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01.11.08 / Frauen als Kriegsbeute / »Anonyma«: Tagebuch über Vergewaltigung von Berlinerinnen durch Rotarmisten verfilmt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-08 vom 01. November 2008

Frauen als Kriegsbeute
»Anonyma«: Tagebuch über Vergewaltigung von Berlinerinnen durch Rotarmisten verfilmt

Regisseur Max Fäberböck versuchte ein dunkles Kapitel des Zweiten Weltkrieges zu verfilmen,  ohne deutsches Leid zu thematisieren.

Es ist ein schwieriges Thema, das viel mit Erniedrigung, gefühlter Schande und Verlust der Würde zu tun hat. Die Vergewaltigung deutscher Frauen durch Soldaten der Roten Armee muß zudem vor allem in dieser Zeitung sensibel bearbeitet werden. Denn unter den Leserinnen und Lesern der PAZ befinden sich etliche Menschen, die als Kind zusehen mußten, wie ihre Mütter, Tanten, Schwestern und sogar Großmütter Opfer dieser Barbarei wurden. Ja, es gibt sogar Leserinnen, die selbst Opfer wurden.

Die Kriegsfolge der Vergewaltigungen deutscher Frauen durch sowjetische Soldaten ist zwar auf wissenschaftlicher Ebene umfassend beleuchtet worden, auch gibt es viele Sachbücher hierzu, Erlebnisberichte sind jedoch selten. Wer spricht schon gern über das erfahrene Leid und die damit verbundene Scham? Vergangene Woche ist nun in den deutschen Kinos der Film „Anonyma“ angelaufen, der das Thema anhand eines wahren Falles in der breiten Öffentlichkeit publik macht. Der Regisseur Max Fäberböck hat das 1954 erstmals veröffentlichte Tagebuch einer mehrfach von Sowjets vergewaltigten Berlinerin verfilmt.

Die mit zahlreichen Filmpreisen geehrte Schauspielerin Nina Hoss spielt die Titelrolle. „Anonyma“, alias Marta Hillers (1911–2001), wie man heute weiß, denn die Verfasserin des Tagebuches blieb nicht ewig anonym. Doch die Journalistin erntete keinen Dank für ihre Dokumentation der Ereignisse. „Die 50er Jahre sind wirklich erstaunlich“, urteilte Schauspielerin Nina Hoss. „Die Frauen wurden in die Heimchenrolle zurückgedrängt. Sie konnten nicht mal über ihre Kriegserlebnisse sprechen. Weil ein Mann mit so einer beschmutzen Frau ja nicht zusammenleben konnte, mußten sie den Mund halten. Es waren die Frauen, die aufgebaut haben. Die Trümmerfrauen. Alle Frauen. Aber sie wußten genau: Wenn sie den Männern jetzt auch noch erzählen: ,Ihr konntet uns nicht beschützten‘, dann ist die Moral dahin. Sie wollen den Männern ein gutes Gefühl geben: Ihr seid keine Verlierer.“ Und so wurde das Erlebte verdrängt.

Marta Hillers Buch „Anonyma“ hat dies jedoch verhindert. Vor allem die Bereitschaft „Anonymas“, sich mit einem Offizier der Roten Armee zusammenzutun, damit er sie vor den wilden Vergewaltigungen der einfachen Soldaten schützte, wurde damals als verwerflich und einer deutschen Frau nicht würdig angesehen.

Nina Hoss spielt die Frau, die trotz allem Elend weiterleben will und sich daher an einen Feind bindet, realistisch. Doch was bei der echten „Anonyma“ reiner Pragmatismus war, wird in Fäberböcks Film zu einer zarten Liebesgeschichte. Das mag zwar nett anzuschauen sein und das Herz des Kinobesuchers der Gegenwart erwärmen, doch es verharmlost Marta Hillers Schicksal.

„Das Leid der Deutschen ist nicht Inhalt dieses Filmes“, so der Regisseur Fäberböck. Es ist allerdings fraglich, wie ein Film über dieses Thema realistisch sein kann, wenn er das Leid der Deutschen nicht zeigt. „... weil es sich Fäberböck ganz offensichtlich zum Ziel gesetzt hat, allen Seiten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, geht der Film zu oft Kompromisse ein“, bedauert die „Süddeutsche Zeitung“.

Wer Voyourismus bei den Vergewaltigungsszenen befürchtet, kann beruhigt sein. „Ich wollte keinerlei Spannungsmaterial aus der Vergewaltigungsszene ziehen“, so der Regisseur. „Darin liegt eine ganz klare erzählerische Entscheidung. Ich empfinde es als eine Art pornographischen Vorgang, eine Vergewaltigung für Spannung auszunutzen. Das sage ich nicht aus großer moralischer Haltung, sondern weil es mir ästhetisch widerspricht.“

Und Nina Hoss, die in diesem Jahr den Deutschen Filmpreis erhielt, weiß, wie sie die Vergewaltigung der Marta Hillers zu spielen hat. „Ich finde, die Anonyma schreibt sehr klar und schonungslos“, und so spielt Nina Hoss sie, auch wenn es ihr schwerfiel, die „permanente Todesangst“ darzustellen. Und von einem anderen Vergewaltigungsfall her weiß die 33jährige, daß hinter der Kälte, die man „Anonyma“ unterstellt, eine unglaubliche Verzweiflung liegt. Allerdings könne gerade diese Kälte die Kraft geben, kein Opfer mehr zu sein.           R. Bellano

Foto: Spießrutenlauf: „Anonyma“ (Nina Hoss) muß an sowjetischen Soldaten vorbei.


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