19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
08.11.08 / Bruchzone zwischen Nil und Kongo / Wieder Hunderttausende Flüchtlinge im Osten Kongos – Im Sudan drohen neue Gefahren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-08 vom 08. November 2008

Bruchzone zwischen Nil und Kongo
Wieder Hunderttausende Flüchtlinge im Osten Kongos – Im Sudan drohen neue Gefahren

2005 sicherte die Bundeswehr die erste freie Wahl in der Republik Kongo, doch die junge Demokratie wird bereits wieder von massiven Unruhen erschüttert.

Der Schwerpunkt der Gewalttätigkeiten liegt wieder im Osten des Landes, im Bereich der Großen Seen im Grenzland zu Ruanda. Von dort aus stürzte 1997 Laurent Desiré Kabila mit Unterstützung des amerikanischen Geheimdienstes CIA den Diktator Joseph Mobutu, bis dahin selbst ein Zögling der USA. Kabila wurde nach wenigen Jahren ermordet, sein Adoptiv-sohn ist heute Präsident der glücklosen Republik Kongo.

Daß die gegenwärtigen Unruhen wieder vom Osten ausgehen, hat Gründe, die sich dem Einfluß der kongolesischen Politik entziehen.  In der Nachbarschaft zu Ruanda, Burundi und Uganda spielen die dortigen Spannungen immer in den Kongo hinein. So haben sich die Hutu-Milizen, die 1994 den Völkermord mit nahezu einer Million Toten an den Tutsi begingen, vielfach in den kongolesischen Osten zurückgezogen. Seither schwelt der Kleinkrieg zwischen Hutu und Tutsi in dieser Region weiter.

Kennzeichnend ist dabei, daß es sich hier nicht um zwei Völker-schaften handelt, wie es im Kongo viele gibt. In diesem Riesenreich werden rund 200 Sprachen gesprochen, doch die meisten Völker gehörten der großen Gruppe der Bantu an. Die Tutsi dagegen sind mit den Amharen des südlichen Sudan verwandt und haben mit den Bantu weniger zu tun als die Italiener mit den Norwegern.

Seit Urzeiten bildet dabei die Wasserscheide zwischen den Quellgebieten des Nils und denen des Kongo die Grenze zweier Kulturen. Die der Amharen, der Niloten im südlichen Sudan und des Kordofan waren dabei gegenüber derjenigen der Bantu immer dominant. Das erklärt nicht zuletzt den maßlosen Haß, der sich beim Völkermord 1994 gezeigt hat.

Die Scheidelinie zwischen Nil und Kongo behielt auch in der Gegenwart ihre Bedeutung. Während der Zeit des Kolonialismus grenzte sie die belgisch-französische Einflußzone von der britischen ab. Dies ist eine der Erklärungen dafür, daß Frankreich den Völkermord 1994 in Ruanda tatkräftig mit Waffen unterstützt hat – die Frankophonie in Übersee ist für Paris nach wie vor ein Anliegen, das man sich etwas kosten läßt.

Dieser traditionell gefährliche und belastete Ostteil des Kongo an den Großen Seen war auch in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts der Brennpunkt der Kriege, die sich über die Mitte des gesamten afrikanischen Kontinents hinzogen. Das benachbarte Uganda unterstützte die Rebellen im nördlich angrenzenden Sudan. Im Süden bot Kenia den ugandischen Aufständischen Schutz und Hilfe. Der Kongo half den ruandischen Meuterern, die wiederum mit Burundi im Streit lagen. Zudem unterstützte der kongolesische Präsident Mobutu an der südwestlichen Grenze seines Landes den angolanischen Freiheitskämpfer Jonas Savimbi, so daß sich die ineinander verwobenen und verschränkten Kriege über den halben Kontinent zogen. Die Länder waren damals ineinander verbissen wie zwei Terrier, die sich gegenseitig an Gurgel und Bauch halten.

Viele von diesen alten Frontlinien existieren nach wie vor. Vor allem im kongolesischen Osten. Die ethnischen Verwerfungen sind nach wie vor vorhanden, die Erinnerung an vergossenes Blut ist wach. Und da in Afrika Staatsgrenzen für die Menschen eine nur symbolische Bedeutung haben, ist von einem Streit selten nur ein Land betroffen.

Der Kongo, inmitten des Kontinents gelegen, hat daher Anteil an verschiedenen Konflikten. In seinem Süden, im rohstoffreichen Katanga, beutet nach wie vor der simbabwische Diktator Robert Mugabe, geschützt durch eine Privatarmee, Goldminen und andere Bodenschätze aus. Im Osten gibt es Streit um Diamantenfelder mit Angola. Auch hier wirkt der zurückliegende angolanische Bürgerkrieg nach.

Und im stets anfälligen Osten um Goma an den Großen Seen macht sich nun die sudanesische Nachbarschaft ungut bemerkbar.

Denn der Sudan wird in kurzer Zeit die gefährlichste Region Afrikas sein. Der Grund: In dem islamisch-fundamentalistischen Land soll mehr Erdöl lagern, als Saudi-Arabien und der Iran zusammengenommen haben. Hier werden nach aller Wahrscheinlichkeit spätestens im kommenden Jahrzehnt China und die USA aufeinandertreffen, unabhängig davon, wer in Amerika die Wahlen gewinnen wird. Denn Entscheidungen von einer derartigen wirtschaftlichen Tragweite werden in den USA nicht im Weißen Haus, sondern in den Zentren der großen Konzerne  gefällt.

Die ethnischen Verwerfungen Afrikas, unter denen insbesondere das Riesenreich Kongo, das rund siebenmal so groß ist wie Deutschland, zu leiden hat, werden dabei von außen instrumentalisiert. Das war während des Kalten Krieges so und ist heute nicht anders.

Ebenfalls wie in früheren Jahren spielt die Uno bei dem ganzen Unglück eine  fatale Rolle. Im Kongo beispielsweise ist mit der MONUC die weltweit größte Streitmacht der Vereinten Nationen mit 17000 Mann stationiert, um für Frieden zu sorgen. Ihre bislang bedeutendste militärische Leistung bestand darin, ihre Einheiten samt Panzer zurückzuziehen, sobald die Rebellen des Laurent Nkunda auftauchen.

Blamagen dieser Art haben auch ihre Vorbilder in Afrika. Ein wesentlicher Grund dafür liegt in der Konstruktion der Uno-Militäreinsätze. Die political correctness schreibt vor, in Afrika überwiegend afrikanisches Militär aufzubieten. Im Gegensatz zu europäischen Entsendern oder den USA bekommen die Heimatländer afrikanischer Uno-Truppen eine finanzielle Entschädigung. Manche Entsender betrachten einen Militäreinsatz unter UN-Kommando daher als willkommene Geldquelle und vermeiden es deshalb, den Kriegsgrund aus der Welt zu schaffen.

So werden die Vereinten Nationen im Kongo und wahrscheinlich sehr bald im Sudan ihren bisherigen afrikanischen Niederlagen weitere hinzufügen. Leidtragend ist die jeweilige Bevölkerung, für die eine gutgemeinte Entwicklungshilfe nicht den zehnten Teil dessen ersetzen kann, was die selbstverschuldeten und ins Land getragenen Stürme vernichten.           Florian Stumfall

Foto: Auf der Flucht: Einige Frontlinien sind älter als die Kolonialzeit und brechen immer wieder auf.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren