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25.10.08 / Wo Hermann Göring Hof hielt / Nur noch wenige Reste sind übrig vom Waldhof Carinhall, dem protzigen Gästehaus des NS-Regimes in der Schorfheide

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-08 vom 25. Oktober 2008

Wo Hermann Göring Hof hielt
Nur noch wenige Reste sind übrig vom Waldhof Carinhall, dem protzigen Gästehaus des NS-Regimes in der Schorfheide

Vor 75 Jahren schenkte der Freistaat Preußen seinem letzten Ministerpräsidenten Carinhall. Heute finden sich kaum noch Spuren dieses Anwesens, wofür sowohl Hermann Göring als auch seine Gegner gesorgt haben. Dabei spiegelte es einst die Prunksucht seines berühmten Besitzers.

Fährt man auf der Bundesstraße 109 von Berlin aus nach Norden in Richtung Prenzlau, so passiert man nach etwa 65 Kilometern den an der rechten Seite gelegenen Wuckersee und den angrenzenden Großen Döllnsee. Hier, mitten in der Schorfheide, lag zwischen 1933 und 1945 auf einer Landzunge zwischen diesen beiden Seen das wohl wichtigste Repräsentationszentrum der NS-Machthaber, das Landhaus Carinhall von „Reichsmarschall“ Hermann Göring. Doch wo früher Staatsgäste aus aller Welt ein- und ausgingen, erinnert heute nahezu nichts mehr an den einstigen Glanz.

Nachdem Göring am 11. April 1933 zum preußischen Ministerpräsidenten ernannt worden war, stellte ihm die Staatsregierung das 120 Hektar große, repräsentativ gelegene Gelände zur Verfügung. Nach dem Willen Adolf Hitlers sollte hier ein Anwesen entstehen, auf dem ausländische Staatsoberhäupter und Regierungschefs, Diplomaten, aber auch die Führungselite des Deutschen Reiches würdevoll empfangen werden könnte. Im Juni 1933 beauftragte Göring den bekannten Architekten Werner March, nach dessen Plänen das Olympische Dorf für die Spiele des Jahres 1936 in Berlin errichtet wurde, mit dem Bau eines Hauses im Stil einer schwedischen Jagdhütte. Vier Monate später fand das Richtfest statt, bei dem der preußische Staat Göring in einem symbolischen Akt Grundstück und Haus übertrug. An der Innenseite des aus Eichenholz gefertigten Eingangstores wurde folgende Inschrift angebracht:

„Seinem Ministerpräsidenten Hermann Göring, der mit kraftvoller Hand die Geschicke Preussens leitet, widmet das dankbare Land das Jagdhaus am Wuckersee in der Schorfheide zum dauernden Gebrauch, auf dasz des deutschen Waidwerks Schirmherr Waidmannslust und Freude finde in Preussens Forsten.

Berlin, den 26. Oktober 1933

Das Preussische Staatsministerium: Popitz, Kerrl, Rust, Dr. Schmitt, Darré.“

Anfang April 1934 konnte das Jagdhaus fertiggestellt und seiner Nutzung übergeben werden. Es erhielt den Namen „Carinhall“ und erinnerte damit an die erste, 1931 verstorbene Ehefrau Görings, die aus Schweden stammende Carin geborene Freiin von Fock. Ihr zu Ehren wurde auf dem Gelände – direkt am Ufer des Wuckersees – eine Gruft errichtet. Im Juni 1934 exhumierte man den Sarg mit ihren sterblichen Überresten aus der Grabstätte nahe Stockholm und setzte ihn mit großem Pomp in der neuen Gruft bei.

Im Jahre 1936 entschloß sich Göring, der inzwischen eine Unmenge weiterer Ämter angehäuft und damit seine Macht ausgebaut hatte, Carinhall zu seiner ständigen Residenz zu machen. Zu diesem Zweck begann man im September des Jahres mit Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen, am 20. Juli 1937 fand die offizielle Einweihungsfeier statt. Weil das neue prunkvolle Gebäude weit mehr als wie bisher ein Jagdhaus war, führte es fortan die Bezeichnung „Waldhof Carinhall“.

