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18.10.08 / Wandern zwischen Rhein und Sieg / Geheimtipp Westerwald: Reste des Limes, alte Klöster, urige Auwälder und – auch – windige Höhen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-08 vom 18. Oktober 2008

Wandern zwischen Rhein und Sieg
Geheimtipp Westerwald: Reste des Limes, alte Klöster, urige Auwälder und – auch – windige Höhen

Der neu geschaffene Westerwaldsteig führt auf 235 Kilometern durch den Naturpark Rhein-We­sterwald, wohl eine der schönsten Naturoasen Deutschlands.

„Oh du schöner Westerwald, über deine Höhen pfeift der Wind so kalt. Jedoch der kleinste Sonnenschein trifft tief ins Herz hinein.“ Die singende Wandergruppe betritt die Lichtung eines dunklen Buchenwaldes. Begleitet wird der vielstimmige Chor von einer Mundharmonika. Schon seit drei Tagen sind die Studenten auf Wanderschaft. Vom hessischen Herborn sind sie bei Bad Hönningen nach Rheinland-Pfalz übergewechselt. „Wißt ihr eigentlich, daß ihr hier auf historischem Boden wandelt!“ Der Anführer breitet eine Karte auf einem Baumstumpf aus: „An dieser Stelle verlief im ersten nachchristlichen Jahrhundert der Limes. Das Imperium romanum hatte diese Grenze mit Gräben und Wällen gegen die Germanen abgesichert.“

Die grenzüberschreitende Region zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz ist ein Abschnitt des neu geschaffenen Westerwaldsteiges. „Es war höchste Zeit, unser Gebiet ins rechte Licht zu rücken. Der Refrain des Westerwald-Liedes, so zackig er auch sein mag, hat uns immer ein wenig geschadet. Viele Leute meinen nämlich, daß es bei uns eiskalt und immer windig ist“, erklärt Ursula Gerharz von der Westerwald Touristik. Ganz aus der Luft gegriffen ist das Bild der von kalten Winden gepeitschten Hügel jedoch nicht. Napoleon Bonapartes Grande Armée holzte im frühen 19. Jahrhundert die Wälder so gründlich ab, daß die inzwischen wieder aufgeforsteten Berge lange Zeit kahl wie Kegel waren.

Das Gebiet zwischen Rhein, Lag, Sieg und Dill liegt in einer milden Klimazone. Kein kalter Hauch streicht durch die dichten, an kleinen Bächen gelegenen Auenwälder. Ein besonders romantischer Weg führt am Flüßchen Nister vorbei. Wanderer fühlen sich unter den hohen Wipfeln der Bäume wie in einer „grünen Kathedrale, in die Sonnenstrahlen eindringen wie durch Kirchenfenster“. Pater Michael, Mitglied des seit Jahrhunderten in der Abtei Marienstatt ansässigen Zisterzienserordens, freut sich über den Vergleich. Während ihrer Wanderung besuchen viele Menschen die 800 Jahre alte Basilika, die älteste gotische Kirche am rechten Ufer des Rheins. Der Mitte des 14. Jahrhunderts geschaffene Ursulaschrein ist die größte Attraktion. „Unsere Kirche hat zudem

eine wundervolle Akustik“, schwärmt Pater Michael. „Am Sonntag zur Messe ist sie oft bis auf den letzten Platz besetzt.“ Im Brauhaus gleich gegenüber unterweist Pater Domenicus eine Gruppe Jugendlicher aus Worms in der Kunst des Bierbrauens.

Die Verleihung des Bierbrauer-Diploms wird in der Klosterschänke bei Westerwälder Kost zelebriert. Dazu gehört die „We­sterwälder Schiebe“, ein leckeres Kartoffelgericht. „Der Westerwald war ein sehr armes Land mit geringen Bodenerträgen. Lediglich der genügsame Erdapfel gedieh hier prächtig“, erzählt der Wirt. So wurde auch der Nachtisch aus Kartoffelmasse zubereitet. Der „Dippekuchen“, berichtet eine alte Chronik, habe „bey den Bauersleut“ die Stelle der Torten eingenommen. Auf den Spuren der Mönche geht es von Marienstatt auf direktem Wege nach Kloster Marienthal in der Verbandsgemeinde Hamm an der Sieg. Die in strahlendem Habsburger Ocker getünchten Mauern des barocken Franziskaner-Klosters weisen dem Wanderer schon aus der Ferne den Weg. Nur einen Steinwurf entfernt liegt das mehrfach preisgekrönte Fachwerkdorf Mehren.

Das Zauberwort im Westerwald heißt „Nordic Walking.“ Es gibt keinen Pfad, keinen Wanderweg, der sich nicht für diese beliebte und gesunde Sportart eignet. „Die höchste Steigung führt 657 Meter hinauf rund um die Fuchskaute“, erläutert Ursula Gerharz. Die Route streift eine Reihe von Sehenswürdigkeiten – die Westerwälder Seenplatte, den Tertiär- und Erlebnispark Stöffel sowie die Kroppacher Schweiz.

Bad Marienberg im Hohen Westerwald bietet den Wanderern eine Verschnaufpause. Im gepflegten Park dieses Luftkurortes gibt es neben Kneippanlagen auch Barfußpfade, die über Rasenflächen, runde Flußkiesel, Schlammbecken und Basalt führen. Der Basaltpark nebenan ist ein echtes Erlebnis. „Hier sehen Sie ein Geotop, das zugleich Biotop ist“, erklärt ein Mitarbeiter dieses Naturidylls. Nach der Stillegung des Basaltsteinbruchs im Jahre 1975 wurde hier ein Biotop geschaffen.

Im Laufe von über 30 Jahren hat die Natur wieder Besitz von dem ehemaligen Industriegelände ergriffen. Aus Felswänden wuchern urzeitlich anmutende Farne. Dicke Moosschichten bedecken das umliegende Geröll.

Wer in den Westerwald reist, kann sein Auto getrost zu Hause lassen, zumal die Anreise mit dem Zug sehr bequem ist. Die Stadt Montabaur, das „Tor zum Westerwald“, besitzt neben einer trutzigen Burg und anheimelnden Gasthöfen einen hochmodernen Bahnhof.           Uta Buhr

Foto: Von wegen windig und kalt: Der Westerwald überrascht den Wanderer mit lieblichen Tälern und Flußauen.


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