem Jahre 1915 per Internet bestellen kann. Frau Pakleppa bedankt sich so schön heimatlich: „Ist das nun nuscht nich? Da sehen Sie, was Sie und die Ostpreußische Familie zu Wege gebracht haben. Dafür 1000mal Dank!“

Na, und die Familiengeschichte kann vielleicht noch ein neues Kapitel bekommen, denn Frau Heidgard Taeger aus Dortmund wurde auf den Familiennamen aufmerksam gemacht und vermutet nun eine – vielleicht auch nur ferne – Verwandtschaft: Sie ist eine geborene Pakleppa. Der Name ist ja im deutschen Sprachraum nicht gerade üblich, er soll ein estnischer sein, wie Frau Taeger von einer ihr bekannten Wissenschaftlerin erfuhr, als sie in diesem Jahr das Thomas-Mann-Festival in Nidden besuchte. Auch Frau Prof. Ruth Leiserowitz soll das bestätigt haben. Von ihrer väterlichen Linie weiß Frau Taeger aber so gut wie gar nichts, da sich ihre Eltern früh trennten. Sie ist noch in Ostpreußen geboren, „an der wunderschönen Scheschuppe“ – und in jedem Jahr zieht es die heute 64jährige dorthin, obgleich sie auf der Flucht doch erst drei Jahre alt war. Damals, als sie in Schleswig-Holstein mehr schlecht als recht untergekommen waren, sang ihre Großmutter an jedem Abend das Lied „Wo findet die Seele, die Heimat, die Ruh …“ – wirklich, an jedem Abend, und es hat sich der Enkelin eingeprägt, daß sie es nie vergessen hat. Und je älter sie wird, desto mehr Sehnsucht hat sie nach diesem Lied, das sie seit über 50 Jahren nicht mehr gehört hat. Aber dem können wir ja nachhelfen.

Um seinen Familiennamen geht es auch unserm Landsmann Alfred Jegodtka aus Scholen. Seine Heimat ist Masuren, mitten in der weiten, stillen Seenlandschaft lag sein Elternhaus in Rehfelde, Kreis Sensburg, ein altes, von den Philipponen gegründetes Dorf, das zum Kirchspiel Niedersee gehörte. Wie viele Leser und Leserinnen liest auch er immer wieder unsere Zeitung sehr genau, in der Hoffnung, den Namen „Jegodtka“ zu entdecken, denn er möchte gerne wissen, aus welcher Gegend die Familie ursprünglich herkommt, was der Name bedeutet. Ich hoffe, daß sich bei ihm Landsleute melden, die diesen Namen tragen oder ihn in der Ahnenreihe haben. Herr Jegodtka hat aber noch eine andere Bitte, die er für eine ältere Bekannte aus dem Elbinger Raum stellt. Sabine Gehrke sitzt noch heute am Webstuhl und ist an allem interessiert, was die alte Webkunst in Ost-und Westpreußen betrifft wie Bücher, Arbeitshefte und Muster. Für diejenigen, die ihren Wunsch erfüllen können: Bitte nicht gleich zusenden, sondern sich zuerst mit Herrn Jegodtka in Verbindung setzen. (Alfred Jegodtka, Blockwinkel 56 in 27251 Scholen, Telefon 04245/1082.)

Eure Ruth Geede

Foto: Es bleibt die Erinnerung: Anne Rekkaro (rechts im Bild) in ihrer schönen Samlandtracht, mit der – inzwischen verstorbenen – Herta Tuschewitzki und deren Schwägerin beim Deutschlandtreffen in Berlin


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