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25.10.08 / Keine Spur von Siegeszuversicht / SPD-Parteitag ohne Schwung – Kurt Beck fehlte und die Parteilinke denkt schon an die übernächste Wahl

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-08 vom 25. Oktober 2008

Keine Spur von Siegeszuversicht
SPD-Parteitag ohne Schwung – Kurt Beck fehlte und die Parteilinke denkt schon an die übernächste Wahl

Zur Pflichtübung geriet der Sonderparteitag in Berlin, auf dem die SPD ihren Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier gekürt und Franz Müntefering als Parteivorsitzenden reaktiviert hat. Für den Zusammenhalt der Partei ist die Finanzkrise Gold wert, doch immer wieder wurden tiefsitzende Konflikte erkennbar.

Bei oberflächlicher Betrachtung war es ein erfolgreicher Parteitag: Keine großen Konflikte, der beliebte Außenminister Frank-Walter Steinmeier wurde mit starken 95 Prozent der Delegiertenstimmen zum Kanzlerkandidaten proklamiert, dazu das für die SPD günstige Thema Finanzkrise: Der zuständige Bundesminister Peer Steinbrück schlägt sich wacker und alle Welt ruft nach Regulierung der Finanzmärkte, straffer Bankenaufsicht und mehr Staatseingriffen – sozialdemokratisches Herz, was willst Du mehr?

Und doch kam beim Treffen der rund 500 Delegierten im Berliner Hotel Estrel keine gute Stimmung auf, im Gegenteil. Wer genau hinsah, konnte die Krisensymptome der SPD nicht übersehen.

So schaffte der 68jährige Franz Müntefering bei der Wahl zum Parteivorsitzenden nur 84,8 Prozent, obwohl es keinen anderen Kandidaten gab. Das ist eines der schlechtesten Ergebnisse für einen neuen SPD-Vorsitzenden (und davon gab es allein seit Anfang der neunziger Jahre neun) seit Kriegsende. Daß die Wunden, die der Machtkampf zwischen Kurt Beck und Franz Müntefering geschlagen hat, noch nicht verheilt sind, belegte nicht zuletzt Becks Abwesenheit. Mehrfach hatte der immer noch mit absoluter Mehrheit regierende Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz in den letzten Wochen gegen seinen designierten Nachfolger gestichelt, die Polemik gipfelte in seiner Warnung vor dem „Umgang des Wolfsrudels“ in der Partei. In Berlin nun fehlte Beck genauso wie Andrea Ypsilanti. Er „kann heute nicht hier sein“, erklärte Müntefering, was neue Fragen aufwarf. Hatte Beck denn kommen wollen, und hat man ihm das Fernbleiben nahegelegt, um das Bild der Harmonie nicht zu stören – etwa durch neue Spitzen in Interviews oder durch zu viel Applaus der Delegierten nach einer Wortmeldung Becks? Auch die Abwesenheit der hessischen SPD-Spitzenfrau schien eher der Regie als dem Terminkalender geschuldet zu sein. Denn natürlich bekräftigte Steinmeier sein altes „Nein“ zu rot-roter Zusammenarbeit. Dazu hätten Interviews mit Ypsilanti über ihren für November geplanten Versuch, mit den Stimmen von Grünen und Linken Ministerpräsident Roland Koch (CDU) abzuwählen, schlecht gepaßt.

Interessant war, welches der auf dem Podium sitzenden Präsidiumsmitglieder an welcher Stelle der Reden applaudierte. Als Steinmeier Müntefering zurief „Ich bin froh, daß Du zurück bist“, verweigerten die SPD-Linken Ottmar Schreiner und Wolfgang Thierse den Applaus. Gerade Schreiner, der Vorsitzende der  einflußreichen Arbeitnehmervereinigung in der SPD, geizte an vielen Stellen demonstrativ mit Zustimmung und rief damit in Erinnerung, daß momentan mit Steinmeier, Müntefering und auch Steinbrück ganz klar der „rechte“ Flügel der Partei dominiert.

Andere SPD-Linke, namentlich Andrea Nahles, ließen sich den Verdruß über diese personellen Konstellation nicht so offen anmerken. Nahles, die im politischen Berlin als große Intrigantin gilt und am Sturz von mindestens drei SPD-Vorsitzenden beteiligt war, sparte nicht mit Applaus für beide Redner und strahlte oft auch an Stellen, bei denen beispielsweise Schreiner nur griesgrämig dreinschaute. Steinmeier und seine Aufpasser werden sich davon nicht blenden lassen, sie wissen, daß die SPD-Linke mit einer Wahlniederlage 2009 rechnet und längst für die übernächste Bundestagswahl plant.

Nicht nur die deutlichen Ausschläge des „Applausometers“ ließen die innere Zerrissenheit der Partei erkennen, der neue Parteichef sprach selbst Klartext. „Wer von uns wir sagt, muß die SPD meinen und nicht Teile davon. Wir sind keine Holding“, rief Müntefering den Delegierten zu.

Damit sprach er das Kernproblem der Partei an: Sie zerfällt in drei Flügel, neben der „Linken“ stehen die „SPD-Realos“ vom vergleichsweise rechten „Seeheimer Kreis“, dazwischen als dritte Gruppe die in jeder Richtung offenen „Netzwerker“. Auch in anderen Parteien gibt es Flügel, doch bei der SPD hat diese Struktur seit dem Aufkommen der Linken potentiell existenzgefährdenden Charakter: Der SPD als „Holding“ fehlt die gemeinsame Vision, das übergeordnete Ziel. Vielmehr könnten die weitaus meisten SPD-Linken genausogut Teil der Linkspartei sein, ebenso wie die meisten „Seeheimer“ nichts Grundsätzliches vom Arbeitnehmerflügel der CDU trennt.

Die verbliebene Vision der SPD ist schlicht der Machterhalt, wie gerade die anderthalbstündige Rede Steinmeiers verdeutlichte. Er beschwor pathetisch, daß die SPD es war, die einem Arbeiterkind wie ihm den Weg zu höherer Bildung eröffnet habe. Steinmeier selbst mag die Sorge getrieben haben, daß das eher ein Argument für den Wahlkampf von 1969 gewesen sein mag, aber im Jahr 2009 womöglich nicht mehr ziehen würde. „Weg mit dem Kleinmut... Spielt nicht auf Platz, spielt auf Sieg!“, versuchte Steinmeier, die Delegierten zu ermutigen. Das hat es selten gegeben: Ein frisch gebackener Kanzlerkandidat der SPD muß seiner Partei erst erklären, daß man die Wahl überhaupt gewinnen will. Er weiß warum: In Umfragen steht die SPD bei 25 Prozent.

Konrad Badenheuer

Foto: Aufgesetztes Lächeln: Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier weiß um die Schwäche seiner Partei.


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