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01.11.08 / »Ehrlichste Form der Anerkennung« / oder: Schreibt Kurt Tucholsky als Wiedergänger Gedichte in der Preußischen Allgemeinen Zeitung?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-08 vom 01. November 2008

»Ehrlichste Form der Anerkennung«
oder: Schreibt Kurt Tucholsky als Wiedergänger Gedichte in der Preußischen Allgemeinen Zeitung?

Von guten Schreibern wird gerne abgekupfert, vor allem im Internet, wo es kein Urheberrecht mehr zu geben scheint. PAZ-Autor Pannonicus geht darum regelmäßig im weltweiten Netz auf Streife – und stieß vor wenigen Tagen auf Ungewöhnliches.

Eine der frühesten nachweisbaren Verwendungen des Wortes „Teuro“ (schon 1997, zwei Jahre vor dessen Einführung) und die Wortschöpfung „Vietghanistan“ stehen in der journalistischen „Trophäensammlung“ von PAZ-Autor Pannonicus. Und wenn es nach dem alten Bonmot geht, daß Imitation die ehrlichste Form der Anerkennung ist, dann kann sich Pannonicus über mangelnde Anerkennung nicht beklagen. Doch was er am Mittwoch der vergangenen Woche bei einem Routine-Streifzug im Internet fand, war selbst für den Routinier ungewöhnlich.

„Tucholsky ist und bleibt der Größte!“ jubelte ein Nutzer am 15. Oktober und bedankte sich artig: „Danke fürs Gedicht verehrter Tucholsky – und auch Ihnen Waltomir!“ Letzterer war derjenige, der 16 Minuten vorher die angeblich von dem 1935 verstorbenen Journalisten und Dichter stammenden Reime im Internet weitergereicht hatte. Ort des Geschehens war keineswegs irgendein kleines Forum oder eines der ungezählten privaten Internet-Tagebücher (Blogs), sondern – das Portal der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“. Pannonicus, halb amüsiert, halb verärgert, weitete die Recherche nach Plagiaten aus und fand seine erstmalig am 27. September 2008 auf der Schlußseite der Preußischen Allgemeinen Zeitung veröffentlichten Verse in Dutzenden von Foren, Blogs und Diskussionsrunden wieder, darunter bei renommiertesten Adressen wie den Internetseiten von „Süddeutsche Zeitung“, „Frankfurter Rundschau“ und „wallstreet-online“.

Nachdem der witzige Reim mit zehn Strophen einmal den Weg ins Internet gefunden hatte, ging die weitere Verbreitung nach dem Schneeballsystem in explosionsartigem Tempo. Startete man zu Beginn dieser Woche eine Google-Suche mit den drei charakteristischen Worten „Zechen dieser Frechen“ aus Strophe 8 des Gedichts, so hagelte es nicht weniger 105000 Treffer. Teilweise wird das Gedicht im Internet ohne Autorenhinweis verbreitet. Weitaus häufiger ist aber die falsche Quellenangabe „Kurt Tucholsky, 1930, ,Die Weltbühne‘“. Andere meinen, es noch genauer zu wissen und nennen als Quelle Ignaz Wrobel (ein Pseudonym Tucholskys), unter dessen Name das Gedicht just am 18. August 1931 in der „Weltbühne“ erschienen sein soll.

Nichts davon trifft zu – und den fleißigen Postern und Bloggern, vor allem aber auch den Betreibern der professionellen Internetauftritte von Medien wie „Zeit“, „SZ“ und „FR“ hätte wohl auffallen können, daß es 1931 zwar eine Bankenkrise und einen fleißig publizierenden Kurt Tucholsky gab, aber weder Derivate noch Leerverkäufe, die Pannonicus Ende September in der PAZ aufs Korn genommen hat.

Nach einigen Beratungen über die richtige Reaktion auf den  ziemlich dreisten Ideenklau, entschieden sich PAZ und Pannonicus für einen mittleren Weg: Weder juristische Schritte noch bloßes Ignorieren, sondern der Weg an die Öffentlichkeit mit einer Presseerklärung und mit dieser Berichterstattung in der PAZ.

„Es gibt auch für einen konservativen Journalisten schlimmere Beleidigungen, als mit Tucholsky verwechselt zu werden“, nimmt Pannonicus die Massen-Abkopiererei in der Pressemitteilung der PAZ vom vergangenen Freitag von der heiteren Seite. Allerdings besteht er auf seiner Autorenschaft: „Wer einen Nachweis dieses Gedichts vor der Veröffentlichung am 27. September 2008 auf der Schlußseite der PAZ vorlegt, bekommt von mir 500 Euro“, verspricht er selbstbewußt. Da diese Zeitung keinerlei Zweifel an dieser Urheberschaft hegt, hat sie die Prämie sofort auf 1000 Euro verdoppelt – verbunden mit einem Tipp an alle Freunde des witzigen Gedichts „Höhere Finanzmathematik“: Abonnieren Sie die Preußische Allgemeine, Pannonicus schreibt für uns jede Woche!

Leider sind korrekte Quellenangaben in Internetforen kaum zu erzwingen. Mit der richtigen Angabe „Pannonicus, Preußische Allgemeine Zeitung vom 27.9.2008“ darf das Gedicht in der „Blogosphäre“ nun aber ausdrück-lich weiter verbreitet werden. An die Betreiber zumindest der großen Foren appelliert die PAZ seit vergangenen Freitag, den richtigen Quellennachweis alsbald nachzutragen. Und was die Verbreitung in anderen Medien angeht, so behält sich die Preußische Allgemeine alle Rechte vor: Auszugsweise Zitate sind mit Quellenangabe zulässig, der volle Nachdruck nur mit ausdrücklicher Genehmigung.

Übrigens hatten bis zum Redaktionsschluß dieser Zeitung weder „Die Zeit“ noch die „SZ“ noch die „FR“ auf ihren Foren den fehlenden Quellenhinweis nachgetragen. Pannonicus: „Für sie ist Tucholsky wohl ein Hellseher, dessen Gedichte ohne Quellenangabe in der PAZ nachgedruckt werden.“     

Konrad Badenheuer

Fotos: Kurt Tucholsky (1890–1935); Dreifache Blamage: Nicht nur die falsche Quellenangabe an sich ist peinlich. Offenbar haben Medien wie „Die Zeit“ nicht gemerkt, daß es Leerverkäufe und Derivate 1930 in der heutigen Form noch gar nicht gab. Und sie haben auch nach Hinweis der PAZ die korrekte Quelle des Gedichts nicht nachgetragen.


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