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25.10.08 / Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-08 vom 25. Oktober 2008

Neues aus der Anstalt / Das großer Belauern hat begonnen / Ackermann will keine Peanuts / Minus mal Minus ist auch ein Erfolg
Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth

Schubst einer? Fällt einer um? Wer wagt sich als erster aus der Deckung? Wer schleicht da tief geduckt auf den diskreten Hintereingang der Anstalt zu? Jetzt erst, wo die halbe Billionen bei der Finanzmarktstabilisierungsanstalt in Tüten ist, kommen die wirklichen Fragen. Jetzt heißt es Farbe bekennen. Einer belauert den anderen.

Ha, erwischt! Eine Landesbank! Die Bayrische Landesbank, wen überrascht das noch? In Bayern läuft es augenblicklich sowieso nicht rund. Seit die Pauli mit den Latexhandschuhen den Sonnenkönig Edmund aus dem Amt quengelte, strahlt der Himmel nicht mehr in makellosem Weiß-Blau. So unvorstellbar wie die Finanzkrise war auch der aktuelle Tabellenstand des 1. FC Bayern, war das Fiasko der Herren Beckstein und Huber, die Abschied nehmen mußten, ehe sie richtig angekommen waren, war die Beinahe-Pleite der Münchner Hypo Real Estate. Unvorstellbar war auch der (politisch abgesegnete) Kauf wertloser Hypothekenanleihen in den USA für 32 Milliarden Euro durch die Landesbank.

Trotzdem ist das irgendwie sympathisch, daß eine Landesbank zuerst bei der Anstalt anklopft. Da hat es das Geld nicht so weit. Der Staat bastelt die Milliardenstütze und eine Bank, an der das Land zur Hälfte beteiligt ist,  streckt die Hand aus. Da kann der bayrische Finanzminister Erwin Huber aber ganz schön froh sein, daß er sich nicht länger geweigert hat, auch was in das Rettungspaket zu packen. So kann das Geld jetzt von einer Tasche in die andere wandern – in der selben Hose.

Immerhin hat der Erwin Huber schon mal den Finger gehoben und laut „Hier!“ gerufen, sofort nachdem Parlamentspräsident Norbert Lammert statt zur „Auszählung“ zur „Auszahlung“ im Bundestag aufgerufen hatte. Und keiner stimmte dabei den schönen alten Schlager aus dem Jahre 1949 an: „Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt? Wer hat so viel Pinke Pinke, wer hat so viel Geld?“

Eine Woche lang haben sich die großen Zampanos des Geldmarktes von Merkel und Kollegen den Schneid abkaufen lassen. Eine Woche lang gingen die „sizilianischen Clans“ (O-Ton Wirtschaftsminister Michel Glos) in Deckung. Nun spielen sie das Spiel: Wer sich als erster bewegt, der hat verloren. Denn es war keineswegs Schreck-starre, die die Banker zur absoluten Bewegungslosigkeit zwang. Die gehörte mit zur erfolgreichen Erpressung des Staates, als keine Bank mehr der anderen traute, weil jeder Banker seine Kollegen so gut kennt wie sich selbst. Gerade deshalb traut er ihnen ja nicht. Das wäre nicht weiter schlimm, das ließe sich schon wieder hinkriegen, irgendwann und irgendwie.

Trotzdem, ein paar Dinge sind schiefgelaufen. Wer konnte denn ahnen, daß die Politiker die Wurst so übel garnieren würden. Jeder, der einen Teil von den Milliarden der Anstalt haben will, muß unweigerlich ein paar eklige Kröten schlucken. 

Nun hängt sie ganz schön hoch, die Wurst mit der halben Billion. Mit großen Warnhinweisen auf dem Beipack-zettel: Wer nach mir schnappt, der wird aus dem Dukatenbad vertrieben. Wer mich frißt, den bestraft der Steinbrück. Vorsicht, unverträglich mit Bonus.

Na, dann guten Appetit. Wer läßt sich schon gerne zu seiner eigenen Henkersmahlzeit einladen? Kein Wunder, daß so mancher aus dem Clan der Sizilianer leise murmelt: „Ackermann, geh du voran.“

Der wird sich hüten. Hat er ja schon gesagt, daß er nicht in die Schale mit Steinbrücks Peanuts greifen will: „Ich würde mich schämen, wenn wir Staatsgeld annehmen würden“, wird er zitiert. Den Satz wird man sich merken müssen. Was er von solchen Kollegen hält, die nun ihre Löcher unter der Wasserlinie mit Steuergeldern stopfen, das hat der Herr Ackermann mit diesem Satz auch zum Ausdruck gebracht. Dieser Miesmacher! Merkel und Kollegen sind wieder mal ganz schön sauer auf den Kerl.

Was insofern schade ist, als der oberste Deutschbanker doch gerade einen so schönen Anfang gemacht hat. Ganz freiwillig, ohne daß der Finanzminister nachhelfen muß, wollen er und seine Kollegen im Vorstand auf die Erfolgsprämien verzichten. Wobei sich fragt, welcher Erfolg da eigentlich mit einer Prämie belohnt werden soll. Wer keinen Erfolg hat, dem steht auch keine Prämie zu. So ist das jedenfalls im Normalfall. Aber nicht bei Bankvorständen.

