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25.10.08 / Revolutionärer Briefträger / Aufstieg der radikalen Linken auch in Frankreich – NPA in Umfragen bei über zehn Prozent

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-08 vom 25. Oktober 2008

Revolutionärer Briefträger
Aufstieg der radikalen Linken auch in Frankreich – NPA in Umfragen bei über zehn Prozent

Er gilt heute in den Augen der Franzosen als Nicolas Sarkozys „bester Gegner“ unter den Linken. Der stille Revoluzzer mit dem unschuldigen Knabengesicht Olivier Besancenot läßt die Chefs der Sozialistischen Partei (PS) in der Beliebt-heitsskala weit hinter sich. „Ihm geht es nicht wie denen um die Wahl im Jahre 2012“, sagten die Befragten in einer Umfrage, sondern „um die Menschen“. Doch daß die von dem Linksradikalen Besancenot neu gegründete „Nouveau Parti Anticapitaliste“ (NPA) Muskeln ansetzt, mißfällt dem französischen Staatspräsidenten bis zu einem gewissen Grad nicht.

Die NPA ist für die französischen Sozialisten das, was Die Linke in Deutschland für die SPD ist: ein Dorn im Auge und ein Konkurrent. Sie hat ein Büro eingerichtet, um ihn zu beobachten. Bei der Präsidentenwahl 2002 hatte Besancenot 4,25 Prozent der Stimmen erhalten und bei der Präsidentenwahl 2007 4,5 Prozent, deutlich mehr als die Grünen und Kommunisten. Aber bei der Europawahl 2009 könnte er über zehn Prozent bekommen, oder noch deutlich mehr, falls die Rezession sich verschärft.

Der 34jährige gibt sich als Mann aus dem Volk, und einen Teil seiner Popularität verdankt er einem Foto als Briefträger auf dem Postfahrrad. Aber der in Levallois-Perret bei Paris geborene Besancenot ist kein Prolet. Sein Vater war Hochschuldozent und seine Mutter Schulpsychologin. Er war schon im Apparat der trotzkistischen Revolutionären Kommunistischen Liga (LCR), als er an der linken Universität Nanterre einen Magister in neuer Geschichte erlangte. Die LCR forderte ihn aber dazu auf, sich einen proletarischen Background zu verschaffen. Dafür ging er in einen kleinen Supermarkt und dann als Postmann ein bißchen malochen. Allerdings war er schon 1996 Mitglied des Zentralkomitees der LCR – bevor er den ersten Brief austrug. In Frankreich bekommen Arbeitnehmer und Beamte, die ein Wahlamt in einer Partei oder einer Gewerkschaft anstreben, Urlaub bei vollem Gehalt.  Als LCR-Referent, als LCR-Europaabgeordneter und als LCR-Sprecher sammelte er auf diese Weise gut bezahlte Urlaubszeiten. 

In der LCR hatte er eine Beziehung mit der Tochter des Parteigründers, des 68er Trotzkisten Alain Krivine. Er trennte sich von ihr, blieb aber mit dem Vater befreundet. 1995 fiel er als Agitator bei den großen Streiks gegen die Juppé-Regierung auf. Dann traf er Stéphanie Chevrier, 38, die eine gut dotierte Schlüsselstellung in dem großen Verlag Flammarion innehat. Beide leben in einer schönen Wohnung in einem feinen Bezirk zusammen. Die guten Kontakte von Stéphanie zu den Medien haben Olivier sehr geholfen. Frau Chevrier hat Freunde in Kuba. Nach ihrem Literaturstudium an der Pariser Sorbonne reiste sie viel durch Lateinamerika. Sie engagierte sich in der Copernic-Stiftung, einer alternativen Einrichtung, die die Gründung der NPA vorbereitete.

Schon in den 60er Jahren hatte die LCR enge Beziehungen zu Kuba.

Für Besancenot ist Castros Kuba eine „fortschrittliche Gesellschaft“. Er war 2007 Co-Autor eines Buches über Che Guevara. Im Frühjahr 2008, kurz bevor er die LCR in NPA umtaufte, besuchte er „Freunde“ und „Mitkämpfer“ in Havana. Besancenot verkörpert einen neuen post-1968-Radikalismus, wie ihn auch Daniel Cohn-Bendit unterstützt.  Er hatte Kontakte mit dem „Action Directe“-Terroristen Jean-Marc Rouillan, der einen General und einen Unternehmer ermordete, 25 Jahre lang saß, Hafturlaub erhielt und nun wieder sitzt, nachdem er geäußert hat, daß er seine Morde nicht bedauert.

Besancenot ficht es nicht an. „Revolution bedeutet nicht eine Blutlache an jeder Straßenecke“, meint er. Auch der Rapper Joey Starr von der rebellischen Musikgruppe NTM („Nique Ta Mère“, „F… Deine Mutter“) gehört zu seinen Freunden.

Starr ist mehrmals verurteilt worden, weil er Frauen schlug. Dabei kämpft die Besancenot-Partei natürlich auch für Frauenrechte.    Jean-Paul Picaper


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