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08.11.08 / Bildung als lästiger Kostenfaktor / Massenproteste gegen Milliardenkürzungen an italienischen Schulen und Universitäten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-08 vom 08. November 2008

Bildung als lästiger Kostenfaktor
Massenproteste gegen Milliardenkürzungen an italienischen Schulen und Universitäten

Die italienische Schule ist im Jahr 2008/2009 von uns gegangen. Diese traurige Mittleilung geben Schüler, Lehrer und Eltern bekannt. Die Beisetzung findet am 30. Oktober 2008 statt.“ So lautet ein Protestplakat, mit dem ein riesiger Trauerzug aus Demonstranten in Venedig das öffentliche Bildungssystem symbolisch zu Grabe trug. Überall in Italien wurden in den letzten Wochen Schulen und Hochschulen besetzt, Straßen und Bahngleise blockiert sowie Streikmärsche organisiert. Anlaß der Massenproteste sind die jüngsten Schul- und Universitätsreformen, die Silvio Berlusconis Mitte-rechts-Kabinett Ende Oktober verabschiedet hat.

Wie ein Kahlschlag wirken die Pläne von Bildungsministerin Mariastella Gelmini, die Einsparungen von acht Milliarden Euro anstrebt. Binnen drei Jahren sollen 130000 Lehrer- und Verwaltungsstellen an den Schulen wegfallen. Während die OECD infolge der Pisa-Studien den Ausbau von Ganztagsschulen und kleineren, Klassen empfiehlt, will Italien die Unterrichtszeit sogar verkürzen und die Zahl der Schüler pro Klasse auf 30 erhöhen.

Die Folgen dieser radikalen Einschnitte betreffen Lehrer, Schüler und Eltern gleichermaßen. Neben einem weiteren Abrutschen des Lehrerstandes ins Prekariat – die italienischen Kollegen sind im europäischen Vergleich hoffnungslos unterbezahlt – könnte sich die Schulqualität erheblich verschlechtern.

Daneben stellt sich vor allem für berufstätige Mütter und Väter das Problem der Nachmittags- und Ferienbetreuung, die sich private und kirchliche Träger einiges kosten lassen. Nicht zu reden von den kleineren Gemeinden und Bergregionen, in denen Kinder aufgrund der geplanten Schulschließungen zukünftig einen Fahrweg von über einer Stunde in die nächstgelegene Stadt in Kauf nehmen müssen.

Als Ausgleich für die Sparmaßnahmen schlägt die Regierung den öffentlichen Schulen vor, sich als Stiftungen privaten Rechts zu konstituieren und private Mittel einzuwerben.

Eine eher absurde Idee, weil Italiens Wirtschaftsunternehmen kaum in Forschung und Entwick-lung investieren. Umstritten ist ferner der Entwurf der mitregierenden Lega Nord, separate Klassen für Immigrantenkinder einzuführen, die über mangelhafte Italienischkenntnisse verfügen. Oppositionschef Walter Veltroni von der Demokratischen Partei nannte das vom Abgeordnetenhaus Mitte Oktober gebilligte Vorhaben „unglaublich“, und CGIL-Gewerkschaftsführer Guglielmo Epifani brachte einen Vergleich mit dem Apartheitsregime an.

Konservative Wähler und Anhänger der Traditionsschule begeistern sich dagegen für die Reform. Sie begrüßen die Rückkehr zum Klassenlehrerprinzip und zur Schuluniform an der Grundschule sowie die Wiedereinführung von versetzungsrelevanten Betragensnoten und numerischen Zensuren in allen Klassenstufen.

Auf positive Resonanz stoßen zudem die Verstärkung der politischen Bildung an den Schulen sowie das Vorgehen gegen die häufigen, für die Eltern teuren Schulbuchwechsel.

Über letzteres ärgern sich insbesondere die Verlagshäuser, die mit jährlich veränderten Auflagen bisher millionenschwere Gewinne machten.

Die Universitäten sind ebenfalls von den Sparmaßnahmen betroffen. Bis 2013 sollen sie mit 1,5 Milliarden Euro weniger auskommen. Acht von zehn frei werdenden Lehrstellen dürfen künftig nicht neu besetzt werden. Studiengänge mit zu geringer Teilnehmerzahl sollen wegfallen.

Mit den massiven Einsparungen schaufelt das Land hingegen sich selbst ein immer tieferes Grab.        Sophia E. Gerber


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