Deshalb will der Herr Ackermann ja auch nicht vollkommen auf die Erfolgsprämie verzichten. Nein, überhaupt nicht. Er will sie nur nicht für sich. Verdiente Mitarbeiter sollen sie haben, solche, die das Geld nötiger hätten als er, sagt der Herr Ackermann. Rätsel über Rätsel. Warum benötigen diese Mitarbeiter das Geld dringender? Sind sie auf die eigenen Kollegen reingefallen und haben ihr privates Vermögen verzockt? Und welche Verdienste haben sie sich erworben? Haben sie ihre Kunden besonders erfolgreich mit Papieren der Lehman Brothers, mit Ramschanleihen und Subprime-Krediten versorgt? Aber Erfolge in der Geldwirtschaft errechnen sich sowieso anders. Minus mal Minus ergibt Plus, so lehrte schon Adam Riese.

Ärgerlicher ist die Sache mit der Obergrenze beim Verdienst. Jeder Rentner kann hierzulande zu seiner Rente soviel dazu verdienen wie er will. Obwohl die Renten bereits so üppig sind, daß die meisten Rentner gar nicht wissen, wo sie mit dem ganzen Geld bleiben sollen (weshalb viele die Knete zu den Finanzinstituten schleppten, damit das Geld dort ordentlich entsorgt wird). Und nun will ein Finanzminister dem Vorstand einer Bank vorschrieben, wieviel er verdienen darf? Das wird dem aber gar nicht gefallen. Zumal der Finanzminister doch sonst nicht so knauserig ist, wenn es um die Gehälter der Manager in Unternehmen mit Bundesbeteiligung geht. Als Klaus Zumwinkel noch die Post managte, bezog er ein Jahresgehalt von 1,5 Millionen Euro plus Bonus 1,2 Millionen plus Aktien im Wert von 1,5 Millionen (woraus ersichtlich wird, warum es angeraten schien, etwas von dem Geld nach Lichtenstein auszulagern). Bahnchef Hartmut Mehdorn streicht so um die drei Millionen Euro jährlich ein, Telekomchef René Obermann kassiert 2,6 Millionen plus Beitrag für die Rentenkasse in Höhe von 750000 Euro. Dabei kann niemand behaupten, bei Bahn und Telekom stehe alles zum besten. Und Ex-Chef Zumwinkel, das ist ein anderer – tiefer – Fall.

Die paar Einsparungen, die eine Gehaltskürzung bei den Vorständen in die klammen Kassen der Banken tröpfeln ließen, sind auch nicht der wahre Grund. Gut, zahlreiche Bankvorstände verdienen zwischen 1,5 und zwei Millionen, da tut so eine Kürzung schon weh. Das soll sie auch. Damit die Wähler, die auf die Finanzmanager stinksauer sind, wenigstens eine Genugtuung haben. Allerdings wurde die 500000-Euro-Grenze bereits durchlöchert, ehe sie vollends gezogen war. Die Gehaltskürzung soll sein, muß aber nicht.

Dabei brauchen Männer in Dunkelblau offenbar jemanden, der ihnen auf die Finger haut, sonst werden sie nicht klug. An der Wall Street in New York, nicht gerade als Hort der Stabilität bekannt, streichen sich nach einem Zeitungsbericht die Mitarbeiter der sechs größten Banken in diesem Jahr wieder 70 Milliarden Dollar Erfolgsprämie ein. Die Herrschaften des vom Staat gestützten US-Versicherers AIG reisten nach Florida, wo sie mit Schampus auf die vorläufige Rettung anstießen.

Wahrscheinlich haben noch ganz andere zuviel Schampus getrunken. Das wäre die einzige vernünftige Erklärung für das, was passierte, als das Rettungspaket beschlossene Sache war. An den Börsen schossen die Aktienkurse hoch wie verrückt. Als habe jeder Angst, den Reibach seines Lebens zu verpassen. Die Aktien der soeben noch am Bankrott vorbei geschrammten Hypo Real Estate legten um 40 Prozent zu. Die Leute kauften wie im Delirium. Wie Säufer, die dem Suff abschworen, als es ihnen mächtig schlecht ging, die aber nun wieder ganze Pullen aussoffen. Klar, am nächsten Tag kam der Kater und die Kurse rauschten runter. Am darauf folgenden Tag wieder Suff bis zum Koma. So geht das mit Säufern – aus dieser Anstalt gibt es nichts Neues zu berichten. Ob die neu geschaffene Anstalt für den Finanzmarktstabilisierungsfond auch eine wirksame Suchttherapie anbieten wird, ist bis jetzt nicht bekannt.

Merkwürdig, nach einer weiteren Woche Finanznotstand entwickelt sich so etwas wie Sympathie für die britische Regierung, die zur Bekämpfung der Krise ihre Antiterrorgesetze einsetzt.


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