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08.11.08 / Fatale Katapultwirkung / Derivate und Leerverkäufe haben zweischneidige Wirkungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-08 vom 08. November 2008

Fatale Katapultwirkung
Derivate und Leerverkäufe haben zweischneidige Wirkungen

Weder zur Entstehung noch zum Platzen von Spekulationsblasen bedarf es der Anwendung von Derivaten oder Leerverkäufen. Allerdings können diese Instrumente Übertreibungen an den Finanzmärkten ganz erheblich verstärken und beschleunigen. Sehr treffend bemerkte darum unser Autor Pannonicus in seinem berühmt gewordenen Gedicht „Höhere Finanzmathematik“ über das Treiben von Spekulanten: „Leichter noch bei solchen Taten / tun sie sich mit Derivaten“ – es geht also auch ohne.

Was ist nun das Grundprinzip beider Instrumente und wie sind sie entstanden? Grundprinzip des Leerverkaufs ist die Veräußerung eines Anlageobjekts, das dem Verkäufer zum Zeitpunkt des Verlaufs gar nicht gehört. Er hat es entweder geliehen oder muß auf andere Weise sicherstellen, daß er es rechtzeitig bis zum vereinbarten Liefertermin bekommt – und sei es durch Kauf zu einem womöglich weit höheren Preis. Der Leerverkäufer spekuliert in jedem Fall auf sinkende Preise und trägt auch dazu bei, sie herbeizuführen, weil er mit seinem Verkauf das Angebot vergrößert. Unanständig ist daran rein gar nichts – auch der rapide, für die Weltwirtschaft durchaus heilsame Rück-gang der massiv überhöhten Öl- und Gaspreise in den vergangenen drei Monaten wurde durch Leerverkäufe mit herbeigeführt.

Problematisch ist ein Leerverkauf (englisch „short sell“) nur, wenn ohnehin unterbewertete Anlageobjekte aller Art weiter gedrückt werden – dann allerdings geht auch der Leerverkäufer selbst ein hohes Risiko ein: Steigt der Preis wieder, verliert er massiv, weil er sich dann teuer eindecken muß. Dieses Phänomen geistert als „short squeeze“ durch die Wirtschaftsnachrichten und führt regelmäßig zu rapiden Kurssprüngen des zugrundeliegenden Objekts. Übrigens ist der Leerverkauf ein ausgesprochen altes Phänomen: Bereits anno 1609 verkaute ein niederländischer Kaufmann namens Isaac Le Maire mehr Anteile an der Vereenigde Oostindische Compagnie (VOC), als er besaß, was als erster belegter Fall eines Leerverkaufs gilt.

Auch Derivate lassen sich bis mindestens ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen. Schon bei der damaligen holländischen Tulpenspekulation spielten Optionsscheine am Ende eine Schlüsselrolle (siehe Seite 10). Leerverkäufe gibt es in ganz unterschiedlichen Formen, aber Finanzderivate gibt es in geradezu unübersehbarer Fülle. Generell handelt es sich um Verträge, deren Preisbildung auf einer marktabhängigen Bezugsgröße, dem Basiswert, basiert. Die weitaus meisten Derivate haben den Effekt, daß mit weit geringeren Summen am Handel teilgenommen werden kann, als bei einer Investition in den Basiswert selbst. Oft erspart ein Derivat auch Kosten für Transport oder Lagerung eines Gutes. Meistens schwankt ein Derivat im Wert weit stärker als der Preis des Basiswertes. Dadurch kann genau der fatale Katapulteffekt entstehen, der vor wenigen Wochen fast zum Kollaps der Weltfinanzmärkte geführt hätte.     K.B.


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