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25.10.08 / Streik mit halber Kraft / Bei den Berliner Behörden wird gestreikt, obwohl die Gewerkschaften ziemlich schwach sind

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-08 vom 25. Oktober 2008

Streik mit halber Kraft
Bei den Berliner Behörden wird gestreikt, obwohl die Gewerkschaften ziemlich schwach sind

Vor 14 Tagen ging Swetlana Pashkova zur Berliner Ausländerbehörde. Aufenthaltsverlängerung. Aber der Beamte, der sie vorbeizukommen aufgefordert hatte, war gar nicht da. „Der streikt“, sagte sein Kollege und dann: „Wenn die Bahn streikt, dann bekommt das jeder mit. Aber dieser verdi-Streik im öffentlichen Dienst findet fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt.“ Swetlana verdrehte die Augen. Jetzt streiken die Deutschen also auch schon alle naselang. So wie Italiener oder Franzosen.

Tatsächlich. In Berlin schwelt eine Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst, die es in sich hat. In einer Stadt, in der der Staat mehr Angestellte hat als die größten privaten Firmen – als ganze Branchen sogar! –, in der kann die „Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft“ (verdi) eigentlich alles lahmlegen. Eigentlich.

Das Problem der Verdianer ist, daß sie immer weniger werden. Der Organisationsgrad sinkt. Vor einigen Monaten streikten die ebenfalls zu verdi gehörenden Verkäufer im Einzelhandel. Kaum jemand hat es gemerkt. In vielen Supermarktfilialen ist nur noch eine einzige Kassiererin Gewerkschaftsmitglied. So lassen sich die Arbeitgeber nicht in die Knie zwingen.

Im öffentlichen Dienst sieht es etwas besser aus für verdi. Unter den 73000 Beamten und 58000 Angestellten finden sich vergleichsweise viele Verdianer. Seit Tagen stehen Berlins Bürger deswegen in Ämtern vor langen Schlangen, bleiben Kindertagesstätten geschlossen, kommt es zu Unterrichtsausfall in Schulen. Vor einer Woche trommelte verdi dann auch noch ihre Leute vor dem Roten Rathaus zusammen. Trotzdem: Für den richtig großen Schlag, für katastrophale Verkehrsstaus, liegenbleibenden Müll oder dichtgemachte Krankenhäuser reicht es personell einfach nicht.

Da kann der Berliner Senat hart bleiben. Er hat zudem die Sachargumente auf seiner Seite, denn er pocht auf einen Berliner „Solidarpakt“ aus dem Jahr 2003.

Damals ist Berlin angesichts seiner riesigen Finanzprobleme aus der Tarifgemeinschaft der Länder ausgetreten. Dieser folgenschwere Schritt war auch ein Signal an den Rest des Landes: Bitte helft uns – wir versprechen dafür, daß es kein „Weiter so“ beim Schuldenmachen geben wird.

In diesem Solidarpakt wurde vereinbart, daß der öffentliche Dienst bis 2010 keine Gehaltserhöhung bekommt. Im Gegenzug gibt es jedoch eine Jobgarantie für die Bediensteten, die den Steuerzahler ausgesprochen teuer zu stehen kommt. Er muß die Gehälter von überzähligen Mitarbeitern zahlen, die nicht mehr gebraucht werden und in einem Stellenpool geparkt sind.

Der Senat hat jetzt sogar noch zwei Einmalzahlungen von je 300 Euro angeboten, bleibt aber im Kern dabei: Keine neuen Tarifverhandlungen vor dem Jahr 2009.

„Bei allem Verständnis für die Mitarbeiter – aber es wird in diesem Jahr keine Tarifgespräche mehr geben“, sagte Erhart Körting (SPD), Berlins Innensenator und damit Dienstherr der öffentlich Bediensteten. Da aber auch verdi unnachgiebig ist, geht der Streik erst einmal weiter.

Markus Schleusener


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