© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-08 vom 08. November 2008

Konrad Badenheuer:
Das Gegenteil

Bei Redaktionsschluß dieser Zeitung war noch unklar, ob Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee sich im Amt halten konnte oder nicht. Einsam ist es jedenfalls um ihn geworden, nachdem die beiden Ministerkollegen Michael Glos und Peer Steinbrück in der heiklen Frage einer Bonuszahlung für den Bahnvorstand von Tiefensee abgerückt sind. Der Minister meidet seit Tagen Pressetermine, weil er weiß, daß eine Woge kritischer Fragen über ihn hereinbrechen würde.

Skandalös ist nicht, daß Vorstände eines bislang staatlichen Unternehmens im Falle eines erfolgreichen Börsengangs eine Prämie bekommen können. Skandalös ist das Verwirrspiel um Termine und Verantwortlichkeiten, das Tiefensee seit Tagen spielt. Wann genau erfuhr er wirklich, daß solche Zahlungen gewährt werden sollen – im Oktober, September, August oder doch schon im Juni? Und was war seine Position in dieser Frage?

Unerträglich ist Tiefensees Versuch, die Verantwortung auf einen Staatssekretär abzuwälzen. Der jetzt geschaßte Matthias von Randow hätte ver-

rückt sein müssen, wenn er wirklich Ende Juni im Bahn-Aufsichtsrat die Bonusregelung für seinen Minister gebilligt hätte, ohne diesen auch nur zu informieren. Daß Tiefensee den Deutschen diese Geschichte erzählt, ist starker Tobak und für sich ein Rücktrittsgrund.

Der Gedanke der politischen Verantwortung besagt, daß Minister für die Fehler ihres Hauses auch dann geradestehen müssen, wenn sie sie nicht persönlich verursacht haben. Tiefensee, der in den vergangenen drei Jahren sechs (!) Staatssekretäre „verheizt“ hat, hat dieses Prinzip in sein absurdes Gegenteil verkehrt.