26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
25.10.08 / Verbrannte Erde / Napoleons Marsch auf Moskau

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-08 vom 25. Oktober 2008

Verbrannte Erde
Napoleons Marsch auf Moskau

Napoleons Feldzug nach Rußland begann am 23. Juni 1812 mit dem Übergang über die Memel und endete am 13. Dezember 1812. Er ging als eine der größten militärischen Katastrophen des 19. Jahrhunderts in die Geschichte ein. Die Pariser Historikerin Anka Muhlstein hat sich der Mühe unterzogen, die Ereignisse und  Hintergründe des Überfalls auf das Riesenreich anhand einer Fülle von Dokumenten, großenteils Memoiren und Korrespondenzen, akribisch zu untersuchen. In ihrem Werk „Der Brand von Moskau – Napoleon in Rußland“ schildert sie die einzelnen Stationen des mehr als 2000 Kilometer langen Marsches der Grande Armée in den Untergang, den Brand von Moskau, die hemmungslosen Plünderungen in der Stadt, beschreibt das Leid und vieltausendfache Sterben von Mensch und Kreatur, das auf dem Rückzug seinen Fortgang nahm. Muhlsteins erzählerische Darstellung des Infernos erreicht eine hohe Dichte und geht unter die Haut.

Unbeantwortet bleibt die Frage nach den Gründen für Napoleons schlecht vorbereitete Invasion in das Zarenreich, einer irrsinnig anmutenden Tat, mit der er den russischen Zaren in die Knie zwingen wollte. Nach dem Einfall der Franzosen unterbreitete General Balaschow, der russische Polizeiminister, Napoleon im Auftrag des Zaren Friedensvorschläge. Der Kaiser schlug sie aus, da er überzeugt war, „daß dieses Angebot nur den Schrecken verriet, den er einflößte“. Bereits im anfänglichen Verlauf gab es hohe Verluste in der zu Beginn 600000 Mann umfassenden multinationalen Grande Armée, die in drei Heeressäulen vorrückte. Die Truppen wurden rasch durch Hunger, Durst, Seuchen und die Scharmützel mit der Nachhut des russischen Heeres dezimiert, das sich immer weiter in das Landesinnere zurückzog. Die Russen hinterließen den Franzosen verbrannte Erde. Keiner der französischen Generäle konnte sich daher das Beharren des Kaisers auf seinem wahnwitzigen Plan erklären. Dieser schlug alle Mahnungen in den Wind, den Versuch, Rußland zu erobern, abzubrechen. Die Dokumente geben grausige Details preis. Nachdem Tausende von Menschen in der den Russen heiligen Stadt Smolensk umgekommen waren, sagte Napoleon zum Herzog Caulaincourt, dem es bei dem Anblick der brennenden Stadt graute: „‚Ach was, erinnern Sie sich, meine Herren, an diesen Ausspruch eines römischen Kaisers: Der Körper eines toten ,Feindes riecht immer gut‘. Diese Bemerkung nahm allen den Atem.“ Von den 600000 Mann der Grande Armee, die Ende Juni die Memel überschritten hatten, kehrten nur wenige nach Frankreich heim.

Doch Zar Alexander reagierte weiterhin nicht auf die Offerten Napoleons, einen Ausgleich zu vereinbaren. Es schien, als hätten er und seine Generäle Rußland preisgegeben, um den vollständigen Untergang der Invasoren herbeizuführen. Die Russen wußten um das unlösbare Problem, Winterquartiere für die in Auflösung begriffene feindliche Armee zu finden, die sich Mitte September 1812 im weitgehend menschenleeren Moskau plündernd niedergelassen hatte. Napoleon entschied sich für den Rückzug. Er begann am 19. Oktober und dauerte sieben Wochen. Das unbeschreibliche Desaster beim Übergang über die Beresina bildet den Abschluß dieser Kriegschronik, die spannend sein will und auch spannend ist.

Unbegreiflich, auch angesichts des Leids von Zehntausenden Zivilisten, erscheint der Kadavergehorsam der französischen Generäle, die zuvor mit Geschenken willfährig gemacht worden waren. Fragen werfen aber auch manche lobende Bemerkungen der Autorin auf, etwa über jenen Caulaincourt, der „während der schweren letzten Herrschaftsjahre“ Napoleons dem Kaiser nach wie vor „beispielhaft ergeben und treu“ blieb.     Dagmar Jestrzemski

Anka Muhlstein: „Der Brand von Moskau – Napoleon in Rußland“, Insel Verlag 2008, gebunden, 323 Seiten, 22,80 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren