Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-08 vom 08. November 2008
Falscher Tucholsky spukt weiter Fast jeden Tag druckt eine deutschsprachige Zeitung das Gedicht „Höhere Finanzmathematik“ nach, an dem die Preußische Allgemeine Zeitung die Rechte hält – ohne Rückfrage, Lizenzzahlung oder auch nur Quellenhinweis. Es handelt sich womöglich um einen der größten Plagiatsfälle der neueren deutschen Pressegeschichte. Werner Kleinfelder vom „Markgräfler Bürgerblatt“ ist ein rechtschaffener Mann. Ehrlich fragte er bei Richard Kerschhofer an, wer die Rechte an dem Gedicht „Höhere Finanzmathematik“ habe. Der leitete die Anfrage korrekt an die PAZ weiter, die dem Blatt umgehend und gegen ein eher symbolisches Honorar den Nachdruck gestattete. Viele könnten sich an Kleinfelder ein Vorbild nehmen, etwa Roger de Weck, der frühere Chefredakteur der „Zeit“. Er zitierte das Gedicht zu einem Zeitpunkt im öffentlich-rechtlichen Sender RBB, als eine auch nur halbwegs sorgfältige Recherche im Internet längst ergeben hätte, daß der Autor Kerschhofer heißt und die Rechte bei uns, der Preußischen Allgemeinen Zeitung, liegen. Doch damit nicht genug: Statt den Fehlgriff einzuräumen und sich womöglich zu entschuldigen, ließ de Weck auf der Internetseite von RBB die nächste Falschmeldung hinterherschieben. Das Gedicht sei eine „Fälschung“! Dazu wurde den Hörern von RBB ein Telefoninterview mit einem Redakteur der „Frankfurter Rundschau“ namens Christian Schlüter zugemutet, der – wie RBB behauptet – „den Fake entdeckte“. Daran stimmt nun rein garnichts, vielmehr hat auch die „FR“ zunächst nicht aufgepaßt und anschließend die halbe Wahrheit gesagt. In rüpelhaftem Ton schreibt Schlüter wörtlich: „Der Text findet sich ursprünglich auf der Website eines gewissen, ,freiheitlich‘ gesinnten Pannonicus, der mit richtigem Namen Richard G. Kerschhofer heißt.“ Aber „ursprünglich“ findet sich der Text in der Preußischen Allgemeinen Zeitung vom 27. September und nirgendwo sonst. Der betrogene Autor wird also, weil er es sich herausnimmt, nicht wie gedacht Kurt Tucholsky zu sein, beschimpft, der eigentliche Rechte-inhaber, die – pardon – bestohlene PAZ, bleibt hingegen unerwähnt und sowieso unbezahlt. Ähnliche Geschichten wären inzwischen zu erzählen von der „Berliner Morgenpost“, der „Stuttgarter Zeitung“, den „Nürnberger Nachrichten“, der Internetseite der „Tagesschau“, dem „Hessischen Rundfunk“ – wo das Gedicht in voller Länge verlesen wurde – den Schweizer Zeitungen „Sankt Galler Tagblatt“ und „Basler Zeitung“ und vielen, vielen anderen. Korrekt nannten die Wiener Zeitungen „Presse“ und „Standard“ sowohl Autor als auch die Preußische Allgemeine als Rechteinhaberin, ebenso tat dies der Sender „Radio BOB“. Ebenso die „Financial Times Deutschland“ am 30. Oktober, die – unseres Wissens als erste gedruckte Zeitung – Ort und Datum der Erstveröffentlichung richtig nannte. Am selben Tag brachte die „Westdeutsche Zeitung“ das Werk noch als Tucholsky, obwohl im Internet längst alle Spatzen „Kerschhofer“ von den Dächern pfiffen und manche sogar Preußische Allgemeine. Im Internet wird der ganze Vorgang inzwischen – warum eigentlich auf Englisch? – als „urban legend“ und großer „hoax“ also als moderne Legende und Beschiß, je nach Gusto gefeiert und belacht. Besonders tief blicken läßt, wie Linksradikale mit dem Gedicht umgehen. Eine linksextreme Internetseite, auf der das Gedicht zuvor besonders bejubelt wurde, meinte nach der Identifikation eines „Rechten“ als Autor, das Werk gar als „antisemitisch“ bezeichnen zu müssen, das Wort „Spekulantenbrut“ sei doch verräterisch. Ähnlich herumgeeiert wird nun auf etlichen Seiten der Linkspartei, auf denen das Gedicht ebenfalls gefeiert wurde und oft noch wird. Ein sympathischer Patzer ist dagegen dem früheren Grünen und heutige CDU-Politiker und ausgewiesenen Finanzexperten Oswald Metzger unterlaufen. Auch er bejubelte das Gedicht zunächst als grandiose Arbeit von Tucholsky, um anschließend einzuräumen, auch er hätte wissen können, daß es 1930 noch keine Leerverkäufe und Derivate gab. Damit entschuldigt sich Metzger für das Falsche, denn beide Phänomene haben sogar eine noch weit ältere Geschichte (siehe Seite 4 dieser Zeitung). Doch hier wollen wir nicht beckmessern, denn dieser wirtschaftshistorische Irrtum ist der PAZ in ihrer vorigen Ausgabe selbst unterlaufen. Irrtümer sind das eine, handfeste Verstöße gegen Lizenz- und Urheberrecht das andere. Angesichts des Ausmaßes, das die in vielen Fällen ganz offensichtlich bewußte Abkupferei angenommen hat, hat die Preußische Allgemeine entgegen ihrer ursprünglichen Absicht nun doch Rechtsanwälte mit der Wahrung ihrer Rechte beauftragt. Die auf Urheberrechtsfragen spezialisierte Hamburger Kanzlei freut sich schon auf den „in dieser Form sicher einmaligen Fall“. Übrigens gibt es das Gedicht wohl bald in musikalischer Form. Ein österreichischer Schlagersänger hat es inzwischen vertont. Er war fair genug, sich vor der ersten Darbietung oder Sendung nach den Rechten an dem Text zu erkundigen. K. Badenheuer
Das Lied von der Ente Lehrreich war’s, das muß ich sagen, Unverfroren stehlen Laffen Manche aber setzen munter „Ja, er ist und bleibt der Beste“ Literarische Experten Und im Internet, der Fama Das Gerücht samt Metastasen Viel zu billig und zu simpel Meine Schuld laut ihrer Meinung Mehr begossen noch sind Pudel, Wie der Fuchs in jener Fabel Still die Schwänze eingezogen Ausgestrichen im Geheimen Doch gelöschte „Links“ – ein Omen! – Krönung aber sind die Quellen, Nun – Verschwörungstheorien Pannonicus Post scriptum in Prosa: Von Karl Kraus stammt der Satz „Ein Gedicht ist so lange gut, bis man weiß, von wem es ist.“ |
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