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01.11.08 / Wowereit bringt sich in Position / Berlins Regierender Bürgermeister spekuliert auf Steinmeiers Scheitern 2009

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-08 vom 01. November 2008

Wowereit bringt sich in Position
Berlins Regierender Bürgermeister spekuliert auf Steinmeiers Scheitern 2009

Unter den Ministerpräsidenten der SPD ist Berlins „Regierender“ Klaus Wowereit momentan die Nummer 1. Zielstrebig positioniert er sich für höhere Weihen – nach einer Niederlage der SPD bei der Bundestagswahl 2009.

Ist es jetzt soweit? Ist die Stunde gekommen, in der Klaus Wowereit den großen Sprung nach vorn macht? Nach dem Bildungsgipfel in der vergangenen Woche kritisierte der Regierende Bürgermeister auffällig lautstark die Kanzlerin. Mehrfach. Selten wurden die Berliner so mit großen Worten ihres Bürgermeisters überschüttet.

„Wowereit droht mit Scheitern des Gipfels“, „Bildung: Wowereit tadelt Bundeskanzlerin Merkel“, „Wowereit: Die Kanzlerin hat keine neuen Ideen mitgebracht“ – so lauteten die Schlagzeilen der großen Zeitungen. Klaus Wowereit sieht sich auf Augenhöhe mit der Kanzlerin.

Schon nach seinem Wahlsieg 2006 hatte Klaus Wowereit angekündigt, sich stärker in die Bundespolitik einbringen zu wollen. Die Botschaft war deutlich: Wenn ich kann, dann wechsle ich in die Bundespolitik. Diese Ankündigung hat seinem Ansehen in der Hauptstadt keinen Schaden zugefügt. Im Gegenteil. Die Berliner waren schon immer auch ein bißchen stolz, wenn ein Bürgermeister „nach Bonn“ ging. So war es bei Willy Brandt. Und so war es bei Richard von Weizsäcker. Wowereit macht sich schon jetzt rar in Berlin. Sein Fehlen auf dem letzten SPD-Landesparteitag vor drei Wochen war ein deutliches Signal.

Zunächst sind Wowereits großspurige Ankündigungen im Desaster geendet. Fast hätte er seine Wiederwahl als Regierender Bürgermeister 2006 im Abgeordnetenhaus verpatzt. Dann kam der Ärger im Senat: Die Linkspartei hadert mit ihrer Vergangenheit. Der Justizsenatorin liefen die Gefangenen davon. Im Wahlvolk formierte sich großer Widerstand gegen die Schließung des Flughafens Tempelhof. Es waren zwei verlorene Jahre für Wowereits Karrierepläne.

Jetzt sieht er die Chance, sich in Stellung zu bringen, vielleicht die beste und zugleich die letzte. Unter den SPD-Ministerpräsidenten ist er momentan der unangefochtene Leitwolf. Bislang war das Kurt Beck, aber der verkriecht sich seit seinem Abgang als Parteichef in seiner rheinland-pfälzischen Heimat und hadert mit dem Schicksal. Matthias Platzeck aus Brandenburg ist als ebenfalls gescheiterter Parteichef ohne Ambitionen auf ein Bundesamt. Der Bürgermeister von Bremen Jens Böhrnsen und der neugewählte Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern Erwin Sellering gelten als eher ungeeignet für höhere Weihen.

Doch die Phase, in der Wowereit den Chef spielen darf, wird bald vorbei sein. Für eine kurze Zeit ist er so etwas wie der Einäugige unter Blinden. Aber in Hessen drängt Andrea Ypsilanti an die Macht. Auch im Saarland und in Thüringen könnte es 2009 SPD-Ministerpräsidenten geben. Dann erwächst dem 55jährigen neue Konkurrenz aus den eigenen Reihen.

Der zweite Gedanke, der Wowereit antreibt, ist die Konstellation nach der kommenden Bundestagwahl. Natürlich ist Frank-Walter Steinmeier unangefochtener SPD-Kanzlerkandidat. Aber so richtig trauen ihm die Genossen den Wahlsieg gegen Angela Merkel nicht zu.

Klar: Der Außenminister bekam auf dem Parteitag vor zwei Wochen sechs Minuten und 36 Sekunden Applaus von den Delegierten. Das gehört zum Pflichtprogramm bei der Nominierung eines Kanzlerkandidaten.

Aber so richtig gezündet hat Steinmeiers Rede nicht. Zu lange und zu wenig Feuer. „Der erinnert mich an Stoiber“, sagte einer der Delegierten. Es war nicht als Kompliment gemeint. Wer auf dem SPD-Bundesparteitag die erste Reihe des Präsidiums beobachtete, der sah einen grinsenden Klaus Wowereit. Diesen wichtigen Termin ließ er natürlich nicht sausen. Und je länger Steinmeier sprach, desto mehr sah Wowereit aus wie jemand, der gerade dem Schicksal ein Schnippchen geschlagen hat.

Es gilt in Berlin als abgemacht, daß die Linken weiterhin im SPD-Revier wildern, während die Union mit ihrer populären Kanzlerin die meisten Stimmen in der Mitte holt. Am Ende wird sich an den Machtverhältnissen auch nach der Bundestagswahl 2009 nicht viel ändern: Die Große Koalition mit Merkel an der Spitze regiert weiter.

Danach wird sich die geschwächte SPD die Frage stellen, wie es weitergeht. Nur mit einem Coup wie in Berlin 2001 kann die Partei ihre Juniorrolle in der Großen Koalition abstreifen. Sie muß mit den Linken paktieren, um den CDU-Regierungschef aus dem Amt zu jagen. Die Sozialdemokraten werden von ganz alleine auf die Idee kommen, daß es nur so geht. Wowereit muß gar nicht viel tun oder sagen: Er hat beste Chancen, nach einer verlorenen Wahl 2009 zum Kanzlerkandidaten der SPD im Wartestand befördert zu werden. Seine harte Kritik an der Kanzlerin und dem Bildungsgipfel steht auch in diesem Zusammenhang.    Markus Schleusener

Foto: Kanzlerkandidat im Wartestand: Falls die „Zurück zur Mitte“-Politik von Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier mißlingt, hätte Klaus Wowereit bei einem dann zu erwartenden Linksrutsch der SPD gute Chancen, Herausforderer der Kanzlerin zu werden.


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