Die Geburt von Tochter Edda im Juni 1938 nahm Göring zum Anlaß, den nunmehrigen Familienwohnsitz weiter ausbauen zu lassen. Diese zweite Erweiterung begann im Januar 1939, fertig wurde sie genau ein Jahr später, also bereits im Krieg. Die Dimensionen wurden allmählich gigantisch. So maß der Speisesaal 411 Quadratmeter, außerdem gab es hier mit 48 Quadratmetern das damals größte Fenster in Europa, das sich durch Knopfdruck im Boden versenken ließ und den Raum zu einer offenen Loggia freigab.

In einer dritten Ausbauphase war geplant, Carinhall noch einmal um das Doppelte zu vergrößern. Die Einweihung war anläßlich des 60. Geburtstages des Hausherrn 1953 vorgesehen. Ferner war zu jenem Zeitpunkt an die Eröffnung eines Hermann-Göring-Museums gedacht, mit 300 Metern Länge und 65 Metern Breite ebenfalls ein Monumentalbau, in dem die größte Kunstsammlung Europas zu sehen sein sollte. Noch bei der Feier zu seinem 52. Geburtstag am 12. Januar 1945 stellte Göring den anwesenden Gästen diese gigantischen Pläne vor.

Doch dann kam alles anders: Am 13. März 1945 versammelte Göring den Generalstab der Luftwaffe noch einmal in Carinhall und hielt dabei eine seiner letzten Ansprachen. Als sich knapp sieben Wochen später, am 28. April, ein Vorauskommando der Roten Armee von Osten her dem Anwesen näherte, wurde es gesprengt. Von 1946 bis zum Beginn der 50er Jahre beseitigte man den größten Teil der Trümmer. Nach den Aufräumungsarbeiten wurde die Aufforstung des Geländes vorangetrieben, und 1959 waren die Spuren weitgehend beseitigt.

Heute erinnern neben kümmerlichen Überresten im Wald nur noch wenige Nebengebäude an die Vergangenheit dieses für zwölf Jahre so geschichtsträchtigen Ortes. Zu nennen sind hier zwei 1942 erbaute und mit den Insignien des Reichsmarschalls – zwei gekreuzte Marschallstäbe – verzierte Torwärterhäuschen, die am Beginn einer Zufahrt in Ost-West-Richtung standen. Auch noch existent sind die ein Jahr später errichteten dazugehörigen Wohnbauten für die Wachen. In ihnen sind jetzt Forstbedienstete untergebracht.

Auf dem ehemaligen Vorplatz des Hauptgebäudes wurde 1993 ein Findling mit der Aufschrift „Karinhall“ aufgestellt, den man 2005 gegen einen mit der korrekten Schreibweise „Carinhall“ austauschte. Im April 2007 wurde er wieder entfernt, ebenso wurde versucht, die Inschrift „Carinhall“ auf den steinernen Wegweisern zu tilgen, was nicht ganz gelang, denn sie ist noch schwach erkennbar.

Der Findling steht inzwischen im Garten des Jagdschlosses Groß Schönebeck, das einmal vom späteren Kaiser Wilhelm II. genutzt wurde, als dieser noch Prinz war. Das Schloß selbst beinhaltet ein Museum, das über die Bedeutung der Schorfheide als Jagdgebiet preußischer Könige und deutscher Kaiser sowie der braunen (Göring) und schließlich der roten (Honecker) Machthaber informiert. Hier ist auch ein maßstabgetreues Modell von Carinhall zu finden, anhand dessen man nachempfinden kann, wie das Anwesen des letzten preußischen Ministerpräsidenten aussah – dort, wo heute fast alles wieder so urwüchsig wirkt wie vor 1933.       

Wolfgang Reith

Foto: Hauptportal von Carinhall vor 1939: In zwei Etappen wurde das „Jagdhaus“ zum repräsentativen „Waldhof“ ausgebaut.


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